Erfahrungsbericht eines "Dränglers"

Hallo Leute

Ich möchte hier kurz meinem Frust nachgeben, und meinem Ärger Luft machen. Vielleicht hilft diese Geschichte ja auch bei so mancher Entscheidungsfindung beim Fahren 

Im August letzten Jahres fuhr ich wochentags gegen Mittag auf der A9 Richtung Norden, als plötzlich ein Kleinwagen ohne zu blinken von der mittleren Spur auf die linke Spur wechseln möchte. Das Ganze bei recht wenig Verkehr auf der Straße. Da er mit deutlich geringerer Geschwindigkeit als ich unterwegs war, habe ich stark bremsen müssen. Es war recht knapp, es ist aber nichts passiert zum Glück. Das Fahrzeug hat dann nach einigen Schlenkern zwischen der mittleren und linken Spur dann auch Gas gegeben und ein „Elefantenrennen“ überholt.
Irgendwann danach hat mich dann die Autobahnpolizei angerufen – es läge eine Anzeige gegen mich wegen Nötigung vor. Da die Zeugen das Kennzeichen nicht vollständig erkannt hätten, wäre er im Laufe seiner Ermittlungen (sprich: Anruf bei meinem Vorgesetzten, im Autohaus und wer weiß wo noch) schließlich auf mich verfallen. Ich habe auch brav zugegeben, im fraglichen Zeitraum auf der A9 unterwegs gewesen zu sein – habe aber auch wahrheitsgemäß angegeben, mich nicht an den konkreten Vorfall zu erinnern. Der freundliche Polizist der Autobahnpolizei hat sich mir gegenüber so ausgedrückt als ob die Einstellung des Verfahrens eine reine Formsache wäre.
Im Dezember erhalte ich dann einen Strafbefehl des zuständigen Amtsgerichtes. 2000 Euro Strafe und 1 Monat Fahrverbot. Dagegen habe ich Widerspruch eingelegt. Grundlage für diesen Strafbefehl waren die Zeugenaussagen der Fahrerin bzw. Beifahrerin. Diese haben angegeben, daß ich bei ca. 160 km/h über einen Zeitraum von 10 Sekunden auf ca. 30 cm aufgefahren sei, und außerdem wiederholt die Lichthupe betätigt hätte. Abgesehen davon hätten sie natürlich Angst um Leib und Leben gehabt. Trotzdem hätten sie gesehen wie ich im weiteren Streckenverlauf munter rechts überholt und genötigt hätte.
Während der Verhandlung habe ich den Vorgang aus meiner Erinnerung dargelegt, die natürlich in wesentlichen Punkten abweicht – was beispielsweise die Dauer sowie den Abstand anging. Für mich war das ein ganz normales „Ausbremsen“ wie es jeden Tag vermutlich mehrere hundert mal passiert. Auch habe ich keine Lichthupe gegeben – ich hatte lediglich das Licht an, weil schwarze Autos gerne übersehen werden. Die Zeuginnen haben während der Verhandlung dann ihre offensichtlich abgestimmte Aussage zum Besten gegeben, die aber auch einige Ungereimtheiten aufwies. Diese wurden sowohl vom Richter als auch Staatsanwalt ignoriert. Beispielsweise hat die eine ausgesagt, ich sei „plötzlich“ wild lichthupend hinter ihr aufgetaucht, wohingegen mich die andere bereits von weitem mit Lichthupe gesehen haben will. Dann haben sie während der Fahrt geschwätzt (offensichtlich nicht über mich) – die Frau Staatsanwalt hat das lediglich mit „das hat Sie aber nicht gestört, oder?“ kommentiert. Beide Zeuginnen sind recht jung – beide haben erst 2003 von einem Gymnasium in Bayern ihr Abitur gemacht, das heißt sie dürften so um die 20 Lenze zählen.
Das Gericht hat sich nach der Vernahme eine Verhandlungspause erbeten – während dieser wurde uns informell mitgeteilt, daß bei einem Richterspruch die Verurteilung weitaus härter als im Strafbefehl ausfallen würde, und daß das Fahrverbot „ein Friedensangebot“ sei. Daraufhin habe ich den Einspruch zurückgezogen (auf Anraten zweier Rechtsanwälte), obwohl mich die Zeugen nicht eindeutig wieder erkannt haben, und ich mir keiner Schuld bewusst war/bin. Außerdem hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal Punkte in Flensburg. Ich wollte die Sache schlicht und ergreifend abschließen.
Fazit: ich kann nur jedem empfehlen sich bei dem Chaos und dem Gedränge auf deutschen Straßen sich einmal diesen Vorgang beispielhaft vor Augen zu halten. Trotz des Fehlens jeglicher sachlichen Grundlage (Beispiel: Messung von 30cm Abstand zum Hintermann bei einer bestimmten Geschwindigkeit und 10 Sekunden Dauer der Einwirkung – absolut nicht belegbar) hat hier der Richter zugunsten der Zeuginnen entschieden – und zu Ungunsten eines Fahrers, der jährlich 30tausend KM abspult ohne bisher auffällig gewesen zu sein und bisher keinen Unfall hatte, dafür aber deutlich mehr Fahrpraxis und Lebenserfahrung.
Wie schnell kommt man persönlich in dieselbe Situation. Und da kann es nur heißen: Abstand halten, ruhig bleiben, nicht provozieren lassen.
Zum Abschluß noch die traurige Krönung, daß meine Rechtsschutzversicherung nicht reguliert, weil ja eine vorsätzlich begangene Straftat vorläge. Ich bekomme 5 Punkte in Flensburg – die erst nach 5 Jahren verfallen, weil es sich um eine Straftat handelt. Eine Straftat, die aus meiner Sicht eher ein Delikt darstellt – bremsen, weil einem jemand in die Spur schneit, fällt auch eher unter das Thema Rücksicht und Unfallvermeidung. So dachte ich jedenfalls bisher. Die Realität in der Deutschen Rechtsprechung sieht jedoch so aus, daß die Interessen/Anliegen der vermeintlich schwächeren Verkehrsteilnehmer stärker geschützt werden (ich fuhr damals ein Auto mit 170 PS, die Zeugin eines mit 60 oder so).

114 Antworten

Ja, es gab Anfang der 90er Jahre dazu mal ein BGH-Urteil, das ein wenig in die Richtung ging, ein generelles Tempolimit "durch die Hintertür" einzuführen:

http://www.ra-kotz.de/unabwendereignis.htm

Zum Glück konnten die damailgen Richter (die inzwischen mW nicht mehr im Dienst sind) nicht weiter gehen, als diese "Gefährdungshaftung" bei >130 km/h einzuführen. Inzwischen hat sich der "Zeitgeist" (auch in der Rechtsprechung) gewandelt, vom BGH sind derartige politische Entscheidungen wohl nicht mehr zu erwarten. Die unteren Gerichte beziehen sich aber immer noch auf dieses BGH-Urteil.

Allerdings finde ich diese Regelung, die Überschreitung der Richtgeschwindigkeit verkehrsrechtlich zu erlauben, zivilrechtlich aber ggf. zu berücksichtigen, durchaus praxisnah: Es ist akzeptabel, dass derjenige, der schneller fährt, auch ein größeres Risiko trägt und entsprechend mehr aufpassen muss.

Der Sinn der Richtgeschwindigkeit besteht ansonsten in erster Linie darin, dass ein Autofahrer davon ausgehen kann, dass jede Autobahn, auf der die Geschwindigkeit nicht anderweitig limitiert ist, mit 130 km/h befahren werden kann. (Deshalb ist zB auf der A 81 bei Tauberbischofsheim wegen einiger engerer Kurven auch eine Richtgeschwindigkeit von 120 km/h angeordnet.) Allerdings muss man sehen, dass die RG von 130 km/h noch aus den Zeiten von VW Käfer und Opel Rekord stammt. Die heutigen Autos sind nicht nur schneller, sondern auch sicherer, und deshalb wäre eine Anhebung der RG (auf 150 oder 160 km/h) sinnvoll.

Allerdings wird diese Diskussion bewusst vermieden, um nicht wieder die populistische Forderung nach einem generellen Tempolimit (nach dem Motto: "150 reicht doch eigentlich auch!"😉 aufkommen zu lassen.

So gesehen ist es wohl am besten, wenn alles so bleibt, wie es ist.

Zitat:

Original geschrieben von Ricky2000


Ganz einfach: mit 61km/h darf man auf die Autobahn. Da muss man sich mit 150, 200 oder 250 einfach seiner Verantwortung bewusst sein.

Theoretisch ja, praktisch eher nicht, siehe Urteil zu der Tusse, die mit 60km/h auf der Bahn zusammengeschoben wurde, sie auf Körperverletzung klagte und am Ende 'ne Teilschuld bekam, da man nicht davon ausgehen könne, was langsameres als 'nen LKW vor sich zu haben, sprich 80km/h wären mindestens angemessen gewesen...

Zitat:

Original geschrieben von Stefan Payne


Theoretisch ja, praktisch eher nicht, siehe Urteil zu der Tusse, die mit 60km/h auf der Bahn zusammengeschoben wurde, sie auf Körperverletzung klagte und am Ende 'ne Teilschuld bekam, da man nicht davon ausgehen könne, was langsameres als 'nen LKW vor sich zu haben, sprich 80km/h wären mindestens angemessen gewesen...

Sehe ich auch so!! Ich hätte ein sehr ungutes Gefühl mit 61 km/h auf der Autobahn zu fahren.

Zitat:

Original geschrieben von Apollo777


Sehe ich auch so!! Ich hätte ein sehr ungutes Gefühl mit 61 km/h auf der Autobahn zu fahren.

Außerdem ist es sau gefährlich, zu langsam zu fahren.

Diese Erfahrung machte ich am Wochenende, als ich das etwas eilig hatte und stark bremsen musste, als ich das vor mir fahrende Fahrzeug sah...

Meinereiner ging auch prompt davon aus, das das Fahrzeug etwas langsamer fuhr, also von etwa 60km/h aus (weil das an der Stelle meist so üblich ist).

Aber scheiße war, die alte Dame in dem Fahrzeug fuhr satte 40km/h, teilweise gar 30 über die Brücke...

Das fast doppelt so viel erlaubt war (70), brauch ich wohl nicht zu sagen, oder? 🙂

Ähnliche Themen

Zitat:

Original geschrieben von Stefan Payne


Aber scheiße war, die alte Dame in dem Fahrzeug fuhr satte 40km/h, teilweise gar 30 über die Brücke...

Das fast doppelt so viel erlaubt war (70), brauch ich wohl nicht zu sagen, oder? 🙂

Ich nehme an du meinst 140 km/h bzw. 130 km/h...

Zitat:

Original geschrieben von tos2gl


Ich nehme an du meinst 140 km/h bzw. 130 km/h...

Er spricht wohl grade von einer Bundes oder Landstraße...

Zitat:

Deshalb ist zB auf der A 81 bei Tauberbischofsheim wegen einiger engerer Kurven auch eine Richtgeschwindigkeit von 120 km/h angeordnet

Diese Richtgeschwindigkeit ist nur etwa 2,5 Jahre jung!

Die besagten Kurven kann man locker mit 160 und mehr fahren. Da aber viele Leute das blaue Zeichen mißverstehen, ist das wieder ein 120 durch die Hintertür.

Zitat:

Original geschrieben von tos2gl


Ich nehme an du meinst 140 km/h bzw. 130 km/h...

Nein, ich meinte schon 70 km/h also ~doppelt so viel wie die alte Dame fuhr (30-40).

Davor ist ~2-3km 'unbeschränkt', sprich 100 darf man...

Sprich:

Die alte Dama hat die 'empfohlene Geschwindigkeit' deutlich unterschritten...

Oohaoha!
Ich will ja keinem alten Leut den Führerschein wegnehmen, hoffe nur, daß irgendwann die Selbsteinsicht kommt.

Nehmen wir zur Mitschuld mal ein ganz fieses Beispiel.
Du fährst links oder Mitte, da kommt einer aus der BAB-Einfahrt und zieht stracks hinterm LKW vorbei in Deine Spur mit sagen wir mal 100.
Krieg ich dann auch 'ne Mitschuld?

Der übelste Fall, der mir passiert ist, war der, daß ein LKW mit 80 in die linke Spur (mehr waren nicht da) gegangen ist, um einen PKW (!) reinzulassen.
Ich kam links mit ca. 160 und hatte es rechtzeitig gesehen, aber muß ich auch noch mit solchen Idioten rechnen?

Zitat:

Original geschrieben von Gepard


Oohaoha!
Ich will ja keinem alten Leut den Führerschein wegnehmen, hoffe nur, daß irgendwann die Selbsteinsicht kommt.

Jop, ist schon ein Wunder, das die 'alten Leute' nicht öfter in Unfälle verwickelt werden, vermutlich hat jeder über 60 Jährige 20 Schutzengel und 'die anderen' denken für diese jenen welchen mit...

Manchesmal bemerken sie auch noch rechtzeitig, das doch was im Weg war, wie z.B. letztens als ich links aufn Parkplatz (EDEKA 😁 ) wollte und einer mich zusammenschieben wollte, oder heute gerade wieder 2x -> einer nimmt mir (fast schon brutal) die Vorfahrt, der andere schneidet Kurve und fährt fast in mich rein (letzteres passiert da aber öfter, weswegen ich damit schon gerechnet hab, leider...
Ev. sollt ich mal bei der Rennleitung vorsprechen und die mal drauf hinweisen, das die Ecke da äußerst heikel ist, ev. blitzen sie dann ja ein bis 2x weniger)...

Achso, das da 'ne durchgezogene ist, brauch ich sicher nicht erwähnen, oder?!

Wieso, sind E-Märkte besonders gefährlich 😁 😁

Zitat:

Original geschrieben von Gepard


Ich kam links mit ca. 160 und hatte es rechtzeitig gesehen, aber muß ich auch noch mit solchen Idioten rechnen?

Ja, mußt du.

Das erschreckende ist eigentlich immer, dass der vorfahrende der Meinung ist, er wäre im Recht, weil er war zuerst da.

Ich hatte auch am Pfingstwochenende ne längere Tour und hatte mir nen 525d geliehen. Bin natürlich entsprechend bei unbegrenzt 200-250 gefahren. Aber was da abgeht wenn man dann nen "großen" Mercedes, Audi, ... vor sich hat. Alle fühlten sich scheinbar in Ihrer Ehre gekränkt und bremsten mich aus, ließen mich nicht vorbei obwohl rechts frei war, oder zeigten mir nen Vogel und ähnliches Zeugs. Ich bin da kein Drängler oder Blinker, aber es nervt, wenn man kurz die Lichthupe antippt und der Vordermann "abwinkt" und bleibt.

Rechts überholen kommt für mich natürlich nicht in Frage.

Gott78

Tjo, nur leider wussten diese alle nicht, das sie für das, was sie mit dir taten, mal 'nen Monat bis mehrere Fußgänger sein dürften, wenn du 'nen Kamerawagen der Grünen Männlein gewesen wärest...

(naja, ok, nur wenn sie auch rüberziehen, wenn du rechts vorbei möchtest, sonst sinds 'AFAIR' nur 40€ + 1 Punkt)...

Am besten sollte die Regierung einen 'Fahrer TÜV' einführen, bei dem der Hauptbestandteil das durchnehmen des Bußgeldkataloges ist sowie erlernen neuer Regeln (z.B. der Grüne Pfeil, den man damals, 1990 von den 'Ossis' übernommen hat).

Wobei wir ein paar mehr (Verkehrs) Regeln der DDR hätten übernehmen sollen, z.B. das vorlassen an AUffahrten durch Spurwechsel, was in der DDR verboten war, da es zu recht schweren Unfällen kam...

Zitat:

Original geschrieben von Stefan Payne


Wobei wir ein paar mehr (Verkehrs) Regeln der DDR hätten übernehmen sollen, z.B. das vorlassen an AUffahrten durch Spurwechsel, was in der DDR verboten war, da es zu recht schweren Unfällen kam...

Das ist auch bei uns verboten...

Der Auffahrende Wagen darf erst einscheren wenn der Vrkehr auf der Rechten Fahrspur dies zulässt.

Da muss niemand platz machen...

Zitat:

Original geschrieben von Pirke


Das ist auch bei uns verboten...
Der Auffahrende Wagen darf erst einscheren wenn der Vrkehr auf der Rechten Fahrspur dies zulässt.
Da muss niemand platz machen...

EBen das Platzmachen durch Spurwechsel war da verboten 😉

PS: mach mal an 'ner Autobahnauffahrt keinen Platz, wetten, das du 'nen neues Auto brauchst?! 🙁

Deine Antwort
Ähnliche Themen