Neue Rechtsentwicklung: Abrechnung nur auf Basis verbindlicher Versicherungsangebote?
In letzter Zeit kommt es immer häufiger vor, dass Versicherungen verbindliche Angebote machen - zum Restwert, zum Mietwagen und wohl auch bald für Reparaturen. Die Frage, die ich mir stelle ist, ob sich der Geschädigte daran festhalten lassen muß.
Das Porsche-Urteil des BGH (VI ZR 398/02) hilft uns, wie xAKBx in einem anderen Thread schon schrieb, da auch nicht weiter:
Zitat:
Original geschrieben von xAKBx
Das so oft und gern zitierte Porscheurteil, das einer Kürzung auf abstrakte Stundenverrechnungssätze widerspricht, ist hier uninteressant und ich würde mich im übrigen bei einer fiktiven Abrechnung nach Gutachten und durchgeführter Eigenreparatur nicht mehr darauf verlassen, da immer mehr Gerichte (auch OLG) dazu übergehen, das sich ein Geschädigter die Stundenverrechnungssätze einer konkret benannten und für Jedermann zugänglichen Kfz-Fachwerkstatt anrechnen lassen muss. Es ist sicherlich nur noch eine Frage der Zeit, bis der BGH auch hierzu eine grundsätzliche Entscheidung treffen wird.
Das ist - leider- wohl richtig.
Der BGH schreibt im Porsche-Urteil ja nur folgendes:
"... die Klägerin (muß sich) auf die abstrakte Möglichkeit der technisch ordnungsgemäßen Reparatur in irgendeiner kostengünstigeren Fremdwerkstatt auch unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht nicht verweisen lassen.
...
Grundlage der Berechnung der im konkreten Schadensfall erforderlichen Reparaturkosten kann nicht der abstrakte Mittelwert der Stundenverrechnungssätze ... sein.
Zudem würde die Realisierung einer Reparatur zu den von den Beklagten (Versicherung) vorgetragenen Preisen die Entfaltung erheblicher eigener Initiative durch den Geschädigten erfordern, wozu dieser nicht verpflichtet ist (vergleichbar insoweit zur Abrechnung von Mietwagenkosten die Senatsurteile BGHZ 132, 373, 378 und zur Bestimmung des Restwertes bei Inzahlunggabe des Fahrzeugs BGHZ 143, 189, 194). In der Regel wäre erforderlich, Erkundigungen hinsichtlich der Werkstatterfahrun für die Reparatur der entsprechenden Fahrzeugmarke einzuziehen und entsprechende Preisangebote einzuholen."
Also, lt. Porsche-Urteil kann der Geschädigte auf sein eigenes Gutachten vertrauen, da er nicht verpflichtet ist, weitergehende Erkundigungen einzuholen. Falls ihm die Versicherung aber ein günstigeres verbindliches Angebot macht, wird er darauf eingehen müssen (s. Restwertproblematik). Es ist wohl wirklich nur eine Frage der Zeit, bis der BGH das klarstellt.
Beim Restwert ist das Problem der verbindlichen Aufkäuferangebote ja bereits hinlänglich bekannt. Jetzt kommt es aber auch bei Mietfahrzeugen - ein Kollege hatte gerade einen Fall, in dem die Versicherung verbindlich einen Mietwagen für 30 EUR /je Tag inkl. Versicherungen und aller km anbot. Natürlich wollte sie die höheren, aber angemessenen Mietwagenkosten (kein Unfallersatztarif) des Geschädigten nicht zahlen. Was dann?
Ich halte diese Entwicklung für sehr bedenklich. Das Recht des Geschädigten, die Schadensbehebung in die eigene Hand zu nehmen wird m.E. zu sehr eingeschränkt.
Es mag gute Gründe geben, das Fahrzeug immer in einer selbstgewählten Werkstatt reparieren zu lassen, etwa um bei einem späteren Neuwagenkauf als "guter Kunde" dazustehen oder bessere Kulanzaussichten bei der Werkstatt zu haben.
Es mag auch gute Gründe geben, immer zu einem selbstgewählten Vemieter zu gehen, ev. da die Fahrzeuge dort besser gewartet werden oder der Service besser ist.
Und schließlich sehe ich die Gefahr, dass die Versicherungen mit Hilfe ihrer "verbindlichen" Reparatur- und Mietwagenangebote die Schäden künstlich klein rechnen. Die Möglichkeit dazu wird mit den Versicherungs-Partnerwerkstätten bei diversen"Select"-Angeboten im Kaskobereich ja schon geschaffen.
Es wird sich nie kontrollieren lassen, ob nicht die Partnerwerkstatt gegenüber dem Geschädigten ein unwirtschaftlich niedriges, aber verbindliches Reparaturangebot macht und von der Versicherung sozusagen "hintenrum" auf verschleierten Wegen in irgendeiner Form eine Ausgleich erhält. Gelackmeiert sind die Geschädigten, die fiktiv abrechnen, und nur die Reparaturkosten aus dem geschönten Angebot, nicht jedoch den tatsächlichen Schaden ersetzt bekommen.
Gleiches gilt für die Mietwagenkosten. Wenn ein extrem günstiges, aber verbindliches Mietwagenangebot vorgelegt wird, kann sicherlich kein höherer Nutzungsausfall beansprucht werden.
Da hoffe ich doch, dass der BGH ein Einsehen hat und solchen Spielchen einen Riegel vorschiebt. Letztlich hat der Geschädigte zu entscheiden, ob und wie er seinem Schaden behebt.
Kleiner Lichtblick: Auch das hat der BGH im Porsche-Urteil so geschrieben:
"Bei dem Bemühen um eine wirtschaftlich vernünftige Objektivierung des Restitutionsbedarfs im Rahmen von § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB darf nicht das Grundanliegen dieser Vorschrift aus den Augen verloren werden, daß dem Geschädigten bei voller Haftung des Schädigers ein möglichst vollständiger Schadensausgleich zukommen soll."
Und die Abrechnung nach dem abstrakten Mittelwert der Stundenverrechnungssätze hat der BGH u.a. auch deshalb abgelehnt, weil so "die dem Geschädigten in § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB eröffnete Möglichkeit der Schadensbehebung in eigener Regie eingeschränkt" werde.
Und jetzt kommt Ihr! 🙂
61 Antworten
Hallo SV Stoll,
nein, es sind nicht alles "Pusemuckel-Entscheidungen" und sie haben für das Amtsgericht, an dem sie ergangen sind, auch eine gewisse Bedeutung. Da hast Du völlig Recht.
Allerdings geben ich zu bedenken, dass es auch hier in den seltensten Fällen eine feststehende Rechtsprechung gibt. Ich habe durchaus schon erlebt, dass z. B. Richter A am AG Pusemuckel fiktive Verbringungskosten zuspricht (und wir das Urteil in jeder Akte zitiert bekommen) und plötzlich Richter B am gleichen AG sie nicht mehr zuspricht (und wir das Urteil von da an zitieren😁).
Zu den Problemfeldern bei der Verweisung auf andere Stundensätze:
Leasingfahrzeuge müssen in der Regel repariert werden. Das Problem stellt sich daher nicht, da es nur um fiktive Abrechnung geht.
Was wäre eine vergleichbare Werkstätte?
Vorschlag: Wenn z.B. Premium Hersteller X damit wirbt, dass seine Werkstatt ein bestimmtes Qualitätszertifikat erhalten hat, warum sollte dann nicht auf eine freie Werkstatt verwiesen werden dürfen, die das gleiche Zertifikat erhalten hat?
Es gibt da sicher ausreichend Ansatzpunkte.
Schöne Grüße
Hafi