Bin bei Rot gefahren und habe einen Unfall verursacht
Hallo alle zusammen,
es ist folgendes bei mir passiert. Ich stand an der Kreuzung mit zwei Spuren (1x gerade und 1x für Linksabbieger). Dann ging der Ampel grün für die gerade fahrende und bin auch losgefahren und einen Unfall verursacht..
So was habe ich bei einem Rechtstipp-Forum gefunden:
Die grobe Fahrlässigkeit entfällt aber dann, wenn Sie zum Beispiel ortsunkundig waren (OLG Karlsruhe, Urteil vom 16.2.1989, r+s 1990, S. 364). Oder: Der Fahrer war durch eine Nachbarampel irritiert und ist nach vorherigem Anhalten aufgrund des Mitzieheffektes losgefahren (BGH, Urteil vom 29.1.2003, VZR 173/01, MDR 2003, R 11).
Heißt jetzt eigentlich es sei keine grobe Fahrlässigkeit gewesen und soll meine Versicherung alle meine Kosten tragen und bei mir steigt nur der Jahresbetrag oder bleibe ich auf meine Kosten sitzen?
Vielen Dank für die Hilfe!!!!
Beste Antwort im Thema
Zitat:
@CV626 schrieb am 20. Juni 2016 um 14:10:55 Uhr:
Und das stimmt auch.
Nein, das stimmt eben nicht!
Dass du das glaubst, liegt schlicht und ergreifend daran (und das ist auch überhaupt nicht böse gemeint!), dass du nicht weißt, wie man einen Gesetzestext zu lesen und zu interpretieren hat.
Sorry, es ist ganz einfach so, wie Ostelch und ich es erklärt haben: der § 103 VVG regelt abschließend, in welchen Fällen die (KFZ-)Haftpflichtversicherung leistungsfrei ist, soweit es um die Herbeiführung des Versicherungsfalles (also die Unfallursache) geht. Nämlich ausschließlich bei Vorsatz.
Der Verstoß gegen vertragliche Obliegenheiten ist eine ganz andere Geschichte und wird ebenfalls im VVG in den §§ 19-32 geregelt. Das hat aber überhaupt nichts mit der Unfallursache zu tun, sondern mit dem Verhalten vor oder nach dem Unfall. Hier geht es um vertragliche Verpflichtungen, die du gegenüber der Versicherung eingegangen bist, so z.B. nicht ohne Fahrerlaubnis zu fahren, dich nicht vom Unfallort zu entfernen, nicht unter Alkoholeinfluss zu fahren, der Versicherung gegenüber vollständige Angaben zu machen etc.
Wenn du jetzt die beiden Dinge kombinierst, kommst du vielleicht selbst drauf: Ein Unfall passiert nicht, weil ich ohne Führerschein fahre (das bekommen viele jahrelang prima hin!), ein Unfall passiert auch nicht, weil ich Alkohol im Blut habe. Der Unfall passiert, weil ich die Vorfahrt missachte, mit zu hoher Geschwindigkeit unterwegs bin, zu spät bremse etc. pp. Das kann auch alles grob fahrlässig sein. Die Versicherung nimmt dich aber nicht in Regress, weil du die Vorfahrt missachtet hast (mit oder ohne FS, mit oder ohne Alkohol) - das geht mangels Vorsatz nicht - sondern sie beruft sich auf die Verletzung der vertraglichen Obliegenheiten.
Umgekehrt bedeutet das nämlich auch, dass dich die Versicherung in Regress nehmen kann, wenn die Unfallursache nur einfache Fahrlässigkeit ist, aber der Verstoß gegen die Obliegenheiten vorliegt. Einfachstes Beispiel: Auffahrunfall aus Unachtsamkeit. Das ist einfache Fahrlässigkeit, auch wenn man keinen Führerschein hat. Aber das Fahren ohne FS ist eine Obliegenheitsverletzung und führt zum Regress.
Die Trennung ist deshalb wichtig, weil die Regressmöglichkeit nicht einfach Fälle von grober Fahrlässigkeit betrifft, sondern nur exakt die in den Versicherungsbedingungen genannten Obliegenheitsverletzungen.
