Samtschicht auf alten Scheibendichtungen und Gummi kleben

Mercedes E-Klasse W124

Hi,

aus aktuellem Anlass (war mal wieder am Basteln) überlege ich (mal wieder), wie man die Samtschicht auf unseren alten Scheibendichtungen erneuern kann.
Die Fensterheber quietschen im Gummi und mühen sich ab. Manchmal zerlegts sogar die Dichtung... blöd, sowas.
Und ständig Hirschtalg auf die Scheiben und Gummis ist mir zu blöd, ich hasse Schlieren-Ränder. 😁

Ich kriege nämlich die Scheibendichtungen für mein 124er Cabrio nicht mehr neu, also muss eine Lösung her, wenn das Gummi noch brauchbar ist.

Die original-Samtschicht ist nicht ins Gummi eingebracht, sondern mit einer Klebeschicht aufgebracht. Dabei ist diese Klebeschicht, wenn die Textil-Schicht weg ist, oft noch immer vorhanden. Sie ist hart, enorm widerstandsfähig und haftet extrem fest, so dass ich mich frage, was das für ein Zeug ist und wo ich das herkriege 😁

Ich habe außer Gummi-Sekundenkleber nichts gefunden, das vergleichbar stabil ist.
Aber der wird hart und unflexibel.

Ich habe immerhin schon einige Lösungen gefunden, bin aber nicht sicher, ob die dauerhaft halten. Das wird die Zeit zeigen 😁

Die Textilschicht selbst habe ich bisher auf zwei Arten "erzeugt":

1. Schütthaar schwarz. Kein Scherz.
Das ist das Zeug, dass sich Leute in die Haare kippen, um den Haarwuchs "erfolgreicher" aussehen zu lassen... ob da ein Mangel an Selbstbewustsein vorliegt, überlasse ich dem Nutzer 😁
Wie auch immer, es sind winzige Baumwoll-Fasern, es gibt auch welche aus Plastik.
Die kippe ich auf eine frische dünne Kleber-Schicht, drücke sie flächig (z.B.mit einer Alu-Leiste) in den Kleber, kippe nochmal nach und drücke wieder... bis ich eine schöne ebene Textil-Oberfläche habe.

2. Tesa Kabelbaum-Flauschband.
Das gibts als selbstklebendes Zeug in verschiedenen Breiten. Es ist exrem reißfest, hat eine Textiloberfläche und rubbelt sich nicht so schnell ab.
Prima für große Flächen, ist viel einfacher zu verarbeiten als Schütthaar, ist aber minimal dicker und sieht nicht nach Original-Samt aus.
Das klebt nicht fest genug auf Gummi, also muss man auch hier wieder Kleber nehmen, den man vorher auf die Fläche aufträgt.
Entscheidender Vorteil: man kann es am Stück wieder abziehen und erneuern, ohne etwas zu zerstören.
Das wichtigste Argument aus meiner Sicht.

Kleber bisher (habe verschiedene Kleber versucht).

Immer gilt:
Gummi mus sorgfältig sauber sein, vorher unbedingt "porentief" mit Waschbenzin reinigen und anlösen, dann hat man eine optimal klebende Oberfläche.
Und das Textil muss überall fest in den Kleber gepresst werden.

1. Elch Pro P1: noch nicht probiert, aber bestellt, kommt die nächsten Tage.

2. Uhu Kontaktkleber (fester auf Gummi als Pattex, keine Ahnung warum).
Ist prima, Kontaktkleber hält generell ganz gut, ist aber ohne Textil nicht abriebfest.
Man kann die Klebeschicht vom Gummi mit sanfter Gewalt oder Benzin entfernen.
Abriebfestigkeit mittel.
Muss sehr schnell gehen, dünn auftragen und SOFORT das Schütthaar drauf, bevor das antrocknet.

3. Fahrradschlauch-Reparatur-Kleber (angeblich vulkanisierend)
Für Bauwoll-Schütthaar sehr gut, aber etwas schwieriger zu verarbeiten als Kontaktkleber.
Ausgehärtet höhere Abriebfestigkeit als Kontaktkleber.
Auch brauchbar, um das Tesa-Flauschband mit dem Gummi zu verbinden, weil sich das Flauschband minimal damit vollsaugt und damit schön fest auf der angelösten Gummifläche haftet.
Man muss nur aufpassen, dass man nicht zuviel und nicht zu wenig davon nimm.
Nimmt man zuviel, sifft das Zeug durchs Flauschband und dekct das Textil ab, was die Gleit-Eigenschaften verschlechtert.
Nimmt man zu wenig, hälts halt nicht so richtig gut fest.

