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Motorprosa • Geschichten aus der Kurve

Geschichten, Gedanken, Erlebnisse und Erinnerungen, vor allem zum Thema Motorrad.

Mon Apr 06 14:58:41 CEST 2020    |    JvS    |    Kommentare (2)

Motorprosa - Das BuchMotorprosa - Das Buch

Nach vielen Monaten der nächtlichen Beschäftigung ist es nun endlich soweit – “Motorprosa • Das Buch”, MEIN Buch, ist auf dem Markt. Ein Grund zur Freude!

 

 

Schon immer tippte ich meine Motorrad-Erinnerungen form- und zusammenhangslos in eine Text-Datei – als Ideen-Pool für neue Beiträge auf meiner Webseite, in Blogs, oder einfach so. Beim Überschreiten der 150 Seiten-Marke begannen meine Gedanken allerdings um einen sehr lange gehüteten Traum zu kreisen:

 

Ob ich ein Buch daraus mache?

 

Und genau DAS hab' ich dann gemacht - seit Ende März 2020 ist mein erstes eigenes Buch verfügbar. Sein Titel lautet - klar:

 

Motorprosa - Geschichten aus der Kurve

 

 

Auf ca. 130 zum Teil bebilderten Seiten habe ich meine Erlebnisse, Gedanken und Anekdoten aus über 25 Jahren Motorradfahren zusammengetragen. Ich beschreibe meinen "Motorrad-Weg" von den Anfängen mit dem klapprigen "Ciao" bis hin zum aktuellen Hypermotorrad mit über 170 PS. Viel Motorprosa spielt sich auf den Straßen des Vinschgaus und in den magischen Kehren des Stilfser Jochs statt – kleinere und größere Katastrophen bleiben natürlich nicht aus.

 

Das Ding kann mit der ISBN-Nummer 9783 7504 7025 5 in jeder beliebigen Buchhandlung bestellt werden, ein eBook mit den "Erinnerungen an 25 schräge Jahre auf dem Motorrad" folgt in den nächsten Tagen, und kann vielleicht die Corona-Langeweile ein bisschen ausfüllen.

 

Leseprobe

 

Bin doch glatt ein bisschen stolz!

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Thu May 16 10:06:11 CEST 2019    |    JvS    |    Kommentare (1)

Spielen mit der HarleySpielen mit der HarleyMein liebstes Gesellschaftsspiel: Motorradfahren

 

Ein über 100 Jahre altes und mal mehr, bisweilen weniger beliebtes Gesellschaftsspiel. Wollen wir uns ganz kurz die Spielregeln von „Motorradfahren“ ansehen?

 

 

„Motorradfahren“ vereint einige bekannte Gesellschaftsspiele in sich. So finden sich u.a. Grundzüge von „Monopoly“ im Spiel, z.B. das Sich-im-Kreis-Bewegen und die Geschichte mit den hohen Kosten oder dem Gefängnis.

Und doch unterscheidet sich mein Lieblingsspiel von den anderen – angefangen schon bei der Anzahl der Mitspieler an, die beliebig sein kann. Bekannte Brettspiele enden, allein gespielt, meist frustrierend – weil in einem Spiel mindestens dreimal verloren wird. „Motorradfahren“ kann hingegen auch alleine gespielt sehr viel Freude machen, und der Spieler gewinnt immer.

 

 

Voraussetzungen für „Motorradfahren“

 

Die Teilnahme am Spiel ist an Zugangsvoraussetzungen gebunden. Unter 14 Jahren läuft nichts, es sei denn, „Motorradfahren“ wird nicht öffentlich betrieben. Außerdem sollte jeder Mitspieler einen Befähigungs-Nachweis besitzen, der es ihm auch erlaubt, mit seiner Spielfigur teilzunehmen. Dieser Nachweis kann – bestenfalls schon vor dem ersten Spiel – in einer sogenannten „Fahrschule“ erworben werden. Das ist nicht kostenfrei, aber manchmal unterstützen elterliche und ältere Spieler gerne dabei.

