• Online: 2.869

Mercedes S-Klasse (2017) Facelift im Test: Technik, Fahrbericht, Preis - Die S-Klasse ist endlich wieder Technikträger

verfasst am

Bei der "gemopften" Mercedes S-Klasse bleibt wenig beim Alten. Es gibt: neue Motoren, ein 48V-Bordnetz und mehr Autonomie. Wird Zeit. Daimlers Topmodell im Fahrbericht.

Mercedes S-Klasse (2017) Facelift im Test: Mercedes hat sein Topmodell W222 zum Juli 2017 einer Modellpflege unterzogen Mercedes S-Klasse (2017) Facelift im Test: Mercedes hat sein Topmodell W222 zum Juli 2017 einer Modellpflege unterzogen Quelle: Daimler

Zürich – Drei Fackeln sind das Offensichtlichste am Facelift der S-Klasse. Fackeln nennt die Design-Abteilung die geschwungenen LED-Leisten in den Scheinwerfern. Im Topmodell von Mercedes leuchten mit der Modellpflege („Mopf“) jetzt drei davon - nicht bloß eine wie vorher. Das war C-Klasse-Niveau, die E-Klasse darf zwei pro Leuchte tragen.

Es wurde Zeit, dass die S-Klasse die Hierarchie wieder herstellt. Das Topmodell ist nun endlich wieder Technologieträger. Denn Technologie ändert sich schnell, und Modellpflege ist nur alle drei bis vier Jahre. Neue Motoren gibt es noch seltener. Davon bekommt die S-Klasse jetzt reichlich. Und: Sie wird autonomer als die E-Klasse.

Der S 400d markiert ab Juli 2017 die Diesel-Spitze im Modellprogramm der S-Klasse Der S 400d markiert ab Juli 2017 die Diesel-Spitze im Modellprogramm der S-Klasse Quelle: Daimler

Mercedes S-Klasse Modellpflege 2017: Neue Motoren

Nur ein Motor aus dem neuen Sortiment ist ein alter Bekannter: Der 6,0-Liter-V12, der im S 600 mit 530 PS und im AMG S 65 mit 630 PS eingesetzt wird. Der Rest ist komplett neu oder neu in der S-Klasse (siehe Liste unten). Besonders spannend: der neue Top-Diesel S 400d und der S 500. OM 656 und M 256 gehören zur neuen Motorenfamilie. Statt im V sind ihre Zylinder in Reihe angeordnet.

Mit dem S 400 d führt Mercedes erstmals seit sechs Jahren wieder einen Diesel mit 4 ein. Die 2011 eingestellten S 420 und S 450 waren noch V8-Motoren. Der neue OM 656 ist ein Reihensechser und ersetzt als S 350 d (286 PS) den bisherigen V6-Diesel. Im S 400 d leistet er mittels Biturbo-Aufladung 340 PS und 700 Newtonmeter Drehmoment.

Es war eine gute Idee, von V6 auf R6 zu wechseln. Um das zu erkennen, muss man nur ein paar Hundert Meter im S 400 d zurücklegen. Kraftvoll, spontan, seidenweich und geschmeidig schiebt er die große Limousine an. Schon ab 1.200 Umdrehungen stehen 700 Newtonmeter Drehmoment bereit. Ab 1.000 U/min, also quasi ab Leerlaufdrehzahl, sind es 600 Newtonmeter. Die feine Neungang-Automatik bringt die Kraft harmonisch auf den Weg.

Mercedes S-Klasse (2017) Facelift Heckansicht: Hinten tut sich nur ein wenig an den Leuchten Mercedes S-Klasse (2017) Facelift Heckansicht: Hinten tut sich nur ein wenig an den Leuchten Quelle: Daimler Kick-down. Die S-Klasse geht vehement nach vorne. Völlig unbeeindruckt von gut zwei Tonnen Leergewicht (wir fuhren die Allradversion 4Matic) treibt der OM 656 die große Limousine an. Nie klingt er angestrengt, immer dezent und souverän. Höhere Tempi, hohe Drehzahlen? Das Arbeitsprinzip merkt man dem Selbstzünder nicht an. Der Verbrauch? Gut acht Liter waren es auf unserer Testrunde. Wer viel in der Stadt unterwegs ist, wird das nicht halten können. Auf Landstraße und Autobahn ist auch weniger machbar.

