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Frauen und Autos: Autohaus Señorita Maria - Die weibliche Seite der Kfz-Technik

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Werkstätten und Autohäuser sind Männerdomänen? Von wegen. In Brandenburg setzt das Autohaus "Señorita Maria" auf Frauenpower – zumindest, solange es die Männer nicht verunsichert.

Frauenwerkstatt Senorita  Maria: Autorin Anne Klesse (r.) im Gespräch mit Vizechefin Jennifer Dambeck (l.) Frauenwerkstatt Senorita Maria: Autorin Anne Klesse (r.) im Gespräch mit Vizechefin Jennifer Dambeck (l.) Quelle: ausblenden

Von Anne Klesse

Hennigsdorf – Um den Brüller gleich vorweg zu nehmen: Nein, es gibt hier keine extragroßen Parkplätze, damit auch die dämlichste Frau das Einparken schafft. Und nein, hier gibt es auch nicht nur mädchenhaft rosarote „Zweitwagen“ für die Hausfrau und Mutter zu kaufen. Im Gegenteil.

Das Autohaus „Señorita Maria“ wirkt auf den ersten Blick wie andere seiner Art: Der Eingangs- und Empfangsbereich des verglasten Flachbaus ist weiß gefliest, mit hellen Wänden und Sitzmöbeln. Ein paar Schreibtische, leises Gemurmel am Telefon, der typische Kunststoffgeruch von Neuwagen und an der großen Fensterfront zur Straße stehen die blankpolierten Modelle aufgereiht. Der einzige Unterschied: Das „Señorita Maria“ versteht sich als Frauenautohaus von Frauen für Frauen.

„Aber nicht nur“, darauf besteht Vizechefin Jennifer Dambeck, die die Geschäftsführung übernommen hat, seit Namenspatin und Geschäftsführerin Maria Erkner in Elternzeit ist. Denn männliche Kunden gab es von Beginn an. Die Idee zu einem Autohaus in weiblicher Hand und mit weiblichem Anspruch entstand, als Jennifer Dambeck selbst noch Auszubildende war.

Unsere Autorin Anne Klesse mit Vizechefin Jennifer Dambeck - sonst werden hier Kundengespräche geführt Unsere Autorin Anne Klesse mit Vizechefin Jennifer Dambeck - sonst werden hier Kundengespräche geführt Quelle: ausblenden

Kaffee kochen statt an Motoren zu schrauben

Statt in der Werkstatt lernen zu dürfen, habe sie ständig nur die Autos putzen und Kaffee kochen müssen und ihren Chef, der in Brandenburg mehrere Autohäuser führt, deswegen eines Tages einfach von der Leber weg gefragt, ob er etwas gegen Frauen habe. Dessen Tochter Maria Erkner, damals noch 24 und BWL-Studentin, hörte das und entwickelte mit Jennifer Dambeck daraufhin ein Konzept, das sowohl in Ausbildung und Arbeit, als auch auf Kundenseite besonders Frauen ansprechen sollte.

Das überzeugte schlussendlich auch den Vater. Und so eröffnete mit seiner Hilfe schon kurze Zeit später das erste Frauenautohaus Deutschlands: das Seat-Autohaus „Señorita Maria“ in Hennigsdorf nordwestlich Berlins.

Das war vor sechs Jahren. Geschäftsführung, Beratung, Verkauf und Werkstatt – in Frauenhand. Als Firmenlogo fungierte ein roter Kussmund, die Wände des Empfangsbereichs strichen sie zunächst ebenfalls knallrot, um sich von der Konkurrenz abzuheben und zu zeigen: Hier geht's um Frauen.

Reparaturbedürftige Teile werden direkt am Auto erklärt Reparaturbedürftige Teile werden direkt am Auto erklärt Quelle: ausblenden

Ohne Fachjargon direkt an die Hebebühne

Auftreten und Kundenansprache waren von Anfang an recht locker, im „Señorita Maria“ wird fröhlich berlinert. Fachjargon in Kundengesprächen werde grundsätzlich vermieden, solange das Gegenüber nicht signalisiere: Ich kenne mich aus. „Weil gerade Frauen sich sonst nicht wohlfühlen“, meint Jennifer Dambeck.

Sie nimmt Kundinnen, die sich unter Pendelstützen oder einem Dreieckslenker nichts vorstellen können, lieber direkt mit in die Werkstatt gleich neben ihrem Büro und zeigt live am Auto auf der Hebebühne, wo etwas wackelt oder klappert und was repariert werden muss.

