Zuverlässigkeit von Zeugen

Das vergangene Wochenende haben wir in Leipzig verbracht. Als wir am frühen Abend den Fußgängerüberweg an einer menschenleeren Kreuzung außerhalb des Zentrums gerade überquert hatte, knallte es hinter uns: Ein Autofahrer und eine Radfahrerin waren zusammengestoßen. Außer dem Autofahrer, der Radfahrerin und uns war zunächst keine Menschenseele zu sehen.

Natürlich sind wir sofort zum Unfallort gerannt, haben die am Boden liegende Radfahrerin erstversorgt und die Rettung angerufen. Innerhalb weniger Minuten waren dann auch andere Leute da, die sich ebenfalls um die Radlerin kümmerten und den völlig aufgelösten Autofahrer beruhigten. Kurz darauf waren Rettungswagen und Feuerwehr eingetroffen.

Deutlich später traf die Polizei ein, die sich nach einem ersten Überblick auf die Suche nach Zeugen machte und fragten, wer die Rettungsleitstelle angerufen hat. Ich meldete mich, konnte aber zum Unfallhergang nichts sagen, weil es sich ja hinter mir angespielt hatte. Mehr als verblüfft war ich dann, als mehrere Leute sich meldeten und behaupteten, sie hätten das Geschehen genau beobachtet. Menschen, die teils erst nach vielen Minuten überhaupt erst dort eingetroffen sind, gaben dann ihre Stories zum Besten.

Wie es ausgegangen ist, weiß ich nicht. Geärgert hat mich allerdings, welchen Schwachsinn die angeblichen Zeugen von sich gaben und -das ist jedoch nur eine Vermutung- für eine der Unfallbeteiligten Partei ergriffen haben. Bleibt nur zu hoffen, dass es der Radfahrerin wieder gut geht, der junge Autofahrer seinen Schock gut überstanden hat und die Wahrheit durch die beiden ans Licht kommt.

Was die angeblichen Zeugen angeht: denen wünsche ich drei Wochen lang chronisches Afterjucken und ganz kurze Arme! Vielleicht überlegen die dann mal, was man mit einem solchen Verhalten anderen Menschen antun kann.

56 Antworten

Zitat:

@PeterBH schrieb am 4. Juli 2022 um 13:48:56 Uhr:


@metalhead79 - am Steuer saß der Mann, also wäre seine Frau auch Zeugin, ...

Stimmt

Zitat:

... und spätestens vor Gericht im Zivilrechtsstreit fängt die Wahrheitspflicht auch für den Fahrer an.

Das wäre mir neu.

Gruß Metalhead

Läuft unter versuchtem (oder vollendetem) Prozessbetrug, wenn man als Kläger/Beklagter bewusst wahrheitswidrig vorträgt/vortragen lässt.

So einen "lustigen" Vorgang hatte ich mal - Verkehrsunfall, zwei "Zeugen" im Fahrzeug des Unfallverursachers, dazu der Fahrer. Da konnte ich durch umfangreiche Ermittlungen den Vortrag widerlegen. Gab dann ein Strafverfahren gegen die drei.

Als Zeuge bist du zur Wahrheit verpflichtet, als Beklagter kannst du lügen dass sich die Balken biegen, so mein Kenntnisstand.

Zitat:

@Go}][{esZorN schrieb am 4. Juli 2022 um 17:17:16 Uhr:


Als Zeuge bist du zur Wahrheit verpflichtet, als Beklagter kannst du lügen dass sich die Balken biegen, so mein Kenntnisstand.

So hatte ich das auch im Kopf.

Ob es da evtl. Unterschiede zwischen Zivilprozess und Strafprozess gibt weiß ich aber nicht.

Gruß Metalhead

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Als Angeklagter (Strafverfahren) oder Betroffener (Bußgeldverfahren) kannst du Lügen oder jede Angabe zur Sache verweigern.
Als Beklagter oder Kläger (Zivilverfahren) bist du zum wahrheitsgemäßen Vortrag verpflichtet. Ist allerdings nicht einfach, einer Partei einen vorsätzlichen falschen Sachvertrag nachzuweisen.