Mercedes S 500 mit 48V-Bordnetz statt V8

Dagegen bleibt der S 500 fast blass. Aber nur fast. Der erste Sechszylinder in einem 500er-Benz sollte sich fahren wie ein V8. Dafür setzt Mercedes auf ein 48-Volt-Bordnetz und einen integrierten Startergenerator (ISG). Ein Mildhybrid-System also. Audi setzt im neuen A8 ebenfalls auf ein Mildhybrid-System mit 48-Volt-Bordnetz, allerdings in deutlich anderer Auslegung. Der Startergenerator sitzt nicht direkt an der Kurbelwelle, sondern wird über einen Riemen angetrieben.

Der ISG im Benz kann kurzfristig mit 250 Newtonmetern und 16 kW Leistung beim Anschieben helfen. Beim Verzögern rekuperiert er und lädt die Batterie, außerdem erlaubt er die Abschaltung des Motors beim „Segeln“ ohne Last. Das Start-Stopp-System reagiert zudem früher, schneller und unauffälliger. Alles für die Effizienz. Mercedes verspricht 20 Prozent weniger Verbrauch bei 15 Prozent mehr Leistung.

Um V8-Leistung aus dem R6 zu holen, greift bei niedrigen Drehzahlen ein vom 48V-Netz gespeister elektrischer Zusatzverdichter dem Single-Turbo unter die Arme. Innerhalb von 300 Millisekunden erreicht er eine Drehzahl von 70.000 U/min. Das soll das Ansprechverhalten verbessern.

Mercedes S-Klasse Modellpflege: Die Frontschürze wurde geändert (hier die AMG-Optik), sonst tut sich äußerlich wenig Mercedes S-Klasse Modellpflege: Die Frontschürze wurde geändert (hier die AMG-Optik), sonst tut sich äußerlich wenig Quelle: Daimler

Mercedes S 500: Ein feiner Reihensechser, kein V8

Es funktioniert. Der S 500 reagiert ruckzuck auf jeden Tritt. Nach 4,8 Sekunden ist Tempo 100 erreicht, der Verbrauch soll trotzdem bei nur 6,6 Litern liegen. Seine 520 Newtonmeter Drehmoment stellt der R6 ab 1.800 Umdrehungen bereit, maximal 435 PS leistet er zwischen 5.900 und 6.100 Umdrehungen.

Wie ein Sportmotor kommt der M 256 nicht rüber, eher geschmeidig und leise. Im Vergleich zum Vorgänger-V6 ein charmantes, kräftiges Aggregat. Aber man muss seine Erwartungen bremsen: Ein R6 ist kein V8. Dafür fehlen ihm das überwältigende Drehmoment und vor allem Stimme. Er klingt gut, aber nicht toll. Unter Last wird er etwas kerniger, aber nicht aufdringlich.

Objektiv gibt der S 500 keinen Grund zur Kritik. Wer ohne V8-Bollern nicht mag, muss allerdings zum S 560 greifen oder zum S 63. In beiden steckt der gleiche Grundmotor, der 4,0-Liter-V8 von AMG. Im S 560 leistet er 469 PS und 700 Newtonmeter, im S 63 4Matic+ (die S-Klasse erbt das vollvariable System von der heißen E-Klasse 63 S) sind es 612 PS und 900 Newtonmeter. Auch diese Motoren sind neu in der S-Klasse. Der S 63 ist erwartungsgemäß gewaltig, der S 560 ziviler, aber trotzdem stärker als die Vernunft erlaubt.