Auch wenn sie nicht mehr selbst in der Werkstatt arbeitet, Jennifer Dambeck kennt sich aus mit Autos. Auch ihr Vater betreibt eine Kfz-Werkstatt, „ich fand es immer toll, da zuzugucken“, erinnert sie sich. Schon als Kind habe sie gern beim Schrauben geholfen, sei fasziniert von der Mechanik gewesen. Ihr Vater habe sie früh im Hof ans Steuer gelassen. Der Vater ist ihr großes Vorbild, auch er sei nach wie vor autobegeistert, auch wenn er aktuell vor allem Harley fahre.

Ihr erstes eigenes Auto war ein gebrauchter Citroën AX – „so ein Elefantenrollschuh“, erinnert sich Jennifer Dambeck. Ein robuster französischer Dreitürer, „bei dem ab und zu während der Fahrt der Zündschlüssel abfiel – das aber trotzdem weiterfuhr.“ Sie lacht.

Jennifer Dambeck wollte immer mit Autos arbeiten. Jetzt ist sie Vizechefin im Autohaus für Frauen Jennifer Dambeck wollte immer mit Autos arbeiten. Jetzt ist sie Vizechefin im Autohaus für Frauen Quelle: ausblenden

Ein Leben ohne Auto? Unmöglich

Es folgten ein BMW, ein 1er Golf, ein 2er, ein Polo. Letzteres Modell baute sie gemeinsam mit ihrem Vater um. Schrauben, Tunen, Frisieren – damit verbrachte Jennifer Dambeck ihre Jugend. Mittlerweile fährt sie einen familientauglichen Seat Leon.

Ein Leben ohne Auto? „Könnte ich mir nie vorstellen.“ Ihr Berufswunsch habe daher schon früh festgestanden. Und ist bis heute der Traumjob geblieben. „Ich würde nie etwas anderes machen wollen“, sagt sie und zeigt nach draußen zur Straße: „Guckt mal, da fährt Herr Köhler.“ Und entschuldigend: „Ich habe eine Kennzeichenmacke, wenn hier jemand mit OHV wie Oberhavel vorbeifährt, kenne ich den meistens.“

Stutenbissigkeit oder vermeintlich typisch-weibliche Zickereien gebe es im Autohaus „Señorita Maria“ nicht. Kürzlich waren drei Frauen nacheinander schwanger. „Das war natürlich auch für uns schwierig auszugleichen“, sagt Jennifer Dambeck. Auch sie selbst wurde während ihrer Elternzeit bis vor Kurzem von den Kolleginnen vertreten. „Unsere Mitarbeiter decken ein breites Spektrum an Aufgabengebieten ab“. Sie sind lernbereit und haben offenbar Verständnis füreinander, wenn eine früher Feierabend machen muss, weil die Kita des Kindes schließt. „Man muss sich gut organisieren, aber irgendwie bekommen wir es immer hin“, sagt Jennifer Dambeck stolz. Sie will nun eine weitere Stelle schaffen.

Der Wartebereich wurde gerade wieder umgestaltet. Damit sich auch Männer wohlfühlen Der Wartebereich wurde gerade wieder umgestaltet. Damit sich auch Männer wohlfühlen Quelle: ausblenden

Nach sechs Jahren Zeit für Veränderungen

Doch trotz guten Feedbacks und treuen Stammkunden hat „Señorita Maria“ ihr Anfangskonzept aufgeweicht. „Nach sechs Jahren war es Zeit für Veränderungen“, resümiert Jennifer Dambeck. Die Wände sind nun neutral weiß statt Kussmund-Rot, außer Seat gibt es jetzt auch Skoda zu kaufen. Und: Drei von neun Teammitgliedern sind Männer. „Aber nach wie vor haben wir eine hohe Frauenquote!“ Die weibliche Ansprache, das Niedrigschwellige für ahnungslose Käuferinnen und Käufer sollen bleiben. „Blöde Fragen gibt es bei uns auch weiterhin nicht.“

Im Empfangsbereich hat es sich ein junger Mann bequem gemacht. Auf dem niedrigen Tisch vor ihm liegen Klatschzeitschriften und Automobil-Magazine. Er greift sich ein Heft, welches kann Jennifer Dambeck von ihrem Platz aus nicht erkennen. Ob er hier auch so gelassen sitzen würde, wenn die Wände noch rot wären und draußen vor der Fensterfront ein riesiger Kussmund für das „erste Frauenautohaus Deutschlands“ werben würde?

Die neue, neutralere Aufmachung des „Señorita Maria“ ist vermutlich die niedrigschwelligere Variante – für Männer.

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