Zitat:

@63er-joerg schrieb am 4. Juli 2022 um 14:02:59 Uhr:



Zitat:

@PeterBH schrieb am 4. Juli 2022 um 13:48:56 Uhr:


@63er-joerg - google mal nach "Gay"

😁 Erschreckend 😁

Ich dachte immer, mein Gebiet, meine Stadt/Dorf, meine Umgebung wäre mein Gay. Ich weiß garnicht woher ich das habe.. 😕

Sorry, für OT.
Danke für den Hinweis 😉

Meinst du Gäu?

Zitat:

@therealrob schrieb am 4. Juli 2022 um 21:58:10 Uhr:



Zitat:

@63er-joerg schrieb am 4. Juli 2022 um 14:02:59 Uhr:


Ich dachte immer, mein Gebiet, meine Stadt/Dorf, meine Umgebung wäre mein Gay. Ich weiß garnicht woher ich das habe.. 😕

Sorry, für OT.


Meinst du Gäu?

Ja, genau.
So, oder auch etwas anders geschrieben, wie mir gestern auch über PN mitgeteilt wurde.

Zum Thema:
Was ist denn (wie in meinem Fall) mit dem 2. Insassen.
Spielt da Verwandtschaft und/oder Ehe- Frau/Mann eine Rolle ?

Klar, man braucht den eigenen (was auch immer) nicht belasten, aber eine Geschichte konstruieren ? Sich absprechen und dann bewusst lügen ?

Gruß Jörg.

Zitat:

@63er-joerg schrieb am 5. Juli 2022 um 09:43:53 Uhr:



Was ist denn (wie in meinem Fall) mit dem 2. Insassen.
Spielt da Verwandtschaft und/oder Ehe- Frau/Mann eine Rolle ?

Der Verwandte darf die Aussage verweigern, wenn er befürchtet den Beklagten zu belasten. Lügen darf er aber nicht.

Zitat:

@Uwe Mettmann schrieb am 3. Juli 2022 um 15:46:41 Uhr:


Ich habe geschrieben, nur, wenn ich absolut sicher wäre, dass die Zeugen nichts gesehen hätten, würde ich so eventuell so handeln, also nix mit Unterstellung.

Genau solche Schlussfolgerungen sollte man als Zeuge unterlassen. Der TE hat richtig geschrieben, dass er niemand anders gesehen hat, der es gesehen haben könnte. Daraus schlussfolgerte er aber auch anschließend, dass es niemand gesehen hat. Genau das sollte man unterlassen.

Davon abgesehen kann man auch Zeuge sein, wenn man den Unfall nicht direkt beobachtet hat, sondern erst zwei Sekunden später hingesehen hat. Wo stand das Auto, wo lag das Fahrrad, wo lag die Radfahrerin? Min. mal bei letzterer gehe ich davon aus, dass die Unfallstelle zügig verändert wurde, natürlich berechtigt, weil man sie Erstversorgen musste. Auch wenn direkt gesehen unzweifelhaft wertvoller ist, ist das besser als nichts.

@Tom9973

Ich habe doch geschrieben: „wenn ich absolut sicher wären“

Du nennst nun Beispiele, bei denen diese Sicherheit eben nicht geben ist.

Gruß

Uwe

Der TE kann sich aber nicht sicher sein, dass andere nichts gesehen haben. 😉

Zitat:

@Steven4880 schrieb am 5. Juli 2022 um 12:41:27 Uhr:


Der TE kann sich aber nicht sicher sein, dass andere nichts gesehen haben. 😉

Selbstverständlich nicht.
Allein in einer bewohnten Gegend gibt es durchaus mehrere Möglichkeiten von Zeugen, die nicht am Unfall-/Tatort gewesen sein müssen um was zu sehen, oder es sogar genau gesehen haben.

Gruß Jörg.

Zitat:

@Steven4880 schrieb am 5. Juli 2022 um 12:41:27 Uhr:


Der TE kann sich aber nicht sicher sein, dass andere nichts gesehen haben. 😉

Niemand kann sich sicher sein, dass andere nichts gesehen haben oder was andere gesehen haben (können). Ich amüsiere mich in jeder Gerichtsverhandlung, wenn jemand - insbesondere ein Zeuge oder eine der Parteien - erklärt, was denn jemand gesehen oder gehört haben kann und was nicht.