 

Im Gegensatz zum bekannten „Mensch ärgere Dich nicht“, das mit einfachsten Figuren, die nur einigermaßen die gleiche Farbe haben sollten, gespielt werden kann, verlangt „Motorradfahren“ nach einem technisch hochkomplexen Apparat. Dessen Farbe ist zweitrangig – nicht so hingegen der technische Zustand, denn der beeinflußt den Spiel-Spaß wesentlich.

 

Die Spielfigur – und das ist leider das größte Manko von „Motorradfahren“ – liegt der Packung allerdings nicht bei.

 

Eine ganz besondere italienische SpielfigurEine ganz besondere italienische Spielfigur

 

 

Spielfiguren können deswegen von einem bereits aktiven Spieler übernommen oder bei einem sogenannten „Motorradhändler“ neu erworben werden. Die Spielregeln verbieten eine kostenfreie Übernahme der Spielfigur zwar nicht, dennoch kommt dieser Fall eher selten, und dann meist unfreiwillig, vor.

 

Wie erwähnt, ist für das unterhaltsame „Motorradfahren“ ein technisch einwandfreier Zustand der Spielfigur notwendig. Für die Sicherstellung dieses Zustands betätigen sich einige, meist erfahrene, Spieler als „Motorradmechaniker“ in „Motorradwerkstätten“, in denen die Spielfigur – allerdings wieder nicht kostenfrei – kurzfristig für eine Durchsicht und gegebenenfalls Reparatur abgegeben werden kann.

 

Gewisse finanzielle Möglichkeiten gelten also als wichtigste Voraussetzung für das Spielen von „Motorradfahren“.

 

 

Beginn des Spiels

 

„Motorradfahren“ beginnt meist mit dem Gang in die heimische Garage. Doch das ist keine Voraussetzung für ein erfolgreiches Spiel – die Spielfigur kann auch im Freien oder im Wohnzimmer untergebracht werden. Man hat schon von Scheunen gehört, in denen uralte Spielfiguren jahrzehntelang im Dunkel, unter einer dicken Staubschicht, auf Gebrauch gewartet haben – und nun, ungespielt, in „Motorradmuseen“ stehen. Schade ..

 

„Motorradfahren“ ist ein Spiel, das zum größten Teil im Freien stattfindet – denn selbst die kleinsten Spielfiguren benötigen Raum und Weite. Am eindrücklichsten wird das Spiel auf kurvigen, gut asphaltierten Wegen – was nicht heißen soll, dass es nicht auch im Gelände, auf Sand und Schotter sehr unterhaltsam sein könnte. Es ist – egal wo – immer ein Spiel voller Dynamik, Klänge, Gerüche und Eindrücke, und es steht selten still.

 

„Motorradfahren“ ist dabei an keine zeitlichen Vorgaben gebunden – jeder Spieler kann anfangen, wann immer ihm danach ist. Sollten sich aber die Teilnehmer über Spielbeginn und -Ort absprechen, vereinfacht dies den weiteren Verlauf und intensiviert das Erlebnis.

 

 

Zweck des Spiels

 

Zweck des Spiels ist es nicht, die eigene Spielfigur am schnellsten in’s Ziel zu bringen. Die Spielanleitung, erhältlich in jeder Fahrschule, empfiehlt dies auch ausdrücklich nicht. Es gilt jedoch als gesichert, dass bereits von 100 Jahren die ersten beiden „Motorradfahrer“ den Zweck des Spiels dahingehend interpretierten. Natürlich gibt es auch Profi-Spieler, die alles daran setzen, die Zeit des Spiels zu verkürzen und dabei regelmäßig an die Grenzen der Spielfigur, der Physik und die eigenen gehen. Im Gegensatz zu „Mensch ärgere Dich nicht“ ist es allerdings verboten, langsamere Spieler auf dem Spielfeld aus dem Weg zu räumen.

