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Mercedes S-Klasse Cabrio (A217): Test, technische Daten, Preise - Platzmangel mitten im Überfluss

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Fast 45 Jahre lang hatte Daimler keine offene S-Klasse im Angebot. Jetzt gibt es wieder eine. Erste Fahrt in einem Auto für jene, denen ein Mercedes SL zu sinnvoll ist.

Nizza – Es weht ein eisiger Wind, ganz oben an der Spitze. Es ist der Fahrtwind, und die „Spitze“ ist das S-Klasse Cabrio. Der erste offene Luxus-Daimler seit 1971. Zuletzt lief damals der 280 SE 3.5 mit V8-Motor vom Band, weitgehend von Hand gefertigt und entsprechend teuer. Ein V8 muss es auch jetzt wieder sein, entweder als S 500 oder als AMG-Version S 63. Und ab Mai gibt es den S 65 mit V12. Damals wie heute gilt: Wer S-Klasse Cabrio fährt, ist aus dem Gröbsten raus. Meistens auch aus dem Berufsleben.

Es ist kein übler Alterssitz, dieses S-Cabrio. Feine Ledersitze massieren, wärmen oder kühlen Fahrer und Beifahrer. Der Blick wandert über das mit edlem, hier rotem, Leder bezogene Armaturenbrett, bleibt hängen an den runden Lüftungsdüsen. Das feine Klicken beim Drehen und Kippen der Gitter klingt teuer. Und dann das: Der virtuelle Instrumententräger und der LCD-Bildschirm daneben sind eingebettet in einen unwürdigen Plastikrahmen. Das fällt noch mehr auf, seit es die E-Klasse gibt, wo beide Bildschirme wie einer wirken.

Das Verdeck des Mercedes S-Klasse Cabrio ist in gut 20 Sekunden geöffnet oder geschlossen Das Verdeck des Mercedes S-Klasse Cabrio ist in gut 20 Sekunden geöffnet oder geschlossen Quelle: Daimler

Windstille herrscht zum Glück nie im S-Klasse Cabrio

Und es zieht wirklich ganz schön in diesem Auto. Der Innenraum des Cabrios hat grob geschätzt die Größe eines kompletten Smart Forfour. Sowas lässt sich schwer abdichten. Nur mit einem Verdeck, dessen Größe an die letzte Gartenparty erinnert. Das S-Klasse-Verdeck sieht allerdings besser aus als das Partyzelt. Es besteht aus drei Lagen, und wenn es geschlossen ist, breitet sich angenehme Ruhe aus.

Aber wer will das schon. Der Mehrwert des Cabrios liegt in der Ausgesetztheit. Vor allem im Vergleich zum Coupé, das die Insassen in Isolationshaft nimmt. Also: Fenster rauf und Windschott ausgefahren – was etwas umständlich ist, weil der Schalter dafür unter der großen Klappe im Mittelfach steckt. Nackenföhn (auch bekannt als Airscarf) an und Sitzheizung auf volle Pulle. Und man ist bereit für die große Reise, auch wenn totale Windstille und richtig mollige Wärme unerreichbar bleiben. Die Kehrseite des Überflusses.

Die gute Seite: Der 5,5-Liter-V8 mit 585 PS und 900 Newtonmetern Drehmoment im Mercedes-AMG S 63. Der schiebt die fast 2,2 Tonnen mühelos vorwärts. In 3,9 Sekunden sind 100 km/h erreicht. Das ist toll, aber so richtig springt der Funke nicht über. Der V8 bollert im Sportmodus zwar präsent, bleibt aber zivil. Lenkung, Federung, Ansprechverhalten – all das fühlt sich indirekt an. Sehr Mercedes, aber nicht wirklich sportlich.

Wenn die Temperaturen am Abend fallen, kann es im Mercedes S-Klasse Cabrio recht kühl werden Wenn die Temperaturen am Abend fallen, kann es im Mercedes S-Klasse Cabrio recht kühl werden Quelle: Daimler

Das S 63 Cabrio kostet mindestens 187.500 Euro

In Kurven lässt sich das Schiff erstaunlich mühelos halsen und wenden. Aber die 2,2 Tonnen bleiben stets präsent, wie die gut fünf Meter Länge und die mehr als 1,90 Meter Breite ohne Außenspiegel. Ganz schön viel Blech, das es für knapp 187.500 Euro gibt. Von denen man sich fast 50.000 Euro sparen kann, falls es denn eine Rolle spielen sollte. Für gut 139.000 Euro bekommt man nämlich den S 500 mit 4,7-Liter-V8, 455 PS und 700 Newtonmetern. Reicht komplett aus und passt besser zum Charakter des S-Cabrio.

