Kostensenkungen beim Radwechsel unmoralisch?
Kurze Erklärung für alle die keine Mechaniker/Ingenieure sind:
Ein Rad hält ja auf der Radnabe durch die Reibung zwischen Felge und Nabe. Befindet sich Dreck auf der Kontakfläche zwischen Rad und Nabe, wird dieser mit der Zeit zusammengepresst und die Radbolzen verlieren ihre Vorspannkraft. Dadurch kommt es zum Rutschen des Rades auf der Nabe. Die Radbolzen werden auf Biegung und Querkraft beansprucht. Durch die Überdimensionierung kommt es nicht sofort zu einem Bruch sondern zu einem langsamen Rissfortschritt. Erst nach längerem Rutschen ist der Rissfortschritt so groß, dass es schließlich zu einem Ermüdungsbruch mit Restgewaltbruch kommt. Soweit so gut.
Nun zur eigentlichen Frage:
Vor einigen Jahren fing eine große Kette mit drei Buchstaben an, beim Radwechsel die Kontaktflächen nicht mehr zu reinigen, sondern einfach auf die Rechnung zu schreiben " Radbolzen bitte nach 50 km nachziehen!". Was auch nötig ist, da sich die Radbolzen ja aufgrund der mangelnden Reinigung tatsächlich lösen (auch wenn sie sich dazu nicht drehen). Mich hat das damals als Mechaniker schwer schockiert. Die Idee ist wohl, dass die kurze Fahrstrecke ca. 50 km nicht ausreicht, um die Radbolzen soweit zu schädigen, dass es gefährlich wird. Problematisch wird es wenn der Kunde die Räder nicht nachziehen lässt. Dann kommt es irgendwann zum Abscheren der Radbolzen und zum Verlust des Rades.
Inwischen haben sogar die meisten Vertragswerkstätten dieses Verfahren übernommen. Das spart sicher viele Kosten. Aber ist es denn nicht moralisch verwerflich, aufgrund von Kosteneinsparung Menschenleben zu gefährden?
Beste Antwort im Thema
Zitat:
@SDGolf3 schrieb am 11. Dezember 2014 um 21:16:18 Uhr:
Aus dem Grund habe ich Bürohengst in "" gesetzt,Zitat:
@Rael_Imperial schrieb am 11. Dezember 2014 um 20:57:38 Uhr:
Ich als Bürohengst mit elektrotechnischem Hintergrund weiss aber, dass die
Verbindung von Radnabe und Felge (in Drehrichtung) keine formschlüssige ist.
damit sich keiner angegriffen fühlt. Darum geht´s gar nicht.Dann erkläre uns doch mal bitte, warum es sich bei einer Verbindung
Radnabe/Scheibenrad nicht um eine förmschlüssige Verbindung handeln soll.
Weil ich zumindest bei allen mir bekannten Fahrzeugen noch keine Verzahnung zwischen Radnabe und Felge gefunden habe.
Und jetzt erkläre Du bitte, weshalb es eine formschlüssige Verbindung sein sollte.
141 Antworten
Ich bin davon ausgegangen, dass nicht alle Schrauben gleichmäßig gelockert sind, sondern sich durch die ungleichmäßige/unebene Anlagefläche sich die Schrauben nacheinander lockern und sich eine lockere Schraube schneller raus dreht als das sie bricht.
Andreas
Zitat:
@flatfour schrieb am 11. Dezember 2014 um 21:43:15 Uhr:
Seitdem bei Audi in den Werkstätten Alufelgen bei derartigen Anziehen gebrochen wurden.Zitat:
@kat2 schrieb am 11. Dezember 2014 um 21:38:44 Uhr:
Ich kenne das gar nicht anders (stand so früher in jeder Auto-Bedienungsanleitung), und da hat sich noch nie etwas gelöst.
Grüße
Wenn der Handanzug es nicht schafft die Felge plan anliegen zu lassen (schwergängiges Gewinde), wird das Rad mit'n Drehmomentschlüssel über den Boden an die Bremstrommel gezogen und bricht, oder die Stahlfelge verbiegt sich.
Audi hat das dann in den 1980ern verboten.
Hi,
bei Seat war es 1995 noch erlaubt, habe gerade nachgesehen. Eine neuere Anleitung habe ich gerade nicht zur Hand.
Ich denke auch, daß da wohl eher der Reifen nachgibt (der ist ja aus Gummi), als das sich die Felge verbiegt. Zentimeterweit wird er ja nicht abstehen.