Wichtig auch, dass der Verzicht auf die Einrede der groben Fahrlässigkeit in der Kaskoversicherung überhaupt nicht vor Regressen aufgrund von Obliegenheitsverletzungen schützt!
Wenn man alles in einen Topf wirft, kommt man zwangsläufig zu falschen Schlüssen und erzeugt entweder unnötige Panik (wie in diesem Fall: rote Ampel überfahren ist in der Haftpflicht ohne wenn und aber abgedeckt) oder aber trügerische Sicherheit (meine Versicherung verzichtet auf die Einrede, also kann mir überhaupt nicht passieren. Pustekuchen!).
57 Antworten
Zitat:
@TilSchmidt schrieb am 17. Juni 2016 um 17:11:01 Uhr:
Ich habe ein Teilkasko nur, also meine Kosten werden mir keine übernehmen... Ich mach mr nur sorgen, dass die Versicherung sagt, dass ich auch gegnerische Kosten übernehmen soll 🙁
Achso, es geht nur um die Haftpflicht.
Nein, da brauchst du glaube ich wirklich keine Angst zu haben. Die Haftpflicht zahlt in der Regel außer bei Alkoholeinfluss, Vorsatz oder Unfallflucht sowieso auch bei grober Fahrlässigkeit. (Vollkasko wäre ggf. was anderes.)
Und selbst wenn nicht, dann wäre der Regress auf maximal 5000 Euro begrenzt. Kann ich mir in deinem Fall aber wirklich nicht vorstellen.
PS. Vielleicht solltest du dir mal deinen Haftpflichtversicherungsvertrag genau anschauen. Viele Versicherungen verzichten ausdrücklich auf den Einwand grober Fahrlässigkeit. Falls das bei dir auch so ist, bist du definitiv aus dem Schneider.
Aber wie gesagt, auch wenn nicht, heißt das noch lange nichts.
Genau für solche Fälle ist die Haftpflicht da. Da es keine Obliegenheitsverletzungen gibt, gibt es auch keinen Regress. Also entspanne Dich.
Zitat:
@CV626 schrieb am 17. Juni 2016 um 17:29:55 Uhr:
Viele Versicherungen verzichten ausdrücklich auf den Einwand grober Fahrlässigkeit.
Darauf braucht die Versicherung nicht zu verzichten, weil sie bei einem Haftpflichtschaden überhaupt keinen entsprechenden Einwand bringen kann!
Verwechselt doch nicht immer die unterschiedlichen Versicherungsarten!
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Doch, theoretisch kann sie das - das führt dann halt ggf zu begrenzten Regressforderungen und nicht zum Zahlungsausfall.
In der Praxis machen die Versicherungen das nur bei Alkohol, Drogen oder Unfallflucht. Aber ausdrücklich verboten ist es ihnen bei grober Fahrlässigkeit aus anderen Gründen nicht.
Zitat:
@CV626 schrieb am 19. Juni 2016 um 15:22:18 Uhr:
Doch, theoretisch kann sie das -
Nein, das kann sie weder theoretisch noch praktisch. Nenne mir doch bitte die Rechtsgrundlage für deine Behauptung!
§81.2 VVG. "Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen."
Gilt im Prinzip für alle Haftpflichtversicherungen (edit: und alle anderen Versicherungen auch). Gibt es da irgendwelche Sonderregelungen für Kfz-Haftpflichtversicherungen, von den allgemeinen Regressregeln abgesehen?
Selbstverständlich gibt es die: § 103 VVG
Zitat:
@CV626 schrieb am 19. Juni 2016 um 15:22:18 Uhr:
Doch, theoretisch kann sie das - das führt dann halt ggf zu begrenzten Regressforderungen und nicht zum Zahlungsausfall.In der Praxis machen die Versicherungen das nur bei Alkohol, Drogen oder Unfallflucht. Aber ausdrücklich verboten ist es ihnen bei grober Fahrlässigkeit aus anderen Gründen nicht.
Bei der Haftpflichtversicherung kann sie es nicht:
Zitat:
§ 103 VVG Herbeiführung des Versicherungsfalles
Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich und widerrechtlich den bei dem Dritten eingetretenen Schaden herbeigeführt hat.