Nicht, dass der S 63 bockhart wäre, aber beim S 500 ist die serienmäßige Luftfederung Airmatic deutlich komfortabler abgestimmt. Kantstein-Kontakt der wertvollen Spoilerlippe vermeidet man zur Not, indem man die Karosserie um 40 Milllimeter anhebt. Das spritsparende Absenken um 10 Millimeter erledigt die Airmatic automatisch. Die vielen Assistenten erledigen ohnehin Vieles ohne Fahrer. Auf dem Stand der E-Klasse ist das S-Cabrio aber nicht: Überholen muss man noch selbst.

Maximal 350 Liter Gepäck passen ins Heck des S-Cabrios

Die Beinfreiheit fällt auf den Rücksitzen des Mercedes S-Klasse Cabrio nicht unbedingt üppig aus Die Beinfreiheit fällt auf den Rücksitzen des Mercedes S-Klasse Cabrio nicht unbedingt üppig aus Quelle: Daimler Man will eh nicht rasen im S-Klasse Cabrio, man will verreisen. Aber nicht zu weit. Das nötige Gepäck steckt der Kofferraum nicht weg. Bis zu 350 Liter passen bei geschlossenem Verdeck hinein, bei offenem Dach sind es 250 Liter, aber man muss auf die flachen Louis Vuittons zurückgreifen. Kleidersack und Dufflebag für ihn und die kleine Sirius für sie vielleicht. Viel passt nicht unter den automatisch in den Kofferraum klappenden Verdeckkasten.

Egal. Wer praktisch denken muss, ist mit dem S-Klasse-Cabrio falsch. Selbst ein SL kann mehr einladen, schützt besser vor dem Fahrtwind – und macht mehr Spaß. Was das S-Klasse-Cabrio bietet, spielt sich eher auf der virtuellen Ebene ab. Prestige, Erhabenheit, Sorglosigkeit. Die zwei Plätze hinten für kleine oder leidensfähige Menschen nutzt man besser fürs Zusatzgepäck. Dann runter mit dem Verdeck und ab nach Monaco, Malibu oder Marbella. Dorthin, wo man Überfluss und Überflüssiges zu schätzen weiß.

Technische Daten Mercedes-AMG S 63 Cabrio 4Matic

  • Motor: 5,5-Liter-Biturbo-V8
  • Antrieb: 7-Gang-Automatik, Allradantrieb
  • Leistung: 585 PS bei 5.500 U/min
  • Drehmoment: 900 Nm bei 2.250-3.750 U/min
  • Verbrauch laut NEFZ: 10,4 l/100 km
  • 0 – 100 km/h: 3,9 s
  • Leergewicht (EU): 2.185 kg
  • Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
  • Länge: 5,044 m
  • Breite: 1,913 m
  • Höhe: 1,428 m
  • Radstand: 2,945 m
  • Kofferraum: 250 l (offen) bis 350 l (geschlossen)
  • Preis: ab 187.485 Euro

Technische Daten Mercedes S 500 Cabrio

  • Motor: 4,7-Liter-Biturbo-V8
  • Antrieb: 9-Gang-Automatik, Hinterradantrieb
  • Leistung: 455 PS bei 5.250-5.500 U/min
  • Drehmoment: 700 Nm bei 1.800-3.500 U/min
  • Verbrauch laut NEFZ: 8,5 l/100 km
  • 0 – 100 km/h: 4,6 s
  • Leergewicht (EU): 2.115 kg
  • Höchstgeschwindigkeit: 250 km/h
  • Länge: 5,027 m
  • Breite: 1,899 m
  • Höhe: 1,417 m
  • Radstand: 2,945 m
  • Kofferraum: 250 l (offen) bis 350 l (geschlossen)
  • Preis: ab 139.052 Euro
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