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Mercedes V-Klasse: Fahrbericht - Mercedes verordnet dieser Kiste Sex-Appeal

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Neuer Name, neues Glück. Die Mercedes V-Klasse will kein Nutzfahrzeug sein. Deshalb heißt sie nicht mehr Viano und trägt eine Front in Pkw-Manier. Ein Fahrbericht.

Sylt - Wer bei uns an einen Bulli denkt, hat einen von VW im Kopf. Der T5 ist Vatis Liebling. Zumindest wenn es um Komfort und viel Platz geht. Mercedes nervt das schon lange. Mit dem Viano konnten die Stuttgarter einfach nicht mithalten – die Verarbeitung war mau und die Qualität lau. Jetzt soll es die V-Klasse richten.

Mit dem neuen Namen ändern die Schwaben auch ihre Strategie: Statt Variabilität stehen Qualität und Sicherheit im Mittelpunkt. Die V-Klasse ist mehr Van als Bus. Komfort und Verarbeitung liegen auf Limousinen-Niveau, weshalb Mercedes auch gerne von einer „Großraumlimousine“ spricht.

Schluss mit Nutzfahrzeug

Aus diesem Grund will die V-Klasse vor allem mit dem Nutzfahrzeug-Image Schluss machen. Nicht nur bei der besseren Verarbeitung und Qualität, sondern auch beim Design. „Ein funktionales Auto muss nicht hässlich sein“, sagt Volker Mornhinweg, Leiter der Mercedes-Van-Sparte. „Wir haben viel Herzblut und viel Hirnschmalz investiert.“

Die V-Klasse orientiert sich deshalb an den Pkw der Marke, mit der typischen Front, den in die Flanken gezogenen Scheinwerfern und den markanten Sicken an der Seite. Designer Kai Sieber fragt sich: „Wie bekomme ich Sex-Appeal in die Kiste?“ Er meint das nicht despektierlich, sondern umschreibt die schwierige Aufgabe, einem kastenförmigen Auto ein paar Emotionen einzuhauchen.

Ein wenig C-Klasse im Innenraum

Dazu ist der Mercedes im Innenraum moderner geworden. Das Cockpit hat leichte Schwünge und wirkt weniger wuchtig. Aus der C-Klasse stammt die zentrale Bedieneinheit in der Mittelkonsole, der Monitor der A-Klasse misst 17,8 Zentimeter (optional 21,3 Zentimeter).

Der Wählhebel für die optional erhältliche Siebengang-Automatik (Serie: manuelle Sechsgang-Schaltung) liegt Mercedes-typisch hinterm Lenkrad. Die Mittelkonsole bleibt für das Touchpad mit Drehregler frei. Der liegt gut in der Hand und macht die Menüführung für Navi, Radio und Fahrzeugkontrolle einfach, ist allerdings erst ab Ausstattung Audio 20 CD oder Command Online zu haben.

Bis zu elf Assistenzsysteme sind an Bord, davon allerdings nur zwei serienmäßig: Aufmerksamkeitskontrolle und Seitenwindausgleich. Die übrigen neun wie Spurhalten, Verkehrszeichenerkennung, 360-Grad-Kamera, Park-Assistent, aktive Abstandsregelung und ein intelligentes Lichtsystem mit Kurvenlicht, Abbiegelicht und Fernlichtassistent können dazu gebucht werden. Wie bei der S-Klasse kann der Van zugunsten von LED auf alle Glühbirnen im Fahrzeug verzichten. Das ist zwar nicht lebensrettend, aber bei den Vans eine Innovation.

Parken auf Knopfdruck

Ähnlich wie die Lenkung. Sie ist elektromechanisch, senkt ein bisschen den Kraftstoffverbrauch und hilft vor allem in der Stadt. Denn erstmals kann ein Van dieser Klasse selbstständig einparken. Bei zwei unterschiedlichen Radständen und drei Längen zwischen 4,89 und 5,37 Metern hilft das schon mal. Dafür scannt der Benz mittels zwölf Ultraschallsensoren bis 30 km/h Parklücken.

Findet das System eine, die mindestens einen Meter länger ist als das Fahrzeug, zeigt es den freien Platz im Armaturenbrett ein. Dann einfach die Okay-Taste am Lenkrad drücken und die Trumm fährt und lenkt selbstständig in die Lücke, egal ob längs oder quer.

Aber auch während der Fahrt spielt das System seine Vorteile aus. Die Lenkung arbeitet direkt, präzise und bügelt einige Vibrationen einfach aus. Ruhig und souverän lässt sich die V-Klasse selbst bei Autobahntempo steuern.