4. Loctite 4850 (flexibler Sekundenkleber)
Unfassar geniales Zeug. Sehr teuer, aber JEDEN Cent wert!
Man braucht nur winzige Mengen.
Einziger Kleber, der zuverlässig jedes Gummi oder Schaumgummi bombenfest klebt. Egal ob dünn, auf Stoß oder sonstwas.
Hält jahrelang flüssig im Kühlschrank, ohne einzutrocknen.
Ich habe damit alle Dichtungs-Beschädigungen reparieren können, einfach nur klasse.
Das Tollste:
Trocknet zügig (das tun andere Sekundenkleber nicht). Haucht man es an, trocknet es SOFORT (Cyanacrylat härtet ja durch Luftfeuchtigkeit).
Für Sekundenkleber eine unschlagbar gute Handhabbarkeit.
=> Allerdings nicht geeignet für die Beschichtung mit Textil, weil es eine zu harte Oberfläche bildet und damit die Oberfläche bröselig wird. Außerdem kann ich Sekundenkleber nicht flächig verarbeiten 😁

Bisher erfolgreichste Kombis:
a) Flächig (z.B. vorderer Rand der hinteren Seitenscheiben, wo sie sich bei Cabrio und Coupe unter die Vorderscheiben schieben):
Tesa Flauschband mit Fahrradschlauch-Gummikleber.
b) an End- und Engstellen und dort, wo nicht immer "echtes Gummi" vorhanden ist, z.B. den B-Säulen-Abschluss-Fenster-Dichtungen bei Coupe und Cabrio (das Dichtungsgeraffel unter dem Chrom-Deckel): Kontaktkleber mit Schütthaar.

Daher meine generelle Frage:
Welche Erfahrungen für "Samt"-Beschichtung habt Ihr gemacht?
Welche Alternativen könnte es geben (z.B. Stoff)?

Gruß
k-hm

14 Antworten

Also der Prozess „Samt“ nennt sich „Beflockung“. Habe das in den 90ern schon bei Conti (als die noch Dichtgummis gefertigt haben) gesehen. Der Gummi wird zunächst maskiert, also an den Stellen wo keine Beflockung hin soll abgedeckt und dann wird ein wässriger Haftgrund aufgetragen. Anschließend kommen die Teile in eine elektrostatische Kammer und der Gummi wird geerdet. Anschließend werden die elektrisch positiv geladenen Flockteile in den Behälter eingeblasen und sammeln sich schön gleichmäßig auf dem Gummi an den Stellen mit dem wässrigen Kleber. Nach kurzer Wartezeit und etwas Wärme halten die Beflockungspartikel „bombenfest“ auf dem Gummiprofil und das Teil ist fertig und wird entnommen. Welcher „Kleber“ dabei verwendet wird ist mir nicht bekannt; den obigen Prozess kann man aber sicher nur schwer daheim darstellen. Das Flockmaterial sieht „roh“ aus wie die Modellbaustäube für Modelleisenbahnen; der Klackpunkt ist m.E. der gleichmäßige Auftrag. Hoffe das hilft Dir etwas weiter.

Zitat:

@111erBernd schrieb am 27. April 2023 um 11:04:42 Uhr:


Also der Prozess „Samt“ nennt sich Befockung. Habe das in den 90ern schon bei Conti (als die noch Dichtgummis gefertigt haben) gesehen. Der Gummi wird zunächst maskiert, also an den Stellen wo keine Beflockung hin soll abgedeckt und dann wird ein wässriger Haftgrund aufgetragen. Anschließend kommen die Teile in eine elektrostatische Kammer und der Gummi wird geerdet. Anschließend werden die elektrisch positiv geladenen Flockteile in den Behälter eingeblasen und sammeln sich schön gleichmäßig auf dem Gummi an den Stellen mit dem wässrigen Kleber. Nach kurzer Wartezeit und etwas Wärme halten die Beflockungspartikel „bombenfest“ auf dem Gummiprofil und das Teil ist fertig und wird entnommen. Welcher „Kleber“ dabei verwendet wird ist mir nicht bekannt; den obigen Prozess kann man aber sicher nur schwer daheim darstellen. Das Flockmaterial sieht „roh“ aus wie die Modellbaustäube für Modelleisenbahnen; der Klackpunkt ist m.E. der gleichmäßige Auftrag. Hoffe das hilft Dir etwas weiter.

Das ist interessant.
Also vom Prinzip her ähnlich, halt profesionelle Klebetechnik und mittels Elektrostatik aufgetragen.
Klingt ein wenig nach "Flocken = Schütthaar" 😁

Man müste rausfinden, was das für ein Kleber ist 😁

Gruß
k-hm

EDIT:
Das war ein guter Tip!
Das Stichwort lautet "Flockkleber" oder "Beflockungs-Klebstoff".
Da habe ich sofort das hier gefunden:
D-280 flex
Jetzt werde ich neugierig, das Zeug ist bezahlbar.