 

Platz da, Mazda!Platz da, Mazda!

 

 

„Motorradfahrer“ setzen sich auf ihre eigene Spielfigur und bringen diese mit einer komplizierten Abhandlung von Hand- und Fußaktivitäten in Bewegung. Für Spiel-Anfänger ist die korrekte und gleichmäßige Ausübung dieser Aktivitäten herausfordernd – auch weil eine normale Spielfigur nicht in der Lage ist, ohne Spieler aufrecht auf dem Spielfeld zu bleiben. Ausdauerndes und eifriges Training wird ausdrücklich empfohlen.

 

Eine Spielfigur kann von zwei Spielern gleichzeitig bespielt werden, was die Spielzüge theoretisch behäbiger werden lässt – erfahrene Spieler können dies aber ausgleichen und das Vergnügen „Motorradfahren“ mit Freunden teilen, denen eine eigene Spielfigur fehlt.

 

 

Spielzüge beim Motorradfahren

 

Hier hält sich die Spielanleitung mit Ausführlichkeit zurück und erlaubt große Vielfalt. Je nach gewählter Spielfigur wird nach vorne gebückt, aufrecht sitzend oder nach hinten gelehnt gespielt. Spezialisten betreiben das Spiel auch stehend, einige stützen sich bei der lustigen Fahrt durch die Spielfeld-Kurven auf den Knien ab. Auch ist die Geschwindigkeit der Spielzüge selten einheitlich – meist sind die kleinen und leichten Spielfiguren flinker unterwegs als die großen und schweren. Ausnahmen gibt es natürlich auch hier.

 

Auffällig ist jedoch, dass fast jeder Spieler nach einer gewissen Dauer „Motorradfahren“ meint, er spiele am besten und schnellsten, und dies gerne seinen Mitspielern mitteilt. Richtig gute Spieler wissen dies üblicherweise und ignorieren derartige Zwischenrufe.

 

Wichtig: die Wahl der Spielfigur beeinflusst die Möglichkeiten der Spielegestaltung stark: lange, tiefe und schwere Figuren, z.B. aus der Spielzeugfabrik in Milwaukee, taugen nicht für die schnellen Spielzüge im „Rennstrecken“-Level. Die dafür besser geeigneten leichten italienischen Hochleistungs-Spielfiguren aus z.B. Borgo Panigale mühen sich dafür beim Vorankommen im Spiele-Level „Hochalpine Pässe“. Figuren hingegen, die laut deutschem Hersteller in nahezu jedem Spiele-Level gute Resultate garantieren sollen, beleidigen meist das Auge der Mitspieler.

 

Die Spielanleitung verbietet den Wechsel der Figuren nicht – im besten Fall besitzt ein Spieler also die zum jeweiligen Level am besten passende Spielfigur.

 

 

 

Ende des Spiels

 

„Motorradfahren“ wird sehr gerne an einer günstig gelegenen Eisdiele oder Gaststätte begonnen und auch beendet. Das Spiel ist appetitanregend und durstigmachend, dies gilt umso mehr für Turniere, die mehrere Tage dauern. Solche Turniere finden häufig in den Urlaubszeiten statt und orientieren sich dann an deren Dauer. Die Flexibilität von „Motorradfahren“ erlaubt es allerdings fast immer, auch vor oder nach der Arbeitszeit eine Runde zu spielen – somit ist es schwierig, von einem Ende des Spiels zu sprechen.

 

Viele verfallen in eine Art Sucht und beenden das Spiel ein Leben lang nicht mehr. Kurzfristige Spiel-Pausen können sich während ungünstiger Wetter-Ereignissen, längerfristige jahreszeitlich bedingt ereignen: die Spielfiguren vertragen sich nicht mit schneebedecktem Terrain und nehmen unter Umständen erheblichen finanziellen und funktionellen Schaden.

