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Motorprosa • Geschichten aus der Kurve

Geschichten, Gedanken, Erlebnisse und Erinnerungen, vor allem zum Thema Motorrad.

Thu May 16 10:06:11 CEST 2019    |    JvS    |    Kommentare (1)

Spielen mit der HarleySpielen mit der HarleyMein liebstes Gesellschaftsspiel: Motorradfahren

 

Ein über 100 Jahre altes und mal mehr, bisweilen weniger beliebtes Gesellschaftsspiel. Wollen wir uns ganz kurz die Spielregeln von „Motorradfahren“ ansehen?

 

 

„Motorradfahren“ vereint einige bekannte Gesellschaftsspiele in sich. So finden sich u.a. Grundzüge von „Monopoly“ im Spiel, z.B. das Sich-im-Kreis-Bewegen und die Geschichte mit den hohen Kosten oder dem Gefängnis.

Und doch unterscheidet sich mein Lieblingsspiel von den anderen – angefangen schon bei der Anzahl der Mitspieler an, die beliebig sein kann. Bekannte Brettspiele enden, allein gespielt, meist frustrierend – weil in einem Spiel mindestens dreimal verloren wird. „Motorradfahren“ kann hingegen auch alleine gespielt sehr viel Freude machen, und der Spieler gewinnt immer.

 

 

Voraussetzungen für „Motorradfahren“

 

Die Teilnahme am Spiel ist an Zugangsvoraussetzungen gebunden. Unter 14 Jahren läuft nichts, es sei denn, „Motorradfahren“ wird nicht öffentlich betrieben. Außerdem sollte jeder Mitspieler einen Befähigungs-Nachweis besitzen, der es ihm auch erlaubt, mit seiner Spielfigur teilzunehmen. Dieser Nachweis kann – bestenfalls schon vor dem ersten Spiel – in einer sogenannten „Fahrschule“ erworben werden. Das ist nicht kostenfrei, aber manchmal unterstützen elterliche und ältere Spieler gerne dabei.

 

Im Gegensatz zum bekannten „Mensch ärgere Dich nicht“, das mit einfachsten Figuren, die nur einigermaßen die gleiche Farbe haben sollten, gespielt werden kann, verlangt „Motorradfahren“ nach einem technisch hochkomplexen Apparat. Dessen Farbe ist zweitrangig – nicht so hingegen der technische Zustand, denn der beeinflußt den Spiel-Spaß wesentlich.

 

Die Spielfigur – und das ist leider das größte Manko von „Motorradfahren“ – liegt der Packung allerdings nicht bei.

 

Eine ganz besondere italienische SpielfigurEine ganz besondere italienische Spielfigur

 

 

Spielfiguren können deswegen von einem bereits aktiven Spieler übernommen oder bei einem sogenannten „Motorradhändler“ neu erworben werden. Die Spielregeln verbieten eine kostenfreie Übernahme der Spielfigur zwar nicht, dennoch kommt dieser Fall eher selten, und dann meist unfreiwillig, vor.

 

Wie erwähnt, ist für das unterhaltsame „Motorradfahren“ ein technisch einwandfreier Zustand der Spielfigur notwendig. Für die Sicherstellung dieses Zustands betätigen sich einige, meist erfahrene, Spieler als „Motorradmechaniker“ in „Motorradwerkstätten“, in denen die Spielfigur – allerdings wieder nicht kostenfrei – kurzfristig für eine Durchsicht und gegebenenfalls Reparatur abgegeben werden kann.

 

Gewisse finanzielle Möglichkeiten gelten also als wichtigste Voraussetzung für das Spielen von „Motorradfahren“.

 

 

Beginn des Spiels

 

„Motorradfahren“ beginnt meist mit dem Gang in die heimische Garage. Doch das ist keine Voraussetzung für ein erfolgreiches Spiel – die Spielfigur kann auch im Freien oder im Wohnzimmer untergebracht werden. Man hat schon von Scheunen gehört, in denen uralte Spielfiguren jahrzehntelang im Dunkel, unter einer dicken Staubschicht, auf Gebrauch gewartet haben – und nun, ungespielt, in „Motorradmuseen“ stehen. Schade ..