Zitat:

@111erBernd schrieb am 27. April 2023 um 11:04:42 Uhr:


der Klackpunkt ist m.E. der gleichmäßige Auftrag. Hoffe das hilft Dir etwas weiter.

Der gleichmäßige Auftrag wird dadurch erreicht dass sich das elektrostatisch aufgeladene Beflockungsmaterial (im Prinzip viele Härchen) ausrichtet und in senkrechter Position auf bzw. in die Klebeschicht eingebracht wird, dadurch wird die Beflock "samtig".
Wirft man das Material ohne Aufladung auf den Kleber hat man ein "durcheinander" und das Ergebnis ist nicht so samtig.

Jedenfalls ein sehr interessantes Thema (also alte Dichtungen zu überarbeiten). Danke an k-hm für den Input schonmal.

Guck mal im Modellbau, die beflocken ihre Wiesen und dann am besten verdünnt mit der Lackierpistole auftragen

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Zitat:

@E300TDT schrieb am 27. April 2023 um 11:15:54 Uhr:



Zitat:

@111erBernd schrieb am 27. April 2023 um 11:04:42 Uhr:


der Klackpunkt ist m.E. der gleichmäßige Auftrag. Hoffe das hilft Dir etwas weiter.

Der gleichmäßige Auftrag wird dadurch erreicht dass sich das elektrostatisch aufgeladene Beflockungsmaterial (im Prinzip viele Härchen) ausrichtet und in senkrechter Position auf bzw. in die Klebeschicht eingebracht wird, dadurch wird die Beflock "samtig".
Wirft man das Material ohne Aufladung auf den Kleber hat man ein "durcheinander" und das Ergebnis ist nicht so samtig.

Jedenfalls ein sehr interessantes Thema (also alte Dichtungen zu überarbeiten). Danke an k-hm für den Input schonmal.

Stimmt.
Aber das Aufstellen der Fasern ist vielleicht grarnicht so wichtig, denn ich möchte einfach eine haltbare Textil-Schicht, um die Scheibe oder andere beschichtete Gummis leicht darüber gleiten zu lassen.
Da sind vielleicht liegende Fasern nicht von Nachteil... ?
Man könnte vielleicht auch ein Stück (schwarzen) Stoff oder Taft draufbappen, geht vermutlich alles, Hauptsache Textil.

Oder liege ich falsch?

Gruß
k-hm

Zitat:

@benzodiazepine69 schrieb am 27. April 2023 um 11:18:26 Uhr:


Guck mal im Modellbau, die beflocken ihre Wiesen

Jepp. Gute Idee, da gibts sogar so kleine "Beflockungs-Vorrichtungen" in der Bucht.

Frage ist, ob das Zeug auch hält. Müsste man mal probieren.
Ich meine ... das Modell-Gras ist ja nicht annähernd solchen Abrieb-Belastungen ausgesetzt wie ausgerechnet an den Scheibengummi-Reibflächen.

Mir gehts ja darum, eine richtig feste Texil-Schicht hinzukriegen, damit die Fensterheber trotz stramm sitzender Dichtungen wieder leicht laufen.
Die müssen ja dicht sein 😁

Gruß
k-hm

Zitat:

@E300TDT schrieb am 27. April 2023 um 11:15:54 Uhr:



Zitat:

@111erBernd schrieb am 27. April 2023 um 11:04:42 Uhr:


der Klackpunkt ist m.E. der gleichmäßige Auftrag. Hoffe das hilft Dir etwas weiter.

Der gleichmäßige Auftrag wird dadurch erreicht dass sich das elektrostatisch aufgeladene Beflockungsmaterial (im Prinzip viele Härchen) ausrichtet und in senkrechter Position auf bzw. in die Klebeschicht eingebracht wird, dadurch wird die Beflock "samtig".
Wirft man das Material ohne Aufladung auf den Kleber hat man ein "durcheinander" und das Ergebnis ist nicht so samtig.

Jedenfalls ein sehr interessantes Thema (also alte Dichtungen zu überarbeiten). Danke an k-hm für den Input schonmal.

…das genau meinte ich ja mit „schwierig daheim“, da man die Elektrostatikkabine nicht so einfach in der Garage hat. Und ein „Drauftreufeln“ dürfte eben nicht sehr gleichmäßig sein.

Vielleicht mit der Pistole vom Pulverbeschichten?

Zitat:

@111erBernd schrieb am 27. April 2023 um 11:54:16 Uhr:


…das genau meinte ich ja mit „schwierig daheim“, da man die Elektrostatikkabine nicht so einfach in der Garage hat. Und ein „Drauftreufeln“ dürfte eben nicht sehr gleichmäßig sein.

Ja genau.
Aufrecht stehende Fasern stehen halt dichter und brauchen länger, um abzunutzen.
Nur muss man das halt erstmal hinkriegen.

Vielleicht einfach Schütthaar, den richtigen Kleber und so eine "China-Modellbau-Flock-Vorrichtung" aus der Bucht?

Ich suche halt Ideen, was man da als DIY-Heim-Bastler sonst so für Möglichkeiten hat.
Entweder, wie man das machen kann, oder eben Alternativen (z.B. Stoff).

Ich brauche nicht unbedingt eine "Samt"-Schicht.
Bei mir muss das nur funktionieren (also gleiten und abriebfest sein).
Auf die Schicht selbst achtet sowieso keiner, solange die schwarz ist 😁

Mal angenommen, ich probiere es mal mit Stoff (statt "Samt"😉.
Ich bin nicht sicher, ob Kunststoff- oder Baumwoll-Texil besser ist... was meint Ihr?

Gruß
k-hm

Die Firma Schnier bietet solche Geräte an. Was die Kosten weiß ich nicht.

Www.schnier.de

Erfahrung mit der Beflockung habe ich nicht, aber mit Kleber. Seit den 80ern verwende ich für flexible, starke und dauerhafte Verklebungen von Textilien und Leder Latexmilch, auch bekannt als Gummimilch. Im Prinzip handelt es sich um durch Ammoniak gelöstes und mit Wasser verdünntes Latex, was flexibel ist und nach Trocknung eine durchgehende, stabile, hochflexible und transparente Schicht ergibt. Verklebungen von Stoffen usw. bleiben flexibel und halten bombenfest, der Geruch nach Ammoniak verschwindet vollständig nach Trocknung.

Wenn Du also noch etwas ausprobieren möchtest besorge Dir im Netz genauere Infos und dann eine kleine Menge Latexmilch (für deutlich unter €10 im Netz zu finden) und probiere einfach verschiedene Verdünnungsgrade mit Wasser.

Die Flocken sollten übrigens nicht aus Baumwolle sein, da BW eine natürliche Hohlfaser ist die sich vollsaugt und die Feuchtigkeit wieder an die Luft abgibt. Für Kleidung ist BW ein super Material bez.Handhabung und Feuchteregulierung, aber eine Scheibenddichtung soll das Wasser an keiner Stelle aufnehmen sondern abweisen. Eine BW-schicht wird sich prinzipiell wie ein nasser Lappen verhalten: speichert Feuchtigkeit, Schmutz und Dreck geradezu und fängt irgendwann an zu muffen, daher in jedem Fall Kunstfasern verwenden. Daran perlt Wasser ab und nimmt dabei den Schmutz mit.

https://mbzclassicparts.com/.../...chiene-fensterfuehrung-aa0009852930

Da gibt es vielleicht auch noch andere Artikel, die helfen können.

Zitat:

@dieselanddust schrieb am 28. April 2023 um 11:10:58 Uhr:


Erfahrung mit der Beflockung habe ich nicht, aber mit Kleber. Seit den 80ern verwende ich für flexible, starke und dauerhafte Verklebungen von Textilien und Leder Latexmilch, auch bekannt als Gummimilch. Im Prinzip handelt es sich um durch Ammoniak gelöstes und mit Wasser verdünntes Latex, was flexibel ist und nach Trocknung eine durchgehende, stabile, hochflexible und transparente Schicht ergibt. Verklebungen von Stoffen usw. bleiben flexibel und halten bombenfest, der Geruch nach Ammoniak verschwindet vollständig nach Trocknung.

Und das Latex-Zeug hält auf Gummi?
Ich will ja die vorhandenen Dichtung damit wieder herstellen.

Gruß
k-hm

Ich kenne für flexible Untergründe kein anderes 1-Komponentenprodukt mit solchen Hafteigenschaften, was sich mit einem Pinsel so einfach auftragen lässt. Die Antirutschbeschichtung z.B. von diesen Stoppersocken besteht aus Latexmilch und das Zeug hält Bombe auf den Stoffen. Ich selbst verklebe damit u.a. vollflächig Nesselstoff hinter brüchige Kunst-/Leder- und Stoffbezüge, bleibt elastisch und flexibel.

Trotzdem muss natürlich jeder unbekannte/neue Anwendungsfall einzeln ausprobiert werden. Das Zeug trochnet relativ schnell, ist transparent, billig, schnell verfügbar und einfach zu verarbeiten. Ob dann am Ende alles klappt mit Schichtstärken, Haftung bzw. Ausrichtung der Fasern, Abrieb, Aussehen usw. weisst Du aber erst nach einem Versuch.

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