Grüße
Zitat:
@AndreasWausHH schrieb am 11. Dezember 2014 um 22:15:28 Uhr:
Ich bin davon ausgegangen, dass nicht alle Schrauben gleichmäßig gelockert sind, sondern sich durch die ungleichmäßige/unebene Anlagefläche sich die Schrauben nacheinander lockern und sich eine lockere Schraube schneller raus dreht als das sie bricht.Andreas
In dem Fall sind dann aber die verbliebenen festen Schrauben stärker belastet,das mag zwar über eine kurze zeit nix aus machen aber auf die Dauer.Und mal im Ernst wer guckt jeden tag bei seinem Auto ob noch alle Radschrauben vorhanden sind?
Zitat:
@SDGolf3 schrieb am 11. Dezember 2014 um 22:10:39 Uhr:
Die Vermutung ist aber verdammt leise.Zitat:
@alexauto321 schrieb am 11. Dezember 2014 um 22:05:57 Uhr:
@SDGolf3: Irgendwie habe ich die leise Vermutung, dass du nicht weißt wie eine Schraubverbindung funktioniert^^Obwohl du sie doch schon so oft angeschaut hast?
Wenn dir die Argumente ( siehe 1. Seite ) ausgehen, dann kommen
solche Antworten 🙄
Jahrhunderte lang haben Konstrukteure Vorspannkräfte berechnet, Verspannungsdiagramme gezeichnet und Rutschsicherheiten ausgerechnet.
Die Frage: WAR DAS ALLES UMSONST? Steckt eine unbekannte Kraft dahinter? Muss die Physik umgeschrieben werden?
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@kat2:- ja, sollte man denken. Aber die Vorfälle waren Anlass etwas zu ändern. Es waren allesamt Gußräder. Wenn die Radschraube von Hand wirklich stramm die Felge zur Anlage bringt und man sicher ist....ok.
Ist heute mit den Schlagschraubern auch nicht mehr das Problem; die ziehen die ja schon in der Luft hängend auf Drehmoment vor.
Aber damals...
@alexauto321
Also ich denke Auch du weißt nichg genau, wie eine Schraubverbindung funktioniert.
Eine Schraubverbindung wird immer so ausgelegt, dass die Schraubverbindung NUR auf Zug belastet wird, keine Biegung, keine Querkraft, denn nur so funktionieren Schrauben, sie können keine Querkräfte übertragen, bzw. scheren sie sehr schnell ab. Sie werden durch das Festziehen gelängt und zwar so sehr, dass sie durch ihr Zusammenziehen die zu verbindenden Teile so aneinanderpressen, dass die dadurch entstehende Reibkraft das zusammenhält.
Diese Reibkraft wird berechnet, dann wird berechnet mit wieviel Nm die Schrauben festgezogen werden muss, damit diese Reibkraft aufgebracht wird, danach wird die passende Schraube gewählt, da man die ja nicht unendlich festziehen kann.
Übrigens werden bis zu 90% des Anzugsmoments benötigt um die Reibung zwischen Schraubenkopf und Bauteil zu überwinden.
Und das könnt ihr mir glauben, ich hab diese Prüfung mehrmals schreiben müssen 😉
Das mit dem Dreck bewirkt natürlich ein Setzen, weswegen sich die Spannkraft, die du ja angesprochen hast, verringert und damit die Reibkraft.
Was den Dreck aufder Naabe angeht, hab ich die Erfahrung gemacht, dass die Schrauben sich trotzdem nicht lockern, da immer noch fest genug, aber dafür Vibrationen durch das nicht korrekt sitzende Rad auftreten.
Und was die Moral angeht, wer 15€ für nen Reifenwechsel bezahlt, sollte auch nicht mehr erwarten als ein Reifenwechsel für 15€.
Die Schrauben übertragen auch Querkräfte, aber nur wenn sie locker sind. Hatte selbst mal ein Rad ab 😁, und das auch noch an einem Fahrzeug ohne Radmittenzentrierung, war ein 67er Karman Ghia. Es gab schon viele km vor dem Radverlust ein leicht spürbares Klopfen beim Beschleunigen, als würde sich eine Antriebswelle verabschieden. Als das Auto dann liegenblieb, war nur noch eine Schraube lose eingechraubt, die anderen drei klimperten innerhalb der Radkappe herum.
Achja, gebrochen ist bei der Aktion keine der Schrauben. Wurden aber ersetzt, da die Gewinde teilweise wegen der fehlenden Radzentrierung ziemlich vergnießnaddelt waren - kein Wunder, wenn die Felge drauf rumtanzt.
So ein Erlebnis brauch ich nicht nochmal. Das passierte übrigens auf eine Probefahrt mit einem Kaufinteressenten im Auto. Ich habe dann gerade noch der Versuchung widerstehen können, mit Pechfackel und Mistgabel die schuldige Werkstatt aufsuchen zu wollen...
