ForumHarley Davidson
  1. Startseite
  2. Forum
  3. Motorrad
  4. Harley Davidson
  5. Hausmeister

Hausmeister

Themenstarteram 14. September 2005 um 21:29

Ich bin ein Kind der siebziger. Nein, das ist nicht so schlimm und bedauert werden will ich auch nicht. Es hätte schlimmer kommen können, denn ich hab`mir auch schon mal vorgestellt, wie es wohl wäre, wenn ich in den siebzigen im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte gewesen wäre. Dann hätte ich diesen ganzen Müll so richtig wahrgenommen.

Geheimratsecken und Kotletten bis zum Bauchnabel. Eltern nannten ihren Kinder Frank, Markus, Claudia und Marcel.

Ich musste damals im Winter immer so kratzende Baumwollstrümpfe tragen. Ich habe die heute noch. Letztens wollte ich mal wissen, wie das damals so war und habe sie mal wieder angezogen. Rot mit gelben Füßen und einem Gummibund an der Hüfte. Echt schrill, das findet übrigens auch mein Nachbar, der mal eben klingelte und ein Paket abgeben wollte. Na ja, dachte ich so – was der jetzt wohl denkt. Eine halbe Stunde später kamen meine Kumpels auf ein Bier vorbei. Was der dann wohl dachte...

Ich bin in einem Neubaugebiet großgeworden. Am Rande der damaligen westlichen Hauptstadt. Beton wohin man sah. Irgendwie fühlte ich mich in diesen Wohnbatterien nie so richtig wohl und habe dann mit sechsundzwanzig mal spontan beschlossen, die elterliche Wohnung für eine Weile zu verlassen. Meine Mutter war sehr unglücklich, als sie mich gehen lassen musste. Das war schlimm.

Ich habe dann versucht auf eigenen Beinen zu stehen. Ich habe mich dann doch lieber auf die Räder meiner Harley verlassen. Ich fuhr so durch die Gegend. Leicht planlos bis ich Frau traf. Es war ein schöner Tag, glaube ich. Die Sonne schien und mir schien, als wenn es der Beginn einer wunderbaren gemeinsamen Planlosigkeit werden würde. Denn Frau hatte auch keinen Plan von nix und so planten wir gemeinsam und schmiedeten einen Plan.

Da ich mir beim besten Willen nicht vorstellen konnte, wie es ist alleine zu wohnen, haben wir uns da mal umgeschaut. Zu dem Zeitpunkt wohnte ich mit in der Wohnung von Frau. Aber nicht lange, denn Ärger war vorprogrammiert. Die Nachbarn und die anderen Anwohner in zwei Kilometer Umgebung fühlten sich durch mein Mopped irgendwie belästigt. Ich konnte das wirklich nicht verstehen. Zumal ich rechtschaffender Arbeitnehmer war und meinen Tag um vieruhrdreißig begonnen habe. Diese Spießer.

Es wurde höchste Zeit sich nach einer neuen Bleibe umzusehen. Wir wurden schnell fündig.

Die Besichtigung war an einem Sonntag im Winter. Als wir ankamen schüttelte ich dem Makler mit meiner blauen Hand die Tränen in die Augen. Wir betraten einen echt gut gemachten Altbau. Das Umfeld schien mir etwas schnöde, aber es ging ja auch um Frau. Kompromisse sind dazu da, um geschlossen zu werden.

Der Hausmeister war auch mit in der Wohnung und musterte mich äußerst kritisch. Das lag bestimmt an meinem Helm. Ich hatte ihn aufgelassen, denn es war unmöglich den Verschluss mit den steifen Fingern zu öffnen. Meine Nase triefte wie wenn eine Kuh Wasser lässt. Scheinbar dachte der, ich erwarte noch `ne Lieferung aus Kolumbien. Wir haben noch am selben Tag den Mietvertrag unterschrieben. Meine Unterschrift sah eher so aus, wie das Gekritzel eines siebenjährigen, der versucht seinen Namen zu schreiben. Das lag aber an meinen Kalten Fingern. Als ich neulich was unterschreiben musste, sah es aber genauso aus, aber es war Sommer. Gut, ich hatte den Helm auch wieder auf, aber daran kann es nicht gelegen haben. Ich werde der Sache mal auf den Grund gehen.

Der Umzug verlief ohne größere Zwischenfälle. Die zwei Kisten waren ja auch schnell ausgepackt. Bei der Einweihungsparty klangen die Gesänge meiner Kumpels nach dem zwölften Bier wie ein Kirchenchor in einer schottischen Kathedrale. Total abgefahren. Ich wollte damals die Wohnung als Proberaum für Chorknaben vermieten.

Man, es wurde schon wieder kalt vor der Tür und ich hatte noch keine Garage. Mein Telefon ist immer Griffbereit und so nahm ich das von Frau. Denn mein Guthaben ist seit geraumer Zeit verbraucht. Ich vermute mal, das wird ein Kommunikationsfehler zwischen Bank und Mobilfunkanbieter sein. Seit einem Jahr versuche ich nun schon, dem Problem zu Leibe zu rücken, doch irgendwie erreiche ich keinen. Jedenfalls glaubt das Frau.

Ich habe dann vier meiner besten Freunde angerufen und um Hilfe gebeten. Schließlich kamen zwei vorbei und wir haben innerhalb von zwei Stunden meine Harley drei Altbauetagen hochgeschleppt. Es ist gut Freunde zu haben. Ich habe mir dann vorgestellt, wie es wäre, wenn man keine Freunde hätte. Dann wäre keiner gekommen. So ist die Wahrscheinlichkeit größer das zumindest einer kommt, wenn drei absagen. Bei nur einem Freund liegt die Wahrscheinlichkeit bei fünfzig Prozent. Aber Rechnen war nie meine Stärke. Und so habe ich noch sieben Bier besorgt. Als Dankeschön für die Harleyaktion. Zwei für meine Freunde und zwei für mich.

