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Sun Aug 30 10:30:21 CEST 2015    |    cookie.666    |    Kommentare (17)

Vectra OPC (Copyright ADAM OPEL AG)Vectra OPC (Copyright ADAM OPEL AG)

In meiner Jugend war ein Auto, das in unter 10 Sekunden auf 100km/h stürmen konnte und 200km/h Spitze schaffte schon ein Sportwagen.

Heute schafft das fast jeder drösselige Familiendiesel. Sportwagenwerte sind heute in irgendwas um die 5 Sekunden auf 100 und Höchstgeschwindigkeiten Richtung 300. 10 Sekunden und 200 kann heute eigentlich jeder haben. Zu Glück hat sich die Technik so weit entwickelt um dabei eventuell fehlendes Talent des Lenkers zu kompensieren. Oder anders gesagt, wo früher ein Könner am Volant vonnöten war, sitzt heute Meister Elektronik in einem kleinen Kästchen und sorgt dafür dass Vatti auf Tour mit Mutti und die Kleinen seinen überzüchteten Sportkombi nicht an die Latte nagelt. Schöne neue Welt also.

Aber wie kommt es zu diesen mehr oder minder tiefsinnigen Gedanken? Ich bekam diese Woche ein sehr verlockendes Angebot, meinen 10 Jahre alten Stufenheck-Vectra mit Schnarch-dich-tot-Motor gegen einen ebenso alten OPC mit weniger Kilometern zu tauschen. Am Ende ein Nullgeschäft also, da man das Stufenheck ja für fast ähnliches Geld wieder loswerden könnte. Der Haken dabei? Ein paar kleinere Schäden am OPC Kleid. Geschenkt, wären einfach zu beheben gewesen und die Kosten würden unter Spesen laufen. Ein Narr also, wer da nicht zuschlagen würde!

Trotzdem, tagelang hab ich gegrübelt, die Freundin genervt, mit mir selbst hin und her debattiert, Versicherungsangebote eingeholt, Kosten verglichen. Und war wirklich erstaunt. Außer bei Spritkosten wäre der OPC kaum teurer im Unterhalt als meiner jetzt. Trotzdem, immer wenn ich zum Telefon greifen und eine Probefahrt vereinbaren wollte, hämmerte mir da eine Stimme durch den Kopf und fragte so Sachen wie:

 

WOZU BITTE BRAUCHST DU EIN AUTO MIT 280PS???

 

Ja, wozu braucht man das eigentlich? Also insbesondere ich jetzt. Okay, es macht einfach Spaß, wenn man mal ordentlich Gas geben kann! Und dann auch mal was passiert. Also mehr passiert, als dass die Verbrauchsanzeige astronomische Werte annimmt, während man irgendwie betulich schneller wird. Dann geht’s ab, und zwar ordentlich. Japp! Und außerdem nervt es, dass jeder blöde Diesel- Kleinwagen und Downsizing-Turbo-SUV meint, er müsse sich Duelle auf der Autobahn liefern, wenn man sie überholt, weil sie bis eben mit 100 über die Bahn geschlichen sind. Gründe genug! Also, Telefon her!

 

WO BITTE WILLST DU DENN IN DEUTSCHLAND GAS GEBEN?

 

Öhm, na überall halt. Deutschland – Land der Autofahrer. Stadt, Land, Autobahn. Stopp! Ja okay, in der Stadt? Von der Ampel und dann bis 50? Bin ich ein pubertierender Vollproll? Muss ich mich mit dem Leistungsvermögen meines fahrbaren Untersatzes profilieren, wie all die andern Vollprolls, in ihren 3ern, GTis und was weiß ich nicht? Nee, wirklich nicht! Also, Landstraße. Im Thüringer Wald wär das schon was. Die gewunden Bergstraßen langheizen. Na klar. Endlich nicht mehr den Motor quälen müssen um halbwegs voran zu kommen.

 

DU WOHNST ABER NICHT MEHR IN THÜRINGEN!

 

Na aber ich fahr ab und an noch hin. Und dann lange Strecken über die Autobahn. Da wär die Leistung doch tauglich. Kann man auch mal mit 200 zügig heimsemmeln.

 

DAS KÖNNTEST DU JETZT AUCH SCHON, DOCH DA FÄHRSTE MEIST NUR 130 – WENN ÜBERHAUPT.

 

Okay, das Argument schlägt. Hier in Sachsen fahren so viele – man entschuldige – frustierte Pappis im TDI und unaufmerksame Muttis im Minivan unkoordiniert auf der Bahn rum, da sind 200 nur dann ratsam, wenn man sonst nichts mehr vom Leben erwartet. In Bayern war das irgendwie anders – da hat Autofahren Spaß gemacht. Die anderen Fahrer waren berechenbar – wollten auch nur schnell ans Ziel kommen. In Sachsen hat man das Gefühl Slalom um unberechenbare Idio…. fahren zu müssen. Klar, nicht alle blöd, aber die Quantität und Qualität der ‚Fahrkünstler‘ hier ist echt erschreckend. Spurwechsel von links nach rechts nach links nach rechts ohne zu blinken? Standard. Völlig grundlose harte Bremsmanöver auf der Mittelspur einer leeren Autobahn? Alltag. Ausparken ohne auf den Verkehr zu achten? Gibt’s nicht anders. Ignorieren von roten Ampeln? Aber hallo, wer hat denn so viel Zeit an jeder roten Ampel anzuhalten? Keine Fahrt bei der man nicht in einen Beinahe-Unfall verwickelt ist. Manchmal frage ich mich, liegt‘s an mir? Kann ja nicht sein, dass so viele nicht gescheit fahren können. Da bekommt man schnell starke Selbstzweifel. Also frage ich meine Beifahrer, wenn vorhanden. Die dann aber immer bestätigen, dass es doch an den anderen liegt. Also lieber weiter hochgradig defensiv fahren.

 

NA ALSO, WOZU DANN EINEN OPC?

 

Na, weil… Menno,halt weil ein OPC einfach Kult ist. Und wenn man ihn ordentlich pflegt, dann…

 

…DANN FÄHRT ER BALD IN POLEN ODER TSCHECHIEN.

 

Ja, okay. Wir wohnen direkt an der A17. Keine halbe Stunde bis Tschechien. Kaum länger nach Polen. Geklaut wird hier alles was nicht niet- und nagelfest ist. Und selbst wenn es das ist, wird es trotzdem geklaut. Wie meine Nummernschilder letztes Jahr. Hätte da ein OPC an den Nummernschildern gehangen, wäre der wohl auch mit weg gewesen. So war‘s halt bloß ein lumpiger Vectra – lohnt nicht, gibt’s billig – selbst im östlichen Anrainer.

Also, nun das Ende vom Lied? Nennt mich Narr! Kein OPC. Irgendwann werd ich mich deswegen grün ärgern. Aber wieso eigentlich? Scheiß doch auf Sport, Scheiß auf überbordende Leistung – versteht doch eh keiner, warum heute alles „sportlich“ sein muss. Eine 1,6 Tonnen Limousine mit Frontantrieb wird nie, wirklich nie und nimmer, ein sportliches Auto sein. Also gepfiffen auf das ganze Pseudo-Sport-Gedöhns. Wenn man ehrlich ist, braucht das eigentlich keine Sau. Ich freu mich dann über das butterweiche Rentnerfahrwerk, wenn ich das nächste Mal über üble thüringische Landstraßen poltere. Mit chilligen 100km/h auf der Graden. Und ganz langsam durch die Kurven, weil sonst der Freundin schlecht wird. Dafür reicht auch die Zero-Performance-Maschine dicke.

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