Bei der Vollkasko- also der (Eigen-)Schadensversicherung ist es möglich:
Zitat:
§ 81 VVG Herbeiführung des Versicherungsfalles
(1) Der Versicherer ist nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich den Versicherungsfall herbeiführt.
(2) Führt der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall grob fahrlässig herbei, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen.
Grüße vom Ostelch
Edit: Da waren ja mal wieder welche schneller. So was aber auch! 🙁
Zitat:
@lemonshark schrieb am 19. Juni 2016 um 16:21:34 Uhr:
Selbstverständlich gibt es die: § 103 VVG
Da geht es um Vorsatz, nicht um grobe Fahrlässigkeit, hat mit der Diskussion hier nix zu tun.
Da steht ja nicht, dass die Zahlung NUR bei Vorsatz oder widerrechtlichem Verhalten verweigert bzw gekürzt werden kann.
Zitat:
@CV626 schrieb am 19. Juni 2016 um 16:36:28 Uhr:
Zitat:
@lemonshark schrieb am 19. Juni 2016 um 16:21:34 Uhr:
Selbstverständlich gibt es die: § 103 VVGDa geht es um Vorsatz, nicht um grobe Fahrlässigkeit, hat mit der Diskussion hier nix zu tun.
Da steht ja nicht, dass die Zahlung NUR bei Vorsatz oder widerrechtlichem Verhalten verweigert bzw gekürzt werden kann.
Doch, hat es. Lies doch bitte meine Zitate weiter oben. § 81 VVG gilt für die Schadensversicherung, § 103 VVG gilt für die Haftpflichtversicherung.
In beiden Fällen ist geregelt, in welchen Fällen die Versicherung die Leistung verweigern darf. Bei Haftpflichtversicherungen nur bei Vorsatz.
Grüße vom Ostelch
Eine Haftpflichtversicherung ist eine Schadensversicherung im Sinne des VVG.
Es ist kein Zufall, dass die Schadensversicherung im "Allgemeinen Teil" steht, die Haftpflichtversicherung aber im "besonderen Teil" des Gesetzes.
Dürfte eine Haftpflichtversicherung bei grober Fahrlässigkeit die Zahlung nie verweigern bzw. mindern, dann gäbe es auch keine Möglichkeit, einen Alkoholfahrer in Regress zu nehmen.
Zitat:
@CV626 schrieb am 19. Juni 2016 um 16:45:10 Uhr:
Dürfte eine Haftpflichtversicherung bei grober Fahrlässigkeit die Zahlung nie verweigern bzw. mindern, dann gäbe es auch keine Möglichkeit, einen Alkoholfahrer in Regress zu nehmen.
Die Haftung beruht nicht auf der grob fahrlässigen Verursachung des (Unfall)Schadens, sondern auf der grob fahrlässigen bzw. vorsätzlichen Verletzung der Obliegenheitspflicht, nicht alkoholisiert Auto zu fahren.
(z.B. D1.2 AKB 2015)
Grüße vom Ostelch
Zitat:
@CV626 schrieb am 19. Juni 2016 um 16:39:53 Uhr:
Eine Haftpflichtversicherung ist eine Schadensversicherung im Sinne des VVG.Es ist kein Zufall, dass die Schadensversicherung im "Allgemeinen Teil" steht, die Haftpflichtversicherung aber im "besonderen Teil" des Gesetzes.
Am besten besuchst du mal den Volkshochschulkurs "Gesetze lesen für Anfänger". Dort erfährst du dann u.a., dass eine Spezialvorschrift gegenüber einer allgemeinen Regelung Vorrang hat. Genau deshalb steht auch der von dir herangezogene § im Allgemeinen Teil und der für die Haftpflichtversicherung gültige § 103 im besonderen Teil für die Haftpflichtversicherun. Und ebenfalls aus genau diesem Grund kann die Kaskoversicherung (Schadensversicherung) Leistungen grundsätzlich bei grober Fahrlässigkeit kürzen, die Haftpflichtversicherung (Schadensversicherung, aber mit Sonderregelung im VVG) nicht.