Da stand das Mopped nun in der Wohnung. Das war richtig gut, denn ich konnte endlich mal was dran machen. Weil ich ja schon so viel damit gefahren bin, wollte ich mal den Simmerering vom fünften Gangrad checken, denn es tropfte gelegentlich etwas. Ich habe erst mal das Öl abgelassen und dann den ganzen Schnodder abgeschraubt. Es klingelt an der Tür. Da fiel mir ein, daß es ein Tag war, an dem ein Schornsteinfegermensch kommt um die Gastherme zu überprüfen. Freundlich öffnete ich ihm die Tür und schüttelte ihm die Griffel. Schwarz waren sie eh schon, nur jetzt waren sie auch noch feucht. Ich habe ihm dann von Primäröl meiner Harley erzählt und der fand das richtig gut. Der Hausmeister was auch mit von der Partie. Schon wieder. Er mustert mich immer, jeden verdammten Tag. Ich schien so etwas wie der Stein in seiner rechten Niere zu sein. Unsichtbar, aber immer etwas schmerzhaft.

Der Winter verlief bis auf den Ölfleck auf den abgezogenen Dielen und der Farbbespritzten Wand problemlos. Die Wohnung füllte sich in dieser Zeit auch mit allerhand Müll. Wir trennten die Bereiche deutlich. Frau konnte sich mit ihren Möbeln vergnügen und ich richtete mich ein wie in meiner alten Werkstatt. Da hatte ich auch ein Bett, ein Radio und einen Kühlschrank. Das war ein schöner Winter. Eine Geburtstagsfeier stand an. Da ist mal wieder Gelegenheit das ganze verdammte Pack einzuladen und mit einem Schwung abzuspeisen. Die Bekannten von Frau kamen auch alle. Immer wenn die kamen, war ich weg. Ich kann mit solchen Leuten nichts anfangen. Aber an diesem Tag war ich da, denn es war mein Geburtstag. Zu vorgerückter Stunde war ich richtig schön voll und nahm alles etwas verzerrt wahr. In meinem Kopf spielten sich wahnsinnige Dinge ab. Ich legte eine Scheibe mit Rockmusik auf, hielt mir den Fön ins Gesicht und hockte mich aufs Mopped. Alle standen dann um mich herum. Natürlich habe ich die Kiste laufen lassen und natürlich habe ich den Beamten das auch mal vorführen wollen, nur die wollten nicht. Man, was hab`ich die Pfeifen ausgelacht. Sie können ja meinen Ofen wegen einer illegalen Auspuffanlage einziehen. Was habe ich gelacht. Die Deppen mussten unverrichteter Dinge wieder abziehen. Ich musste auch mal kurz raus, denn Frau war richtig sauer und ihre bekloppten Bekannten auch. Mir egal, dachte ich. Ich hab`ja noch meine Kumpels.

Es war dann wieder Frühling und die Harley stand auch schon wieder vor der Tür. Eines Morgens fuhr ich zu Arbeit. Weit kam ich nicht. Ich kam genau acht Meter weit. Der Hausmeister hatte nun Gelegenheit seine Missgunst mir gegenüber Luft zu machen. Er stand im Vorgarten und bewässerte den Rasen. Als ich vorbeifuhr spritze er mich nass und meinte noch, daß das Fahren auf dem Gehweg verboten sei. Was hat der ein Glück, daß ich in Eile war.

Letztens, so vor ein paar tagen – da ist irgendwie alles außer Kontrolle geraten. Ich ging so morgens die Treppe runter. Ja, ich gehe die Treppe wie ein Mann runter. Man hört mich. Man soll mich hören, denn ich bin der, der gehört werden will. Der Hausmeister hatte mich scheinbar auch gehört. Er kam seiner Pflicht vor dem Haus nach. Er fegt so Laub da weg. Ich habe zuvor was gegessen, scheinbar hat es sich ein Leinsamenkorn in meiner Zahnlücke bequem gemacht. Den ganzen Weg nach unten versuchte ich das Ding loszuwerden. Mein Glück erfolgte aber erst am Hauseingang. Ich spuckte den Leinsamenkorn achtlos auf den Gehweg, der Hausmeister schnellte vor der Hecke hervor, bohrte seinen Besen in meinen Schritt und meinte, Spucken sei verboten hier. An diesem Morgen war ich nicht in Eile, das war sein Pech. Kontrolliert habe ich seinen Hals gepackt. Die Nieten meiner Handschuhe bohrten sich in seinen faltigen Hals. Er atmete schwer, als ich ihn hauchend fragte ob er ein Problem mit Rockern hat. Ich frage mich heute noch, ob das Schwere Atmen durch meine Handschuhe oder durch meinen Atem verursacht wurde. Egal, gewirkt hat es allemal. Ich drückte den Hals samt Körper an die Hauswand, hob den schlaffen sack langsam nach oben, während sich mir mit der linken lässig eine Kippe anzündete. Ich ließ ihn da hängen. Wie lange weiß ich nicht mehr. Ich meinte dann nur noch, daß demnächst noch mehr von meiner Sorte hier wohnen werden und er sich an gewisse Zustände gewöhnen müsse.

Frau faselte was von Anzeigen bei der Polizei. Ich und Polizei, ha. Der Wiederspruch schlechthin. Ich meinte, ich sei die Polizei. Man, was war ich sauer.

Und weil ich so sauer war und immer noch bin, werde ich Euch nächstes mal über meinen Besuch in einer Kleingartenkolonie berichten.