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Test Mercedes SL 500 - Auf der Fahrt ins Autokino

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Ein Traum, dieser SL. Doch was tun mit diesem Mercedes, der so perfekt langweilig sein kann. MOTOR-TALK-Redakteur Constantin Bergander hat ihn geparkt, im Autokino.

Fast jeder hier wird schon mehrere Stunden im stehenden Auto verbracht haben – um zu reden, zu knutschen oder einfach nur zu sitzen. In einer Fahrmaschine wie dem SL 500 macht man sowas aber nicht. Oder doch?

Hübsche Nase: Mercedes 500 SL Hübsche Nase: Mercedes 500 SL

Blech & Form

Ja, ein SL ist schick. Sehr sogar. Immer noch. Die neue Nase, die Lufteinlässe. Sportlich, fein. So einem Auto guckt fast jeder hinterher. Ein Fehler, wie ich finde. Denn dann sieht man sie, die weiß-roten Klarglasrückleuchten. Wenn alte Leute jung wirken wollen, bewegen sie sich auf einem feinen Grad zwischen schön und ganz schön peinlich. Die Rückleuchte gehören zur zweiten Kategorie. Sie passen vielleicht an das Tuning-Objekt eines 18-jährigen, aber nicht zu einem Mercedes Roadster.

Halb so schlimm, beim Fahren eines SL sieht man selten einen anderen. Und wenn ich fahre, noch seltener von hinten. Wir (also die Dame meines Herzens und ich) rollen mit geöffnetem Hardtop ins Autokino, stellen uns vor die Leinwand und warten. Zwischen Polo und Civic wirkt mein SL dekadent, aber nicht fehl am Platz. Neugierig schielen meine Nachbarn auf die 18-Zoll-Felgen und die riesige Bremsanlage. Und versuchen dabei so uninteressiert wie möglich zu wirken.

Koffer & Raum

Wir machen es uns gemütlich – soweit das geht. Die elektrischen Ledersitze mühen sich redlich, aber ein Zweisitzer bietet bauartbedingt wenig Platz. Summ, vor, summ, zurück, summ, hoch, summ, runter. Nach einigem Gesummse finden wir eine geeignete Gammel-Position. Das wird uns später zum Verhängnis: Das Audiosystem möchte sich mitten im Film abschalten, wenn wir nicht den Motor starten. Sitze und die Stereo-Anlage haben bis hierhin zu viel Strom gezogen.

SL 500: Schon im Stand eine Augenweide SL 500: Schon im Stand eine Augenweide In jedem schlechten Moment steckt etwas gutes. Mittlerweile nerven die Mücken und das Verdeck lässt sich nur bei laufendem Motor (im Stillstand) schließen. Ich drücke den Startknopf, acht Zylinder laden die Batterie und wir sitzen nach knapp 20 Sekunden geschützt vor Insekten im SL. So wirkt auch das Soundsystem viel besser. Jeder Schuss ein Treffer. Batman gewinnt trotzdem.

Was nicht ins Autokino, aber in den Kofferraum passt: 504 Liter Louis-Vuitton-Taschen (bei geschlossenem Dach). Offen noch 364 Liter Burberry-Golfbags. In jedem Fall genügend für einen Wochenendausflug mit zwei Personen. Der SL soll ja kein Raumwunder sein, da hat er wirklich anderes zu leisten.

Kraft & Quelle

Sein raison d'être steckt unter der mitunter obszön langen Motorhaube. Sein doppelt turbogeladener V8 sorgt für Ohrensausen, Stau auf der Glückshormon-Autobahn, Kribbeln im Bauch, einfach alles, was so 435 PS auslösen können. Allein dieser Klang aus acht Töpfen. Was für ein Sound! Nach dem Film drehen wir noch eine Runde über die Autobahn, in den Tunnel, im zweiten Gang. Mit dem SL spart man sich billige Beschleunigungsduelle. Den lässt man brüllen, das allein genügt, um andere Autos einzuschüchtern. Schön, dass sowas in diesem SL-Mercedes möglich ist.

Luxus pur: Interieur des SL 500 Luxus pur: Interieur des SL 500 „Aus Versehen“ bin ich auf einer Strecke ohne Tempolimit gelandet. Ja, also nein, auch jenseits der 200er-Marke bremst kein Gegenwind den Vortrieb. Die 250 km/h-Spitze haben kühle Programmierer eingesetzt.

Ingenieure haben die Sitz- und Nackenheizung („Air Scarf“) erfunden, so geht Vollgas auch mit offenem Verdeck. Nur der Wind stört ab 160. Wirklich beeindruckend: Auf langen, schnellen Autobahnfahrten verbrennt der SL etwa 15 Liter auf 100 Kilometer. Bei sehr zügiger Gangart knapp unterhalb der 200 sind es noch 12 Liter. Nicht schlecht für diesen 4,7-Liter-Motor.

Fahr & Spaß

Ganz einig scheint sich der SL 500 bei seiner eigenen Potenz nicht zu sein. 4,5 Sekunden von 0 auf 100, 700 Newtonmeter – Werte wie bei einem Sportwagen. Andererseits wiegt er rund 1,8 Tonnen und strotzt vor Luxus. So entsteht ein Dr. Jekyll-und-Mr.Hyde-Wagen. Ein burnout-tauglicher Roadster mit brutaler Leistungsentfaltung, mit dem meine Oma stressfrei einkaufen könnte – wenn sie aus den tiefen Sitzen allein wieder hochkommt.

Das SL-Verdeck schließt in 20 Sekunden Das SL-Verdeck schließt in 20 Sekunden Mit einem SL 500 kann jeder entspannt schnell fahren. Für ein echtes Sportgerät fehlt ihm die Rückmeldung. Selbst im „Sport“-Modus bietet das adaptive Fahrwerk viel Fahrkomfort. Ein Zugeständnis an das Alter der SL-Fahrer.

Ende & Urteil

Im Westen nichts Neues? Ja. Irgendwie. Auch in diesem Test bleibt wenig, als lange bekannte Informationen noch einmal zu verifizieren. Als Standzeug eignet er sich so gut wie als Fahrmaschine. Beides setzt allerdings voraus, dass die Dame auf dem Beifahrersitz still sitzen kann.

 

Technische Daten

Modell: Mercedes SL 500

Motor: 4,7 Liter V8 BiTurbo

Getriebe: Siebengang Automatik

Leistung: 435 PS

Drehmoment: 700 Nm

Verbrauch min. / max. durchschnitt: 9 / 12 Liter pro 100 km

CO2: 212 Gramm pro Kilometer

Reichweite: etwa 500 km

0 – 100 km/h: 4,6 Sekunden

Höchstgeschwindigkeit: 250 (abgeriegelt)

Länge x Breite x Höhe: 4,61 x 1,88 x 1,3 Meter

Leergewicht nach EU-Norm: 1,7 Tonnen

Kofferraum: 364 – 504 Liter

Preis laut Preisliste minimal: 93.534 Euro (SL 350), 117.096 Euro (SL 500)

Testwagenpreis: 132.905,15 Euro

Quelle: MOTOR-TALK

Avatar von SerialChilla
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