Zitat:
Vor einigen Jahren fing eine große Kette mit drei Buchstaben an, beim Radwechsel die Kontaktflächen nicht mehr zu reinigen, sondern einfach auf die Rechnung zu schreiben " Radbolzen bitte nach 50 km nachziehen!". Was auch nötig ist, da sich die Radbolzen ja aufgrund der mangelnden Reinigung tatsächlich lösen (auch wenn sie sich dazu nicht drehen). Mich hat das damals als Mechaniker schwer schockiert.
Radbolzen sind grundsätzlich, außer einige Ausnahmefälle, lt. Betriebsanleitung nach zu ziehen.
Die Kette mit den 3 Buchstaben vermerkt das seit einigen Jahren nur auf der Rechnung, weil es ein Höchstrichterliches Urteil gab, welches besagte, dass wenn man den Kunden darauf nicht EXTRA hinweist, die Werkstatt für ein loses Rad haften muss.
Trotzdem gehören die Anlageflächen gereinigt !
Zitat:
@Peperonitoni schrieb am 12. Dezember 2014 um 14:35:47 Uhr:
@alexauto321Also ich denke Auch du weißt nichg genau, wie eine Schraubverbindung funktioniert.
Eine Schraubverbindung wird immer so ausgelegt, dass die Schraubverbindung NUR auf Zug belastet wird, keine Biegung, keine Querkraft, denn nur so funktionieren Schrauben, sie können keine Querkräfte übertragen, bzw. scheren sie sehr schnell ab. Sie werden durch das Festziehen gelängt und zwar so sehr, dass sie durch ihr Zusammenziehen die zu verbindenden Teile so aneinanderpressen, dass die dadurch entstehende Reibkraft das zusammenhält.
Diese Reibkraft wird berechnet, dann wird berechnet mit wieviel Nm die Schrauben festgezogen werden muss, damit diese Reibkraft aufgebracht wird, danach wird die passende Schraube gewählt, da man die ja nicht unendlich festziehen kann.
Übrigens werden bis zu 90% des Anzugsmoments benötigt um die Reibung zwischen Schraubenkopf und Bauteil zu überwinden.
Und das könnt ihr mir glauben, ich hab diese Prüfung mehrmals schreiben müssen 😉Das mit dem Dreck bewirkt natürlich ein Setzen, weswegen sich die Spannkraft, die du ja angesprochen hast, verringert und damit die Reibkraft.
Was den Dreck aufder Naabe angeht, hab ich die Erfahrung gemacht, dass die Schrauben sich trotzdem nicht lockern, da immer noch fest genug, aber dafür Vibrationen durch das nicht korrekt sitzende Rad auftreten.Und was die Moral angeht, wer 15€ für nen Reifenwechsel bezahlt, sollte auch nicht mehr erwarten als ein Reifenwechsel für 15€.
Den ersten Satz ignoriere ich mal.
Der erste Absatz ist völlig korrekt und entspricht dem was ich gesagt habe. Du hast jedenfalls kapiert wie eine Schraubverbindung funktioniert und hast die Prüfung in Maschinenelementen zu Recht bestanden ;-).
Deiner Schlussfolgerung im zweiten Absatz entspricht nicht meiner Erfahrung. Meines Erachtens kommt es nicht selten zu einem so großen Verlust der Vorpannung, dass Rutschen auftritt. Wie du selber schreibst, sollten Schrauben nie auf Biegung oder Scherung beansprucht werden. Genau dies passiert aber sobald die Verbindung rutscht. Durch die Überdimensionierung scheren die Schrauben nicht sofort ab, sondern erleiden nach einiger Zeit einen Schwingbruch. Begünstigt wird dies durch die Kerbwirkung des Gewindes.
Meist haben Sommer- und Winterradsatz verschiedene Felgen.Zitat:
@MK1_FoFo_Diesel [url=http://www.motor-talk.de/.../...dwechsel-unmoralisch-t5143615.html?...]schrieb am 11. Dezember 2014 um 20:42:52
Bitte bedenke, in 99,99% der Fälle ist schon ein Rad montiert gewesen und somit besteht so gut wie keine Gefahr von einem Zusammenpressen des Drecks auf der Kontaktfläche weil diese schon metallisch blank war. Alle die selber Räder wechseln, haben dies sicherlich beobachtet, Rest der Fläche rostig und schmutzig aber Kontaktfläche meistens sauber.
Damit such verschiedene Auflageflächen.
Den Rest überlasse ich Deiner Fantasie 😉
und nicht vergessen: bei jedem radwechsel auch die bremsscheiben ausbauen um die korrosion zwischen bremse und nabe zu beseitigen.
Ganz kurz notiert: In dreieinhalb Jahren Werkstatt noch nie erlebt, und wir haben die Auflageflächen wirklich nur dann gereinigt, wenn sie optisch stark vergammelt waren.