 

„Motorradfahren“ ist ein Spiel, das zum größten Teil im Freien stattfindet – denn selbst die kleinsten Spielfiguren benötigen Raum und Weite. Am eindrücklichsten wird das Spiel auf kurvigen, gut asphaltierten Wegen – was nicht heißen soll, dass es nicht auch im Gelände, auf Sand und Schotter sehr unterhaltsam sein könnte. Es ist – egal wo – immer ein Spiel voller Dynamik, Klänge, Gerüche und Eindrücke, und es steht selten still.

 

„Motorradfahren“ ist dabei an keine zeitlichen Vorgaben gebunden – jeder Spieler kann anfangen, wann immer ihm danach ist. Sollten sich aber die Teilnehmer über Spielbeginn und -Ort absprechen, vereinfacht dies den weiteren Verlauf und intensiviert das Erlebnis.

 

 

Zweck des Spiels

 

Zweck des Spiels ist es nicht, die eigene Spielfigur am schnellsten in’s Ziel zu bringen. Die Spielanleitung, erhältlich in jeder Fahrschule, empfiehlt dies auch ausdrücklich nicht. Es gilt jedoch als gesichert, dass bereits von 100 Jahren die ersten beiden „Motorradfahrer“ den Zweck des Spiels dahingehend interpretierten. Natürlich gibt es auch Profi-Spieler, die alles daran setzen, die Zeit des Spiels zu verkürzen und dabei regelmäßig an die Grenzen der Spielfigur, der Physik und die eigenen gehen. Im Gegensatz zu „Mensch ärgere Dich nicht“ ist es allerdings verboten, langsamere Spieler auf dem Spielfeld aus dem Weg zu räumen.

 

Platz da, Mazda!Platz da, Mazda!

 

 

„Motorradfahrer“ setzen sich auf ihre eigene Spielfigur und bringen diese mit einer komplizierten Abhandlung von Hand- und Fußaktivitäten in Bewegung. Für Spiel-Anfänger ist die korrekte und gleichmäßige Ausübung dieser Aktivitäten herausfordernd – auch weil eine normale Spielfigur nicht in der Lage ist, ohne Spieler aufrecht auf dem Spielfeld zu bleiben. Ausdauerndes und eifriges Training wird ausdrücklich empfohlen.

 

Eine Spielfigur kann von zwei Spielern gleichzeitig bespielt werden, was die Spielzüge theoretisch behäbiger werden lässt – erfahrene Spieler können dies aber ausgleichen und das Vergnügen „Motorradfahren“ mit Freunden teilen, denen eine eigene Spielfigur fehlt.

 

 

Spielzüge beim Motorradfahren

 

Hier hält sich die Spielanleitung mit Ausführlichkeit zurück und erlaubt große Vielfalt. Je nach gewählter Spielfigur wird nach vorne gebückt, aufrecht sitzend oder nach hinten gelehnt gespielt. Spezialisten betreiben das Spiel auch stehend, einige stützen sich bei der lustigen Fahrt durch die Spielfeld-Kurven auf den Knien ab. Auch ist die Geschwindigkeit der Spielzüge selten einheitlich – meist sind die kleinen und leichten Spielfiguren flinker unterwegs als die großen und schweren. Ausnahmen gibt es natürlich auch hier.

 

Auffällig ist jedoch, dass fast jeder Spieler nach einer gewissen Dauer „Motorradfahren“ meint, er spiele am besten und schnellsten, und dies gerne seinen Mitspielern mitteilt. Richtig gute Spieler wissen dies üblicherweise und ignorieren derartige Zwischenrufe.

 

Wichtig: die Wahl der Spielfigur beeinflusst die Möglichkeiten der Spielegestaltung stark: lange, tiefe und schwere Figuren, z.B. aus der Spielzeugfabrik in Milwaukee, taugen nicht für die schnellen Spielzüge im „Rennstrecken“-Level. Die dafür besser geeigneten leichten italienischen Hochleistungs-Spielfiguren aus z.B. Borgo Panigale mühen sich dafür beim Vorankommen im Spiele-Level „Hochalpine Pässe“. Figuren hingegen, die laut deutschem Hersteller in nahezu jedem Spiele-Level gute Resultate garantieren sollen, beleidigen meist das Auge der Mitspieler.

 

Die Spielanleitung verbietet den Wechsel der Figuren nicht – im besten Fall besitzt ein Spieler also die zum jeweiligen Level am besten passende Spielfigur.

 

 

 

Ende des Spiels

 

„Motorradfahren“ wird sehr gerne an einer günstig gelegenen Eisdiele oder Gaststätte begonnen und auch beendet. Das Spiel ist appetitanregend und durstigmachend, dies gilt umso mehr für Turniere, die mehrere Tage dauern. Solche Turniere finden häufig in den Urlaubszeiten statt und orientieren sich dann an deren Dauer. Die Flexibilität von „Motorradfahren“ erlaubt es allerdings fast immer, auch vor oder nach der Arbeitszeit eine Runde zu spielen – somit ist es schwierig, von einem Ende des Spiels zu sprechen.

 

Viele verfallen in eine Art Sucht und beenden das Spiel ein Leben lang nicht mehr. Kurzfristige Spiel-Pausen können sich während ungünstiger Wetter-Ereignissen, längerfristige jahreszeitlich bedingt ereignen: die Spielfiguren vertragen sich nicht mit schneebedecktem Terrain und nehmen unter Umständen erheblichen finanziellen und funktionellen Schaden.

 

Es wird weiters von Fällen berichtet, in denen einst engagierte Spieler, oftmals aufgrund einer Vergrößerung ihres Clans, über Jahre hinweg nicht mehr „Motorradfahren“ spielen. Der hierfür verwendete Fachbegriff lautet „Baby-Pause“.

 

Immer wieder wird auch einzelnen Spielern der Befähigungs-Nachweis entzogen – meist nach eklatanter Missachtung der wenigen Vorgaben in der Spielanleitung. Seltener wird das Spiel nach der Wahl der falschen Spielfigur aufgegeben – meist findet sich bei einem Motorradhändler eine passendere Figur.

 

 

 

„Motorradfahren“ – Das Fazit

 

„Motorradfahren“ beglückt – gekonnt gespielt – mit sehr vielen und fast immer positiven Emotionen. Das schnelle Erreichen von unerhört hohen Geschwindigkeiten, das Kippen der Welt beim schwungvollem Durchfahren von Kurven, die Gerüche der vorbeifliegenden Umwelt, in der sich ungefiltert und unklimatisiert bewegt wird und das Gefühl von Freiheit, obwohl Sturzhelm und bestenfalls stabile Kleidung getragen werden muss, sind extrem reizvoll und glücklich machend.

 

Umso schöner wird „Motorradfahren“, wird es mit gleich Gesinnten und gleich Verrückten gespielt. Dabei entstehen spontan die besten Spiel-Variationen und -Züge, und freundschaftliche Bande werden geknüpft.

 

„Motorradfahren“ erlaubt unzählige Varianten und kann – sofern alle dafür notwendigen Voraussetzungen vorhanden sind – auch weltweit gespielt werden. Die Gemeinschaft der Spieler ist groß, und trotz allem Wettbewerb – je nach bespieltem Level – meist sehr kollegial. Dass sich die Spieler der diversen Spielfiguren nicht immer ohne Reibereien verstehen, kann vorkommen, trübt den Spaß aber nur in den seltensten Fällen.

 

Nur zu empfehlenNur zu empfehlen

 

Nach über 25 Jahren des engagierten Spielens kann ich „Motorradfahren“ also nur empfehlen. Risiken und Nebenwirkungen sind mir zwar bekannt, aber keinesfalls Gründe, um nach Alternativen zu suchen.

Diesen Artikel findet Ihr – bei Interesse – auch auf meinem kostenlosen und werbefreien Blog "Motorprosa • Geschichten aus der Kurve". Ich freue mich auf Eure Kommentare.

 

Beste Grüsse,

Jürgen

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Sat May 18 22:07:13 CEST 2019    |    ElHeineken

Nett, befinde mich gerade in der Babypause :D

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