Angenehm dabei: Durch die neue Abkoppelung der Achsen, den besseren Luftwiderstandsbeiwert von 0,31 und einer dichteren Dämmung ist der Geräuschpegel um zwei dBA niedriger als beim Vorgänger – und der war trotz seiner Qualitätsmängel keine klappernde Blechtrommel.

Vorerst kein Sechszylinder

Auch die drei 2,1-Liter-Dieselmotoren mit 136 PS, 163 PS und 193 PS laufen ruhig im Hintergrund. Vor allem der Volumenmotor V220 CDI (ab 43.911 Euro) beschleunigt den Van dank Biturbo und 380 Newtonmetern zügig. Mercedes gibt den Verbrauch mit 5,7 Litern an. Bei zurückhaltender Fahrweise in der Stadt und Tempo 130 auf der Autobahn waren es während der Testfahrt aber schon 8,4 Liter.

Wer es flotter will, kann per Drehregler des „Agility Select“ von den Fahrprogrammen Eco, Comfort und Sport den letzteren wählen. Getriebe und Gasannahme arbeiten direkter, die Gänge drehen höher aus. Das System braucht man aber nicht wirklich, denn zum Heizen ist das mindestens zwei Tonnen schwere Gefährt nicht wirklich gemacht.

Einen Sechszylinder wird es laut Mercedes vorerst nicht geben. Es sei denn, einige Märkte verlangen danach. Bis dahin muss der V250 CDI (ab 49.183 Euro) mit 193 PS als Topmotorisierung herhalten. Was aber kommt, sind die günstige Kasten- und Transporterversion Vito (Sommer), das Campingmodell Marco Polo (Herbst) und das Allradsystem 4Matic (2015).

Bequemer Fond

Was richtig wichtig ist in einem Van, passiert ohnehin im Rücken des Fahrers. Mit den Hinternbänklern spricht der Fahrer beispielsweise über das integrierte Mikrofon. Für Atmosphäre sorgt neben der Ambientebeleuchtung vor allem der Sound aus der optionalen Burmester-Anlage mit 16 Lautsprechern.

Die können die Passagiere in vier bequemen Einzelsitzen mit Armlehnen und viel Platz genießen. Optional gibt es einen Klapptisch und zwei Zweier-Sitzbänke oder eine Dreier-Bank. Die Verarbeitung ist auch im Fond top, die Kanten sind sauber geschnitten, der Dachhimmel knistert nicht und selbst der Getränkehalter bleibt ruhig.

Bei der Variabilität folgt Mercedes eingetretenen Pfaden: Die Sitze lassen sich nur auf den Schienen verschieben, fürs Drehen müssen sie herausgezogen werden. Bei 28 Kilogramm wird das mühsam. Dagegen fällt das Ein- und Aussteigen durch die Schiebetüren (zwei bei Avantgarde, sonst eine) sowie das Beladen der automatischen und zweigeteilten Heckklappe (optional) leicht. Der doppelte Boden im Heck wird dadurch einfacher erreicht. Der hält bis zu 50 Kilogramm aus und reicht für Gepäck. Auch das erleichtert die tägliche Arbeit.

Arbeit? Mercedes hat für die V-Klasse vor allem Shuttle-Unternehmen und Taxifahrer im Blick. Mit 42.900 Euro Basispreis für den V200 CDI ist der Neue rund 1.800 Euro teurer als der Vorgänger. Dafür müssen die Fahrzeuge allerdings nur alle 40.000 Kilometer zur planmäßigen Wartung. Das ist praktisch. Nicht nur für Gewerbetreibende, sondern auch für Privatpersonen.

Technische Daten: Mercedes V220 CDI

  • Motor: 2,1-Liter-Reihenvierzylinder
  • Getriebe: Manuelles Sechsgang-Getriebe
  • Leistung: 120 kW/163 PS
  • max. Drehmoment: 380 Nm
  • Vmax: 194 km/h
  • 0-100 km/h: 11,8 s
  • Durchschnittsverbrauch: 5,7 l/100 km
  • CO2-Ausstoß: 149 g/km
  • Länge x Breite (ohne Spiegel) x Höhe in m: 5,14 x 1,92 x 1,88
  • Kofferraumvolumen bei mittlerer Länge: 1.030 Liter (mit eingebauten Fondsitzen) bis 4.630 Liter (ohne Fondsitze)
  • Gewicht: 2.075 kg
  • Radstand: 3,20 m
  • Preis: ab 43.911 Euro
  • Marktstart: sofort (die kurze und die lange Version folgen später)

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