 

Es wird weiters von Fällen berichtet, in denen einst engagierte Spieler, oftmals aufgrund einer Vergrößerung ihres Clans, über Jahre hinweg nicht mehr „Motorradfahren“ spielen. Der hierfür verwendete Fachbegriff lautet „Baby-Pause“.

 

Immer wieder wird auch einzelnen Spielern der Befähigungs-Nachweis entzogen – meist nach eklatanter Missachtung der wenigen Vorgaben in der Spielanleitung. Seltener wird das Spiel nach der Wahl der falschen Spielfigur aufgegeben – meist findet sich bei einem Motorradhändler eine passendere Figur.

 

 

 

„Motorradfahren“ – Das Fazit

 

„Motorradfahren“ beglückt – gekonnt gespielt – mit sehr vielen und fast immer positiven Emotionen. Das schnelle Erreichen von unerhört hohen Geschwindigkeiten, das Kippen der Welt beim schwungvollem Durchfahren von Kurven, die Gerüche der vorbeifliegenden Umwelt, in der sich ungefiltert und unklimatisiert bewegt wird und das Gefühl von Freiheit, obwohl Sturzhelm und bestenfalls stabile Kleidung getragen werden muss, sind extrem reizvoll und glücklich machend.

 

Umso schöner wird „Motorradfahren“, wird es mit gleich Gesinnten und gleich Verrückten gespielt. Dabei entstehen spontan die besten Spiel-Variationen und -Züge, und freundschaftliche Bande werden geknüpft.

 

„Motorradfahren“ erlaubt unzählige Varianten und kann – sofern alle dafür notwendigen Voraussetzungen vorhanden sind – auch weltweit gespielt werden. Die Gemeinschaft der Spieler ist groß, und trotz allem Wettbewerb – je nach bespieltem Level – meist sehr kollegial. Dass sich die Spieler der diversen Spielfiguren nicht immer ohne Reibereien verstehen, kann vorkommen, trübt den Spaß aber nur in den seltensten Fällen.

 

Nur zu empfehlenNur zu empfehlen

 

Nach über 25 Jahren des engagierten Spielens kann ich „Motorradfahren“ also nur empfehlen. Risiken und Nebenwirkungen sind mir zwar bekannt, aber keinesfalls Gründe, um nach Alternativen zu suchen.

Diesen Artikel findet Ihr – bei Interesse – auch auf meinem kostenlosen und werbefreien Blog "Motorprosa • Geschichten aus der Kurve". Ich freue mich auf Eure Kommentare.

 

Beste Grüsse,

Jürgen

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Tue Apr 09 08:49:30 CEST 2019    |    JvS    |    Kommentare (7)    |   Stichworte: Erinnerungen, Erlebnisse, Geschichten, Literatur, Motorradfahren

Motorprosa und die Frage nach dem "Warum?"Motorprosa und die Frage nach dem "Warum?"

Motorradfahren und die Gründe dafür. Also – meine Gründe dafür.

Ein Rückblick auf 25 Jahre Zweirad-Erlebnisse.

 

 

6 Grad unter Null, Ende November 2000. Vereiste Straße. Die letzten Laubfetzen, gefangen in einer gefrorenen Hülle. Morgens um sieben dröhnt eine rote Triumph Daytona von Bozen in Richtung Schluderns. 80 km habe ich noch vor mir, um 08.30 Uhr werde ich im Büro erwartet. Der Kaffee, der mir gekocht wurde, rumort im Magen.. Im Bett war’s angenehm, warm, weich und „benutzerfreundlicher“. Die Triumph zieht eine mächtige Dampffahne hinter sich her, mit der Sonne im Rücken sehe ich meinen eigenen Schatten vor mir. Eingepackt wie ein Yeti schraube ich mich den Vinschgau hoch. Die Kälte frisst sich durch die Handschuhe, die Stiefel, in den Helm. Um 08.15 Uhr schäle ich mich aus dem steif-gefrorenen Leder.