Mercedes S-Klasse (2017) Innenraum: Diverse Lichtstimmungen lassen sich einstellen, nicht alle sind geschmackvoll Mercedes S-Klasse (2017) Innenraum: Diverse Lichtstimmungen lassen sich einstellen, nicht alle sind geschmackvoll Quelle: Daimler

Die S-Klasse wird teilautonomer

Bei der Assistenz setzt die S-Klasse sich wieder vor die E-Klasse. Sie kann auf einer zweispurigen Richtungsfahrbahn selbständig die Spur wechseln. Dafür braucht sie nur einen kurzen Impuls am Blinkhebel und freie Bahn für zehn Sekunden. Der Tempomat Distronic Plus hält nun nicht nur Tempolimits ein, er berücksichtigt auch die Streckenführung. Kurven, Kreuzungen oder Kreisverkehre werden per Vernetzung mit Here-Kartenmaterial erkannt und die Geschwindigkeit angepasst.

Auf unserer Testfahrt zwischen Zürich und dem Schwarzwald funktionierte das reibungslos. Egal ob auf der Landstraße, innerorts vorm Abbiegen oder bei der Ein- und Ausfahrt in den Kreisverkehr – immer bremste der Helfer das Auto zuverlässig ein. Der Fahrer muss nur noch lenken, wenn der Kurvenradius zu eng wird und ansonsten einen Finger auf dem Touchpad am Lenkrad halten. Das signalisiert dem Auto die vorgeschriebene Aufmerksamkeit.

Die Technik spart auch Sprit, weil das System bei eingestelltem Navi die Betriebsstrategie auf die Streckenführung abstimmt. Audi kann das schon etwas länger. Dass Mercedes es in die S-Klasse bringt, gehört da zum Pflichtprogramm.

Immerhin hat Audi für den A8 sogar schon teilautomatisiertes Fahren Level 3 angekündigt. Das kann die S-Klasse noch nicht, oder: Mercedes erlaubt es nicht. Dass sie es können wird, wenn der A8 hierzulande die Genehmigung erhält, davon kann man ausgehen.

Im Innenraum hat Mercedes nichts Grundsätzliches geändert, das Widescreen-Display wurde etwas hübscher Im Innenraum hat Mercedes nichts Grundsätzliches geändert, das Widescreen-Display wurde etwas hübscher Quelle: Daimler

Mercedes S-Klasse: Kleine Fortschritte im Innenraum

Die S-Klasse bleibt, was sie war: ein komfortables und nobles Auto, ein Flaggschiff eben. Die Luftfederung federt in jeder Variante nahezu alles weg, was sich den Reifen in den Weg legt. Sie rollt geschmeidig ab, geht gut kontrolliert durch zügige Kurven, steuert präzise und fährt sich - mit den großen Motoren - fast leichtfüßig.

Auf Wunsch legt sie sich um bis zu 2,65 Grad in die Kurve (das verringert die Querkräfte auf die Insassen), oder scannt den Straßenbelag per Stereokamera schon im Voraus auf Unebenheiten. Die „Magic Body Control“ stellt die Federbeine dann auf Schlaglöcher oder Wellen ein. Wer das möchte, muss sich allerdings für einen V8-Motor entscheiden.

Im Innenraum wurden kleine Ausreißer wie der unwürdige Plastikrahmen des zweigeteilten Widescreen-Displays ausgemerzt. Die Displays werden nun von einer nahtlosen Scheibe bedeckt. Die Bedienknöpfe am Lenkrad bestehen nun weitgehend aus Metall, das wirkt einen Tick edler. Außerdem integrieren sie die beiden Touchpads, die wir aus der E-Klasse kennen.

Auf Wunsch kühlt, wärmt und massiert die S-Klasse die Insassen, und Sicherheitsassistenz gibt es reichlich an Bord. Leider kostet vieles davon immer noch Aufpreis. Wie übrigens auch die neuen Multibeam-LED-Scheinwerfer, die jetzt noch weiter leuchten. Rund 2.000 Euro verlangt Mercedes für die Lampen mit 84 einzeln steuerbaren LEDs. Wer will, dass seine S-Klasse sofort als „Mopf“ erkennbar ist, muss das bezahlen: Nur die Multibeams kommen mit den drei „Fackeln“. Noch in diesem Monat geht es los.

