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Zwei Rennboxer im Generationen-Vergleich

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Der Porsche Carrera RSR beendete sein Renndebüt in Daytona 1973 mit einem Sieg. Fast vier Jahrzehnte später gilt der aktuelle RSR auf Basis des Porsche 911 GT3 als erfolgreichster GT-Rennwagen. In der Lausitz trafen sich die beiden Rennboxer zum Generationen-Vergleich.

Der Porsche 911 GT3 RSR wärmt bei sieben Grad Außentemperatur die Box des Eurospeedway Lausitz. Nach seinen ersten Proberunden bei Nieselregen sorgt der beruhigend vor sich hin knisternde Sportler für Heimeligkeit und Wohlbehagen in der Garage.

Plötzlich ist vor dem Boxentor die Hölle los. Grobe Klangfetzen schmettern durchs weite Oval. Ausgelöst von sechs glanzvollen, offenen Trichtern, die gierig und pulsierend Ansaugluft in sich schlürfen. Zwei Flachschiebervergaser sorgen für ein explosives Gemisch. Armdicke Endrohre spucken Halbverbranntes ins Freie, garnieren das Spekakel mit scharf züngelnden Flammen. Der Ur-Porsche 911 RSR brüllt sich warm, wild und rau.

Porsche 911 GTR RSR führt glorreiche Historie fort

Wie damals zum siegreichen Debüt in Daytona 1973, wo der erste Porsche 911 RSR den Grundstein für ein Kürzel legte, das noch immer als Qualitätssiegel für jene Porsche gilt, die den Langstreckensport dominieren. Der aktuelle Porsche 911 GT3 RSR führt die glorreiche Historie fort, als erfolgreichster GT-Rennwagen weltweit. Seit 2007 führt der Sieg in der GT2-Kategorie in Le Mans, Spa oder am Nürburgring über ihn, der mit reichlich 450 PS aus vier Liter Hubraum in die Schlachten zog.

Unter dem kecken Bürzel des Ur-Porsche 911 RSR boxen immerhin 330 luftgekühlte PS aus vergleichsweise spärlichen drei Liter Hubraum und schieben schlanke 900 Kilogramm vor sich her. Ein PS schultert 2,7 Kilo, was Generationen später dem Leistungsgewicht des Urenkels entspricht, der laut FIA-Reglement 1.245 Kilogramm auf die Waage zu bringen hat.

Wilder Ritt im Ur-Porsche 911 RSR

Der Senior wäre nun warmgerasselt. Also Platz nehmen in einer kargen, kleinen, mit Stoff überspannten Nussschale, die ausschließlich die Hüftknochen, nicht aber die Schultern gegen Fliehkräfte stützt. Angesichts des unrunden Leerlaufs zittert die Drehzahlmessernadel wie Espenlaub. Der Oldie stottert und hüstelt durch die Boxengasse, als wäre der Pitspeed-Limiter 1973 schon in Mode gewesen. Gas nimmt er nur widerwillig an, sprotzt und röchelt angesichts dieser ekelhaft niedrigen Drehzahl.

Beim Fahrer keimt die Frage, ob die Jahre derart deutliche Spuren hinterlassen haben. Von wegen: Alter schützt vor Drehzahl nicht. Ab 3.000 Touren wird es im alten Porsche 911 RSR wüst. Der Boxer kommt auf Touren wie nach zwei Flaschen Doppelherz auf Ex, dreht derart entschlossen hoch, als wolle er seine zwölf Ventile allesamt aus den Alu-Köpfen schießen. 8.000 Touren und kein bisschen greise.

Geschaltet wird erst, wenn die Nadel fast senkrecht zittert. Die Führung des langen Schaltstocks wirkt so schwammig ein Kochlöffel im Hefeteig. Ein Porsche 911 RSR verlangt viel Gefühl, sonst sind im Fünfgang-Getriebe die Dritten fällig. Zwischengas gilt beim Runterschalten als ungeschriebenes Gesetz, um bedingt durch das Schleppmoment des Boxermotors nicht mit dem Bürzel voraus in die Kurve zu hechten.

Der feine Grat zwischen Unter- und Übersteuern wirkt so schmal wie der Lenkradkranz des Porsche 911 RSR Die Grenze zwischen überraschend guter Verzögerung und stocksteif stehenden Rädern verschwimmt flugs im fröstelnden Nass der Lausitz. Der Alte ist nicht ohne, trennt beim wilden Ritt die fahrerische Spreu vom Weizen.

Moderne Rennsporttechnik im aktuellen Porsche 911 RSR

Beim aktuellen Porsche 911 RSR stellt sich die erste Hürde bereits beim Einstieg. Wer sich zwischen Bügelkreuz und fest umfassender Sitzschale schon nicht richtig durchschlängelt, braucht sich um das reichhaltige Angebot an Knöpfen und Drehreglern im Cockpit erst gar keine Gedanken zu machen. Ist der Pilot fest mit dem amtierenden GT2-Sieger von Le Mans verzurrt, legt dieser dann beste Umgangsformen an den Tag - die grimmig zuschnappende Carbon-Kupplung ausgenommen.

Nach dem gefühlvollen Einkuppeln schnurrt er jedoch gepflegt los, sprotzelt elektronisch geregelt mit 60 km/h durch die Boxengasse. Spontan und gleichförmig nimmt der Vierliter-Treibsatz Gas an. Fahrbarkeit ist bei 24-Stunden-Rennen ein hohes Gut. Der jüngste RSR hat viel davon. Der durch die zwei 28,6 Millimeter kleinen Restriktoren saugende Vierventiler ist ein technisches Gedicht. Keiner, der sich divenhaft bitten lässt.

Der Porsche 911 RSR bietet ein breites Leistungsspektrum, schraubt sich hemmungslos bis auf 9.400 Umdrehungen hoch. Erst dann blinzeln die Schaltlampen am zentralen Display. Ein kurzer Zug am massiven Schaltstock genügt, dann singt das Getriebe eine Oktave höher, konkurriert mit dem fiesen Sägen im Heck. Hinter der Flügeltheke kommt Gischt auf, während der GT3 RSR spurstabil wie ein D-Zug über Start und Ziel donnert; im gestreckten Galopp vorbei an den Bremspunkten des Oldies.

Auch der Neue Porsche 911 RSR verlangt nach Zwischengas

Auch wenn das GT2-Reglement ein ABS verbietet, verzögert der Neue bei Nässe fast wie der Alte bei Trockenheit. Verlässlich künden im Display zwei Lämpchen von der späten Bedrohung eines eventuell blockierenden Vorderrads. Sensibilität im Fuß ist aber auch nach 38 Jahren noch beim Porsche 911 RSR gefragt: vor allem beim Runterschalten mit Zwischengas - der Grund und die Folgen sind geblieben.

Dafür gilt der Einlenkpunkt nun als Ausgangspunkt höchster Präzision. Der kleinsten Lenkbewegung folgt der Hecktriebler absolut unbeirrbar. Gerade so, als hätten sich auch die fahrdynamischen Gepflogenheiten im Laufe der Zeit von analog in digital gewandelt. Was die Traktion betrifft, ist dem so: Denn die zwölfstufige Traktionskontrolle hält die 450 Pferde des Porsche 911 GT3 RSR auf feuchtem Asphalt beeindruckend feinfühlig im Zaum, dosiert die Kraft elektronisch und sorgt somit bei widrigsten Bedingungen für einen herzerwärmenden Grip aus dem engsten Eck.

 

 

 

Quelle: Auto Motor und Sport

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