Und jedesmal wird mir wieder bewusst, dass die Aussage- und Vernehmungslehre wie auch die Psychologie der Zeugenaussage eines der interessantesten, aber leider auch eines der am meisten vernachlässigten Gebiete in der forensischen Praxis ist.

Am schlimmsten sind dabei auch gar nicht die Zeugen, die erkennbar Partei ergreifen oder mit einer gewissen Tendenz aussagen. Die schlimmsten sind die, die Blödsinn verzapfen, sich dessen aber gar nicht bewusst sind. Der berühmte "Knallzeuge" etwa, der haarklein und minutiös einen Unfallhergang schildert, einschließlich seiner Einschätzung der Annäherungsgeschwindigkeiten der beteiligten Fahrzeuge sowie deren Ausweich- und Bremsverhalten. Und der dann auf die (endlich) gestellte Frage, was er denn getan habe, als es genknallt hat, antwortet: Ich habe mit meiner Frau auf dem Balkon die Zeitung gelesen. Aha, und wann haben Sie denn hingeschaut? Na, nachdem es geknallt hat, ist doch klar. Danke, keine weiteren Fragen.

Diese Zeugen sind sich ihrer Aussage und ihrer (vermeintlichen) Wahrnehmung so sicher, dass die üblichen "Lügensignale" des einfacheren Instrumentariums schlicht versagen, eben weil der Zeuge nicht lügt. Der glaubt den Unsinn tatsächlich, den er verzapft, eben weil er sich den so zusammengereimt hat, weil es seiner Vorstellung und nach seiner Kenntnis der Welt nach gar nicht anders gewesen sein kann.

Zitat:

@Uwe Mettmann schrieb am 5. Juli 2022 um 12:31:34 Uhr:


Ich habe doch geschrieben: „wenn ich absolut sicher wären“

Du nennst nun Beispiele, bei denen diese Sicherheit eben nicht geben ist.

Nur kannst du dir weder absolut, noch hinreichend sicher sein. Den Fall gibt es nicht, darum ist es quatsch an eine solche Schlussfolgerung zu denken.

Zitat:

@Blubber-AWD schrieb am 5. Juli 2022 um 12:58:18 Uhr:



Zitat:

@Steven4880 schrieb am 5. Juli 2022 um 12:41:27 Uhr:


Der TE kann sich aber nicht sicher sein, dass andere nichts gesehen haben. 😉

...Der berühmte "Knallzeuge" etwa, der haarklein und minutiös einen Unfallhergang schildert, einschließlich seiner Einschätzung der Annäherungsgeschwindigkeiten der beteiligten Fahrzeuge sowie deren Ausweich- und Bremsverhalten. Und der dann auf die (endlich) gestellte Frage, was er denn getan habe, als es genknallt hat, antwortet: Ich habe mit meiner Frau auf dem Balkon die Zeitung gelesen. Aha, und wann haben Sie denn hingeschaut? Na, nachdem es geknallt hat, ist doch klar. Danke, keine weiteren Fragen.
....

Es ist in solchen Momenten, wie zB eben bei einem Unfall unten an der Straße, eher Zufall es genau zu sehen. Es geht ja sehr schnell, und man muss wirklich in dem Moment eben schauen...

Ein Beispiel, wenn auch anderer Art, ist mir gestern passiert. Gestern abend war Gewitter. Ich stand ab und an an der offenen Balkontür und sah raus, einfach so - ich mag Blitze 😁

Bei einem stehen und sehen sah ich ihn, den Blitz, direkt, ich sah genau im richtigen Augenblick an die richtige Stelle am dunklen Himmel. Punkt genau. Ich ließ ein "wow" raus. Genial.. ..aber könnte ich es noch beschreiben ? Ja klar, ein Blitz... ...aber genauer ? Wieviel Verästelungen ? Drei ? Vier ? Oder mehr ?

Ich weiß es nicht mehr genau.
Genau so verhält es sich da unten beim Unfall.
Wer so wie das zitierte antwortet, der dichtet was dazu, oder denkt, es müsse so gewesen sein - geht ja nicht anders. Klassisch falsch in dem Moment.

Gruß Jörg.

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