Technische Daten Mercedes S-Klasse Facelift 2017

  • Modell: Mercedes S 400 d 4Matic
  • Motor: 3,0-Liter-R6-Diesel, Biturbo
  • Leistung: 340 PS (250 kW) b. 3.600-4.400 U/min
  • Drehmoment: 700 Nm b. 1.200-3.200 U/min
  • Getriebe: 9-Gang-Automatik, Allradantrieb
  • Verbrauch: 5,6 l/100 km
  • 0-100 km/h: 5,2 s
  • Geschwindigkeit: 250 km/h
  • Länge: 5,141 m
  • Breite: 1,905 m
  • Höhe: 1,496
  • Radstand: 3,035 m
  • Kofferraum: 510 l
  • Gewicht: 2.060 kg
  • Preis: ab 93.207 Euro
  • Marktstart: Juli 2017
  • Modell: Mercedes S 500 lang
  • Motor: 3,0-l-R6-Benziner, Turbo und Elektroverdichter
  • Leistung: 435 PS (320 kW) b. 5.900-6.100 U/min
  • Drehmoment: 520 Nm b. 1.800-5.500 U/min
  • Getriebe: 9-Gang-Automatik, Hinterradantrieb
  • Verbrauch: 6,6 l/100 km
  • 0-100 km/h: 4,8 s
  • Geschwindigkeit: 250 km/h
  • Länge: 5,271 m
  • Breite: 1,905 m
  • Höhe: 1,496 m
  • Radstand: 3,165 m
  • Kofferraum: 530 l
  • Gewicht: 2.025 kg
  • Preis: ab 105.345 Euro
  • Marktstart: Okt. 2017

Alle Motoren und Preise im Überblick:

  • Diesel
  • S 350 d: 3,0-l-R6-Diesel, 286 PS, 600 Nm, 5,1 l Verbrauch, ab 84.639 Euro (langer Radstand: 87.911)
  • S 350 d 4Matic: 3,0-l-R6-Diesel, 286 PS, 600 Nm, 5,5 l Verbrauch ab 88.447 Euro (91.719 Euro)
  • S 400 d: 3,0-l-R6-Diesel, 340 PS, 700 Nm, 5,2 l Verbrauch, ab 89.399 Euro (92.671 Euro)
  • S 400 d 4Matic: 3,0-l-R6-Diesel, 340 PS, 700 Nm, 5,6 l Verbrauch, ab 93.207 Euro (96.479 Euro)
  • Benziner
  • S 450: 3,0-l-R6-Benziner, 367 PS, 500 Nm, 6,6 l Verbrauch, ab 92.255 Euro (langer Radstand: 95.884)
  • S 450 4Matic: 3,0-l-R6-Benziner, 367 PS, 500 Nm, 6,6 l Verbrauch, ab 96.063 Euro (99.692 Euro)
  • S 500: 3,0-l-R6-Benziner, 435 PS, 520 Nm, 6,6 l Verbrauch, ab 102.560 Euro (105.345 Euro)
  • S 560: 4,0-l-V8-Benziner, 469 PS, 700 Nm, 7,9 l Verbrauch, ab 110.152 Euro (113.187 Euro)
  • S 560 4Matic: 4,0-l-V8-Benziner, 469 PS, 700 Nm, 8,5 l Verbrauch, ab 113.960 Euro (116.995 Euro)
  • S 600: 6,0-l-V12-Benziner, 530 PS, 830 Nm, 11,6 l Verbrauch, ab 165.952 Euro (langer Radstand)
  • AMG S 63 4Matic+: 4,0-l-V8-Benziner, 612 PS, 900 Nm, 8,9 l Verbrauch, ab 160.293 Euro (langer Radstand)
  • AMG S 65: 6,0-l-V12-Benziner, 630 PS, 1.000 Nm, 11,9 l Verbrauch, ab 237.346 Euro (langer Radstand)
  • Maybach S 560: 4,0-l-V8-Benziner, 469 PS, 700 Nm, 8,8 l Verbrauch, ab 139.700 Euro (4Matic: 143.508 Euro)
  • Maybach S 650: 6,0-l-V12-Benziner, 630 PS, 1.000 Nm, 12,7 l Verbrauch, ab 200.569 Euro
Avatar von HeikoMT
151
Hat Dir der Artikel gefallen? 8 von 11 fanden den Artikel lesenswert.
Diesen Artikel teilen:
151 Kommentare: