"Formen ohne Sinn"
Schön, dass es auch mal einer in der Zeitung sagt, und nicht immer nur wir.
Formen ohne Sinn
Neulich stand an der Ampel ein Panzerwagen neben mir, schwarzglänzend, ziemlich neu, würde ich sagen. Als er davonfuhr, stand Lancia drauf. Die haben einmal sehr elegante Autos gebaut, in denen elegante Damen elegante Mode trugen. Das ist lange her.
Im letzten Herbst hat mein Nachbar ein neues Auto gekauft, groß und braun lackiert, mit vielen Kanten und Kurven im Blech und mit schrägen Scheinwerferaugen, die dreinschauen wie ein müder Mandarin. 'Die neue E-Klasse', sagte er stolz. Dass es ein Mercedes war, sah man am Stern. Die haben mal Autos gebaut, so klar und selbstgewiss, wie 'der Daimler' eine solide Säule alles Deutschen war. Auch das ist lange her.
Zwei Beispiele von vielen. 'Heute', sagt ein Automobildesigner, 'müssen Autos jugendlich aussehen. Und sportlich.' Was dazu führt, dass immer mehr Autos aussehen wie aus dem Nirwana der Flucht vor dem Ist - wie künstliche Brüste und aufgespritzte Lippen, nur dass es hier um Grills geht so riesig wie Haifischrachen und um Scheinwerfer von der Größe eines Möbelstücks, auch um allerlei Blechfalze, mal aufsteigend, mal abfallend, mal bloß in wilder Kurverei. Darüber erheben sich Aufbauten mit Fensterluken, die so schmal sind, dass es nur eine Frage der Zeit sein kann, bis das erste Auto ganz ohne Scheiben auf den Markt kommt. Das wird dann viele Kameras haben und allerlei Assistenten, wie es heute heißt. Die werden für Durchblick sorgen - gegen Aufpreis.
Bevor wir nun wieder den armen Designern Unrecht tun, muss man sich natürlich fragen, warum Menschen (teure!) Autos kaufen, mit denen sie sich blind wie Maulwürfe in die immer engeren Parklücken tasten oder in denen sie tagelang verzweifelt versuchen, auch im Dunkeln die richtigen Knöpfe zu finden. Oder mit immer mehr PS, die dann von der schieren Masse wieder geschluckt werden. Der ganze Blödsinn nur, um ein bisschen jugendlich zu wirken?
In der Frühzeit des modernen Autodesigns, anfangs der fünfziger Jahre, war alles Dekorative verpönt, kaum Chrom, kein Firlefanz. Und in meiner Garage steht ein Wagen aus den Siebzigern. Er hat große Scheiben und eine schmale Taille. Er ist schön, sagen alle, die ihm begegnen. Und dabei so einfach.
Jörg Reichle
http://www.sueddeutsche.de/.../UnterwegsFormen-ohne-Sinn.html
Beste Antwort im Thema
Schön, dass es auch mal einer in der Zeitung sagt, und nicht immer nur wir.
Formen ohne Sinn
Neulich stand an der Ampel ein Panzerwagen neben mir, schwarzglänzend, ziemlich neu, würde ich sagen. Als er davonfuhr, stand Lancia drauf. Die haben einmal sehr elegante Autos gebaut, in denen elegante Damen elegante Mode trugen. Das ist lange her.
Im letzten Herbst hat mein Nachbar ein neues Auto gekauft, groß und braun lackiert, mit vielen Kanten und Kurven im Blech und mit schrägen Scheinwerferaugen, die dreinschauen wie ein müder Mandarin. 'Die neue E-Klasse', sagte er stolz. Dass es ein Mercedes war, sah man am Stern. Die haben mal Autos gebaut, so klar und selbstgewiss, wie 'der Daimler' eine solide Säule alles Deutschen war. Auch das ist lange her.
Zwei Beispiele von vielen. 'Heute', sagt ein Automobildesigner, 'müssen Autos jugendlich aussehen. Und sportlich.' Was dazu führt, dass immer mehr Autos aussehen wie aus dem Nirwana der Flucht vor dem Ist - wie künstliche Brüste und aufgespritzte Lippen, nur dass es hier um Grills geht so riesig wie Haifischrachen und um Scheinwerfer von der Größe eines Möbelstücks, auch um allerlei Blechfalze, mal aufsteigend, mal abfallend, mal bloß in wilder Kurverei. Darüber erheben sich Aufbauten mit Fensterluken, die so schmal sind, dass es nur eine Frage der Zeit sein kann, bis das erste Auto ganz ohne Scheiben auf den Markt kommt. Das wird dann viele Kameras haben und allerlei Assistenten, wie es heute heißt. Die werden für Durchblick sorgen - gegen Aufpreis.
Bevor wir nun wieder den armen Designern Unrecht tun, muss man sich natürlich fragen, warum Menschen (teure!) Autos kaufen, mit denen sie sich blind wie Maulwürfe in die immer engeren Parklücken tasten oder in denen sie tagelang verzweifelt versuchen, auch im Dunkeln die richtigen Knöpfe zu finden. Oder mit immer mehr PS, die dann von der schieren Masse wieder geschluckt werden. Der ganze Blödsinn nur, um ein bisschen jugendlich zu wirken?
In der Frühzeit des modernen Autodesigns, anfangs der fünfziger Jahre, war alles Dekorative verpönt, kaum Chrom, kein Firlefanz. Und in meiner Garage steht ein Wagen aus den Siebzigern. Er hat große Scheiben und eine schmale Taille. Er ist schön, sagen alle, die ihm begegnen. Und dabei so einfach.
Jörg Reichle
http://www.sueddeutsche.de/.../UnterwegsFormen-ohne-Sinn.html
26 Antworten
Zitat:
Federkernsessel
Bist Du schon mal in einem älteren Mercedes mit durchgesessenen Federkernsitzen gefahren? Das ist viel schlimmer als mit 'normalen' durchgesessenen Sitzen.
Stimmt sofinski, wie zu Hause das Sofa oder die Matratzen!
Btw, vielen Dank.
LG
Udo
Zitat:
Original geschrieben von Phaetosoph
Jetzt bleibt nur noch die Frage, wer amidufous einfühlsame Betrachtungen des S-Klasse-Designs im S-Klasse-Forum postet – als Sahnehäubchen obendrauf noch garniert mit den aktuellen Meldungen von DEKRA und TÜV ...
Das Design wird dort ähnlich kritisch gesehen wie hier.
[Böse ON]
Naja, bei den Mängeln kann sich eine S-Klasse im Zweifel mehr leisten, weil es zahlreiche Händler gibt, die sie wieder beseitigen können - beim Phaeton kann schon ein einziger Mangel zur desaströsen Endlos-Odyssee werden.
[Böse OFF]
MfG
Zitat:
Original geschrieben von sofinski
Bist Du schon mal in einem älteren Mercedes mit durchgesessenen Federkernsitzen gefahren? Das ist viel schlimmer als mit 'normalen' durchgesessenen Sitzen.Zitat:
Federkernsessel
1. Wenn Zitieren, dann bitte mit Quelle! 😉
2. Ausgelutschte Sessel(insbesondere Federkern) sind allgemein besser als neue, da sie sich meiner Meinung nach besser an den Körper anpassen, man versinkt förmlich, und das mag ich als Komfortabler Mensch. So grauenvoll auch durchgesessene Autositze aussehen, umso bequemer sind sie. Alte Mercedes dürfen das! Die haben ihre normale Lebenszeit dann erreicht und mutieren zu Young oder Oldtimern. Das ist auch das einzigste Auto, dem ein Wackeldackel und eine Toilettenpapierrolle auf der Hutablage steht! Ein neuer Phaeton mit ausgesessen Sitzen darf das nicht! Das ist grauenvoll, wenn das Leder anfängt zu glänzen und so fettig wird. Dann fühlt es sich nicht mehr so gut an.
Grüße an die Citroen-Abteilung! P.S. Der C6 gefällt mir auch, nur die Federung soll anfällig sein hörte ich.
Christoph
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Über Design lässt sich natürlich trefflich streiten. Unabhängig davon, dass für mich als Phaetonfahrer durchaus auch eine S-Klasse, ein A8 oder ein 7er in Frage gekommen wäre, finde ich es unangemessen, Spott und Häme über die Fahrer der Konkurrenzprodukte auszuschütten. Dafür gibt es keinen Anlass, ich finde es sogar peinlich. Ich kenne tatsächlich einige Vertreter der Generation Silberlocke nebst facegelifteter Barbarellas, die einen Phaeton bewegen...dies nur am Rande.
@sepp.leipzig,
da ich nur einmal den DANKE Button drücken darf, hier nochmals ein DANKE von mir hinterher!
Noch vor wenigen Jahren wären Zeilen; wie die Deinigen; in diesem Forum nicht notwendig gewesen. Mittlerweile scheint sich das Proletariat auf den Phaeton als günstige Oberklasselimousine verständigt zu haben. Sehr bedauerlich.
Gruß, Filou
Die genannten Occasionskäufer (von denen sich wieder andere durch eine wenig originelle Pose von political correctness abgrenzen wollen) greifen lieber bei den auch im Hartgeldludenmilieu arrivierten "alten" Premiummarken aus S und M als beim Phaeton zu, was nicht zuletzt auch vom Hartgeld-Standpunkt aus berechtigt ist, da der Wertverlust da ja noch beträchtlicher ist als bei "unserem" Modell.
Ich möchte gern den aus meiner Sicht bestehenden Design-Schwachsinn karikieren, den vorgeblich visionäre Leute uns voräffen, die bei genauer Betrachtung etwa soviel auf dem Kasten haben wie der berühmte Hofschneider aus dem Märchen "Des Kaisers neue Kleider".
War neulich mit Sielaff und Schreyer zusammen; die sehen es natürlich auch so, daß Autodesign den Zeitgeist widerspiegelt und verweisen auf die Zwänge, denen sie unterworfen sind. Was ich mich dabei frage: wer setzt hier eigentlich die Direktiven?
Es geht mir darum, zu sagen, was ich finde. Ich bin dabei gern drastisch.
Und ich finde "Auto-Soziologie" sehr spannend. Dieses Forum lebt davon.
Für den einen oder anderen Hartgeldluden mag dies zutreffen. Nicht indes für die überwiegende Mehrheit der Fahrer eines 7er oder einer S-Klasse. Insofern mag man sich über das Design (welches ich beim aktuellen 7er gerade im Innenraum als durchaus gelungen empfinde) ereifern, jedoch von allgemeinen Unterstellungen hinsichtlich der Fahrer absehen. Wenn dies der Versuch einer Karikatur sein sollte, war er schlecht. Dies, da nur ein geringer Prozentsatz der jeweiligen Fahrer zum Maßstab einer ganzen Gruppe erkoren wurde. Enge Freunde von mir fahren die benannten Oberklassemodelle und haben mit dem aufgeworfenen Milieu natürlich nichts zu tun. Gleichwohl sind mir örtliche Hartgeldluden bekannt, die Phaeton fahren oder fuhren. Nicht selten angelockt von den Leasingraten eines Mittelklassewagens.
Stimmt, im Inneren ist der 7er m.E. gelungen und vor allem ist er weniger schlimm als sein Vorgänger und dessen Zeitgenossen wie 1er, 5er, der erste x3, der erste x4 und der 5er GT. Vielleicht steckt halt noch ein Quäntchen Bangle in ihm , hoffentlich bekommt er beim facelift ein eleganteres Näschen.
Worüber wir hier auch noch nicht diskutiert haben, ist, warum die Kühlergrill-Monumente alle so prominent sein müssen.
Wer weiß Bescheid, ob hier nicht auch die EU-Fußgängerschutz- Richtlinien mitspielen?
Andererseits ist aus dem 991er erfreulicherweise auch kein Grindwal geworden.
Da hast du recht. Der E65 war innen wirklich übel, nur mit bestimmten Holz/Lederkombinationen hinnehmbar - aber nie wirklich wertig. Da hat BMW ordentlich auf- und einige auch überholt.
Derzeit schiebt- aller Unkenrufe zum Trotze, nach meinem Dafürhalten BMW in Designfragen die Nase wieder nach vorn, wenngleich die Sünden der jüngeren Vergangenheit noch nicht ausgemerzt sind. Hier erachte ich den neuen 5er sowie den X3 der zweiten Generation als sehr gelungen. Den 7er mit Abstrichen. Phaeton mit Passatgesicht...nach wie vor ein guter Wagen, aber nicht schön. Optisch hat er m.E. erheblich verloren. Mercedes ist noch nicht recht greifbar. Die neue E-Klasse bricht optisch mit dem Aufgriff der Ponton-Form im Bereich der hinteren Seitenwand, das passt einfach nicht. Die C-Klasse hat mit dem Facelift gewonnen. Die neue R-Klasse und der aktuelle CLS vermögen zu gefallen.
Für mich der absolute Verlierer ist Audi. War Audi bis vor kurzer Zeit für mich in Form des A8 3D/4E ein Maßstab sowohl im Außen-, als auch im Innendesign, so hat sich dies mit dem Nachfolgemodell erledigt. Auch die restliche Modellpalette verliert mit jeder Neuerung - die offensichtlich zwangsläufig zum Verbau eines Kühlergrills im Hoftorformat führt. Ich liebäugle zwar mit einem A3 für meine Freundin, dies gründet jedoch maßgeblich auf ihren Geschmack und fehlende Alternativen.
Zitat:
Original geschrieben von VW Phaeton freak
Ausgelutschte Sessel(insbesondere Federkern) sind allgemein besser als neue, da sie sich meiner Meinung nach besser an den Körper anpassen, man versinkt förmlich, und das mag ich als Komfortabler Mensch. So grauenvoll auch durchgesessene Autositze aussehen, umso bequemer sind sie. Alte Mercedes dürfen das!
Ich bin zweimal in einem Mercedes mit ausgesessenen Federkernsitzen gefahren, einmal vorn auf dem Beifahrerseitz, einmal auf der Rücksitzbank. Ich fand die Art und Weise, wie ich da auf- und abgeschaukelt wurde, in keiner Weise bequem, sondern nur höchst unangenehm.
Das kann ich nachvollziehen...was daran komfortabel sein soll erschließt sich mir nicht. Wippen und schwingen ist nicht gleichbedeutend mit Komfort.
@sofinski - deine Hausmarke gehört für mich übrigens auch zu den akutellen Designgewinnern. C5 und C6 sind großes Tennis. Habe schon oftmals mit dem C6 geliebäugelt...Schön, dass Citröen nach Jahren der Einfallslosigkeit das Desing für sich wiederentdeckt hat. Ich mag die Marke, hat Charme.