 

 

Motorradfahren

in eisiger Kälte

 

12 Grad unter Null, Anfang Dezember 1993. Die Straße ist trocken, der Himmel stahlblau. Blau raucht es auch aus den beiden Auspuff-Rohren der Zweitakt-Suzuki RGV 250, während ich an der Carabinieri-Streife vorbeirolle. Ich bin auf der Fahrt nach Mals, in die Arbeit. 200 Meter nach der Streife läuft mir ein Schäferhund ins Motorrad. Ich klammere mich an den Bremshebel, die RGV überschlägt sich, landet auf meinem Knie, und ich rutsche quer über die Fahrbahn in die Leitplanken – 20 m hinter einem südwärts fahrenden LKW..

 

 

Motorradfahren

in arger Hitze

 

30 Grad im Schatten, aber es gibt keinen Schatten. Ich bin auf der Rückfahrt vom Lago di Caldonazzo. Unter mir die Triumph Daytona T595, über mir die Sonne, voll aufgedreht. Im schwarzen Leder bete ich Kühle herbei – der Schweiß rinnt die Arme entlang, wird vom Fahrtwind, der in die geöffneten Ärmel eintritt, getrocknet. Die Reißverschlüsse an den Beinen habe ich schon lange geöffnet, die Stiefel ebenfalls. Kurz vor dem Kollaps ein Aufschrei in den Helm: Gottverd… Sch… Mühle!! Die Triumph tut ihr Bestes, um Benzin in Hitze umzuwandeln. Mir ist speiübel, mein Unterleib schmerzt, ich will nicht mehr, aber ich bin noch mehr als Hundert Kilometer von zu Hause entfernt.

Die Daytona ist noch eine Woche bei mir, dann wird sie verkauft.

 

 

Hochsommer 1997. Ein schwarzes, dumpf grollendes Motorrad presst sich die steile Straße hoch. Kehre um Kehre, hartes Anbremsen, hartes Umlegen, hartes Beschleunigen. Die Yamaha TRX hat eine weitere Serpentine auf dem Weg zum Stilfser Joch bezwungen. Gas fährt in die Zylinder, die Kupplung winselt. Fazit nach ca. 20 Minuten: eine optimale Fahrt – auch wenn Buell-Kollege Johann schon länger auf der Passhöhe steht und bereits den Helm abgenommen hat. Meine Sturmhaube ist nass, meine Handgelenke schmerzen, mein Gesicht ist verspannt. Vom Grinsen.

 

 

Motorradfahren

im Regen

 

Herbst 2000. Auf der MeBo, der Schnellstraße zwischen Meran und Bozen. Es regnet in Strömen. Zehen, Finger, Schultern, alles durchgeweicht, schrumpelt zu komisch fahl-weißen Körperteilen. Kälte kriecht den Rücken hinunter, Regenwasser hinterher.. Mit 140 Sachen drücke ich die Ducati durch die Nässe, erstaunt, welch’ sicheres Gefühl mir die Maschine vermittelt. Die Kette rasselt, die Bremse verzögert nicht mehr, sondern verteilt nur noch das Wasser auf den Bremsscheiben. Beim Zwischenstop an der Tanke stinkt die Maschine brechreizend, die nassen Handschuhe lassen sich nicht mehr ausziehen, in den Stiefeln steht das Wasser.

 

 

Ostern 1995. Ich erreiche mit meiner Sozia und der gewaltigen Yamaha FZR 1000 den Gardasee. Mit Muskelkater in den Armen wegen des ungewohnt hohen Gewichts der Maschine ziehe ich mir in Peschiera den Helm vom Kopf. Die Brille fällt mir runter, ein Glas zerschellt. Ostern in Peschiera, und der einzige Optiker hat abends um acht noch geöffnet. Glück gehabt, ganz viel Glück gehabt..

 

Auf der Heimfahrt stirbt die Maschine. Irgendetwas hindert sie am Atmen, mehr als 6.000 U/min sind nicht mehr möglich, ein Ruckeln und Mahlen geht durch den Alurahmen. Der Grund: schlechtes oder verdrecktes Benzin. Nach 200 qualvollen Kilometern besinnt sich die Yamaha wieder auf ihre alte Tugenden und stiebt mit zornigem Fauchen durch den Vinschgau.

 

 

Motorradfahren

in der Fremde

 

September 2000. Spät abends auf der Autobahn zwischen Bamberg und München. Ich friere. Ich friere wie noch nie. Ich friere mir buchstäblich den Arsch ab.. Meine Zähne klappern, meine Arme zittern, ich kann nicht mehr geradeaus, fahre Schlangenlinien. Ich sehe Dinge, die nachts nicht auf die Autobahn gehören. An der erstbesten Tankstelle fahre ich raus, ziehe mir sämtliche möglichen und verfügbaren Klamotten an, wärme mich ein bisschen an den Auspuff-Rohren, träume von einem Kachelofen in einer holzgetäfelten Bauernstube. Die längste, kälteste Nacht meines Lebens – gegen 22.30 Uhr komme ich endlich in Bergen an und lerne eine Menge netter MOFler kennen. Es wird wieder wärmer..

 

 

Warum fahre ich eigentlich Motorrad?

Mein Vater tat es nicht, mein Großvater auch nicht. Meine Mutter schon gar nicht, meine Kindergarten-Tante erst recht nicht. Schuld war wohl einer aus dem Dorf, der seiner 650er Africa Twin 90 PS in die Zylinder dichtete – das wollte ich, das musste ich überprüfen: anhand meiner ersten gekauften Motorrad-Zeitschrift: “Motorrad, Reisen und Sport”. Die Initialzündung in fernen Jahren – seit damals lässt mich die Motorrad-Welt nicht mehr los.

 

Ich fahre nicht Motorrad, weil ich den Autoführerschein lange Zeit nicht gemacht habe, sondern viel eher deswegen:

 

  • Freiheit. Freiheit. Freiheit. Fahren, wohin ich will. Stehen bleiben, wo ich will. Weiterfahren, wann ich will. Umkehren, wann ich will.
  • Eindrücke sammeln, immer und jederzeit. Davon zehren, jahrelang, vielleicht ein Leben lang. Ein Leben leben, wie es viele Menschen nie tun werden.
  • Die Welt von oben sehen. Die Welt aus anderen Blickwinkeln sehen, manchmal um 40 Grad geneigt. Durch die Welt rasen, bei 200 km/h die Zähne zusammenbeißen, den Körper anspannen, sich gegen den Wind stemmen.
  • Die Welt markieren. Schwarze Striche malen, die lange mein Zeichen sind. In winterlichem Matsch und Schlamm Reifenprofil drücken. In der Garage Ölflecken hinterlassen. Schwarze Hände rumtragen, und stolz darauf sein. Mich beim Schrauben verletzen und noch mit blutigen Fingern am Motorrad werkeln. Nach Benzin riechen, Blessuren heilen sehen, Narben davontragen.
  • Spaß haben. Anrauchen. ..wohin heute? ..dahin heute!! Ein bisschen riskieren und alles gewinnen.
  • Eins werden mit sich, der Maschine, der Straße.
  • Die Welt aus den Fugen kippen sehen, wenn’s wahnwitzig um die Kurven geht.
  • Hitze, Kälte, Angst, Schmerz, unglaubliche Dynamik, Risiko, Glück, Überlegenheit, Einzigartigkeit erleben.
  • Mir liebe Menschen kennen lernen. Freunde für’s Leben, die Gleiches denken, Gleiches tun, Gleiches fühlen. Motorradfahrer sein, nichts sonst.

 

 

Darum fahre ich –

ich will nichts Anderes.

 

 

 

Diesen und weitere Texte findet Ihr auf meinem kleinen Blog "Motorprosa • Geschichten aus der Kurve" - schaut mal vorbei ;-)

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