Gemeinde tut nix gegen Gefahrenstellen?
Hallo zusammen,
die Frage mag ungewöhnlich klingen, wo wir doch in Deutschland gerne alles überreglementieren. 😉 Und ich selbst bin auch gerne mit dem Auto, Fahrrad oder zu Fuß viel und zügig unterwegs. Dennoch: meine Gemeinde (die ich besser erst mal nicht nenne) stellt mich vor Rätsel. Daher würde ich gerne zur Diskussion stellen, was man in so einem Fall sinnvollerweise macht...
Ich wohne beruflich bedingt seit einigen Jahren in einer bayerischen Kleinstadtgemeinde, die ihre Infrastruktur in den letzten Jahrzehnten anscheinend recht autofreundlich gestalten wollte. Dagegen ist erst mal nichts einzuwenden, wenn darunter nicht andere Verkehrsteilnehmer und am Ende die Sicherheit leiden würden. Einige Beispiele:
- Tempo 30 im Wohngebiet ist selten, rund um die Grundschule, vor Spielplätzen und Kindergärten besteht Tempo 50
- auffällig breite Straßen stehen teils fehlenden Gehwegen gegenüber, Fahrradinfrastruktur existiert nahezu nicht. Im Wohngebiet wurde ein 40 Meter großer Kreisverkehr gebaut, dafür mussten dann die umgebenden Gehwege auf 1 Meter Breite verengt werden.
- aber auch die großzügige Straßeninfrastruktur wird schlecht gepflegt. Straßen sind in schlechtem Zustand, Fahrbahnmarkierungen eher optional und teils falsch (Farbreste zeigen Überwege an, wo schon lange keine mehr sind), ein Schaden in der Asphaltdecke in einer engen Kurve wurde mit einem Flicken Katzenkopfpflaster ausgebessert. Da freut sich der Mopedfahrer. 😰
- Sichtdreiecke wurden im gesamten Siedlungsgebiet so gut wie nicht berücksichtigt. Bewuchs aus Privatgärten ragt auf Fahrbahnen und Gehsteige. Manchmal wachsen Hecken über den Gehsteig bis auf die Fahrbahn (ich übertreibe nicht!). Es gibt Kreuzungen, die sind für Fußgänger wie Autofahrer praktisch überhaupt nicht einsehbar, wie eine Ausfahrt mit Sichtschutzwänden links und rechts.
Natürlich habe ich konstruktiv Verbesserungen bei der Gemeinde angeregt, ein Eimer Farbe oder ein 30er-Schild kostet nicht viel Geld, manchmal müsste auch nur mal ein Grundstücksbesitzer seine Hecke stutzen. Antwort: wir sehen da kein Problem, Freiheit ist ein hohes Gut.
Ich habe bei der Verkehrspolizei des Landkreises angefragt, ob die dazu eine Meinung hat. "Wir melden uns" - das war vor einem Jahr.
Es mutet skurril an, dass morgens um halb 8 die Grundschüler hier in Warnweste und mit Blinkelichtern zur Schule tingeln und sich vorsichtig über die schlecht einsehbaren Einmündungen tasten, während der Pkw-Verkehr mit 70 vorbeirauscht (die eh schon laschen Tempolimits werden natürlich nie kontrolliert). Selbst ich als Erwachsener fühle mich auf dem Bike hier unwohl.
Was würdet Ihr tun? Und nein, wegziehen ist keine Option...
55 Antworten
Zitat:
@windelexpress schrieb am 15. September 2023 um 13:02:29 Uhr:
Die Gemeindevertretersitzung ist öffentlich, da Dein Anliegen vorbringen, kann schon mal Sinn machen. Wenn Du nicht der einzige Anwohnern bist,der den Zustand so einschätzt, wird sich die Gemeindeverwaltung damit beschäftigen müssen.
Das ist eine gute Idee! Mir scheint, dass es hier zwei Fraktionen gibt - die jüngeren, Familien, die aufgeschlossen sind und die ältere, politisch stärker repräsentierte "haben wir schon immer so gemacht" Fraktion.
Zitat:
@windelexpress schrieb am 15. September 2023 um 13:02:29 Uhr:
Hier scheitern solche Sachen meistens an nicht vorhandenen Haushaltsmitteln.
Das dürfte in Bayern eher nicht der Fall sein.
Das war auch der Grund, warum ich Bayern genannt habe. 😉 Anders als in Brandenburg fehlt es hier üblicherweise nicht an den Mitteln, obwohl die meisten vorstellbaren Maßnahmen praktisch nichts kosten (vielleicht ein paar Verkehrsschilder).
Zitat:
@Astradruide schrieb am 15. September 2023 um 13:14:12 Uhr:
P.S. und da ja alle Autolenker sehr vernünftige Menschen sind gehe ich davon aus das ihr, wenn die kleinen Leuchtwestenmännchen zur Schule gehen, doch eigenständig und deutlich das Tempo zurücknehmt und auf ausreichend Sicherheitsabstand achtet.
Ich hatte bisher Wohnorte unterschiedlicher Siedlungsdichte und habe gelernt, dass es dabei auch innerhalb Deutschlands jeweils unterschiedliche Befindlichkeiten im Straßenverkehr gibt, die gar nicht mal mit der Siedlungsgröße/Dichte zu tun haben, sondern mit einer irgendwie gewachsenen Mentalität. Hier scheint sich eine ausgesprochene Vorliebe für Speed entwickelt zu haben. 😉 Rücksicht gibts trotzdem, nur andersherum - ich habe schon mehrfach Radfahrer erlebt, die freiwillig auf den Gehsteig ausgewichen sind, um mich im Pkw einfacher vorbeizulassen. Fand ich nett, aber gleichzeitig auch nicht richtig.
Ein paar Kommunalpolitiker, die ein gallisches Dorf gegen die grassierende Dämonisierung und Verdrängung des Autoverkehrs etablieren wollen?
Klingt erstmal wohltuend positiv, scheint aber übertrieben zu werden.
Andererseits passt nicht ins Bild, dass vorhandene Straßen nicht in Schuss gehalten werden.
Zitat:
@zm01 schrieb am 15. September 2023 um 19:52:40 Uhr:
Anders als in Brandenburg
Geraten?
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Zitat:
@windelexpress schrieb am 15. September 2023 um 20:37:37 Uhr:
Zitat:
@zm01 schrieb am 15. September 2023 um 19:52:40 Uhr:
Anders als in BrandenburgGeraten?
Geraten, ok anscheinend ist die Lage in Brandenburg besser als im Saarland. Sollte nicht pauschalisieren, sorry.
Zitat:
@Stadtstreicher1 schrieb am 15. September 2023 um 20:12:45 Uhr:
Ein paar Kommunalpolitiker, die ein gallisches Dorf gegen die grassierende Dämonisierung und Verdrängung des Autoverkehrs etablieren wollen?
Ich denke eher, dass Verkehrssicherheit als neumodischer Unsinn angesehen wird. Das ist für mich auch keine Frage wie entweder Autoverkehr oder Radverkehr (beispielhaft), das Miteinander muss funktionieren. Mit fehlenden Sichtdreiecken ist ja auch dem Pkw-Verkehr nicht geholfen, es sei denn man möchte höheres Gewerbesteueraufkommen von Unfallinstandsetzern.
Im Bild das Beispiel Grundschule. Gebäude rechts, das daneben ist der Eingang, davor die Bushaltestelle. Schüler überqueren hier auch die Straße. Hier besteht Tempo 50. Versteh ich nicht...
In 95% der deutschen Kommunen wäre da sicherlich Tempo 30. Fände ich auch OK, allerdings würde ich anhand des Fotos vermuten, dass da auch so eher nicht gerast wird (Straße wirkt recht schmal , parkende Autos ...
Die (Anlieger-)Straße hat über Zeichen 301 an allen Einmündungen Vorfahrt. Grundsätzlich sind viele Verkehrsteilnehmer umsichtig und fahren mit angepasster Geschwindigkeit - gefährlich ist halt der andere Teil, der immer die erlaubte Geschwindigkeit +10% fährt. Das geht hier auch, wenn man rücksichtslos genug ist.
Zitat:
@zm01 schrieb am 15. September 2023 um 22:04:48 Uhr:
Die (Anlieger-)Straße hat über Zeichen 301 an allen Einmündungen Vorfahrt. Grundsätzlich sind viele Verkehrsteilnehmer umsichtig und fahren mit angepasster Geschwindigkeit - gefährlich ist halt der andere Teil, der immer die erlaubte Geschwindigkeit +10% fährt. Das geht hier auch, wenn man rücksichtslos genug ist.
Klar. Aber die würden auch bei TL 30 so fahren.
Dann wären es wenigstens nur 35 und nicht 55...
Auch eine "witzige" Ecke auf diesem Bild. Der einseitige Gehsteig endet hier, die Hecke führt den Radius fort und ragt noch in die Fahrbahn rein. Aus dieser Straße kommen aber auch Fahrzeuge, die meist zügig (sie haben ja Vorfahrt) rechts abbiegen. Wie soll man diese Kreuzung als Fußgänger - im Extremfall Schulkind - sicher überqueren?
Gemeinde: kann man nix machen, ist Privatgrund.
Du müsstest eben die jeweiligen Grundeigentümer überreden, der Gemeinde eine kostenfreie Dienstbarkeit gegen Übernahme der Verkehrssicherungspflichten eintragen zu lassen. Was nichts kostet wird seltener abgelehnt.
Meines Erachtens müsste die Gemeinde lediglich Art. 29 Abs. 2 des bayerischen Straßen- und Wegegesetzes durchsetzen. Tut sie halt nicht.
Weil sie nicht entschädigungspflichtig agieren will und diee Eigentümer nach Vorliegen der eigenen Baugenehmigung etwas spröde werden. Da hast du dir eine generationenüberdauernde Aufgabe aufgehalst.
Sicherlich, man hätte schon beim Grundstückserwerb die Sichtdreiecke vorhalten können. Das dürfte geschätzt 70 Jahre her sein, wenn man früher dusselig war muss man irgendwann in den sauren Apfel beißen. Abgesehen davon, dass diese Hecke inzwischen fast 3 Meter hoch geworden ist und von der Grundstücksgrenze gut einen halben Meter auf Gehweg und Straße ragt - da wäre ohnehin Handlungsbedarf.
Ganz ehrlich? Da muss man dann die Kinder auf das Vorhandensein einer Gefahrenstelle sensibilisieren.
Solche Planungsfehler wie auf dem Bild sind kaum mehr auszumerzen, es sei denn, die Straßen im Gebiet werden insgesamt "revidiert" oder das ganze wird ein Sanierungsgebiet. Aber so alt ist die Bebauung ja noch nicht.
Man muss damit leben lernen, dass nicht alles maximal sicher ist, ja: Dass es geradezu dumm-gefährliche Stellen gibt. Überall.
Ist mit Radwegen ganz ähnlich, die, aus der Idylle kommend, unvermittelt in einem spitzen Winkel in einer Hauptverkehrsstraße enden.