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ICCT-Verbrauchs-Studie 2016 - Die Kluft zwischen Norm und Realverbrauch wächst

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Die Hälfte der Verbrauchseinsparungen seit 2001 gibt es nur auf dem Papier. Das besagt eine neue Studie des ICCT. Die Kluft zwischen Norm- und Realverbräuchen wächst.

Der Abstand zwischen Real- und Normverbräuchen wächst weiter. Das fand das ICCT heraus - wieder einmal, denn die Kurve steigt seit Beginn der Erhebung Der Abstand zwischen Real- und Normverbräuchen wächst weiter. Das fand das ICCT heraus - wieder einmal, denn die Kurve steigt seit Beginn der Erhebung Quelle: dpa/Picture Alliance

Berlin – Im Westen nichts Neues: Verbrauchs-Normwerte und reale Verbräuche auf der Straße passen einfach nicht zusammen. Darauf weisen die Umweltforscher vom ICCT in einer jährlichen Studie hin. Ebenfalls nicht neu: Der Abstand wächst.

Die Organisation, die den VW-Diesel-Skandal aufgedeckt hatte, nennt in ihrer neuesten Analyse eine durchschnittliche Abweichung zwischen Fahrwerten und Herstellerangaben von 42 Prozent. Die Messungen starteten im Jahr 2001. Damals betrug die mittlere Abweichung aller einbezogenen Automodelle nur 9 Prozent.

"Sämtliche Datenquellen bestätigen, dass die Lücke zwischen dem von Herstellern veröffentlichten Kraftstoffverbrauch und dem tatsächlich vom Kunden festgestellten Verbrauch einen neuen Höchststand erreicht hat", erklärte ICCT-Mitglied Uwe Tietge.

Hauptursache: Schlupflöcher?

Diese Datenquellen verwendete die Umweltorganisation ICCT für die aktuelle Studie Diese Datenquellen verwendete die Umweltorganisation ICCT für die aktuelle Studie Quelle: ICCT

Die Hauptursache der "Diskrepanz" sieht ICCT-Europa-Chef Peter Mock darin, dass die Autokonzerne "immer systematischer Schlupflöcher in der bestehenden Regulierung ausnutzen". So würden für den Prüfstand verwendete Wagen gezielt für die Testsituation optimiert.

Auf der Straße hätten sie dann teils ganz andere Verbrauchswerte. Dazu passt: Erst kürzlich gab Volkswagen bekannt, künftig nicht mehr alle „zulässigen Toleranzwerte“ im Testzyklus nutzen zu wollen. Legt nahe: Bisher war das anders.

Daten aus unterschiedlichen Quellen

In die Untersuchung flossen Daten über etwa eine Million Autos ein. Die Vielzahl der Einzelbeobachtungen egalisieren das unterschiedliche Fahrverhalten der Nutzer, glaubt man beim ICCT. Die Ergebnisse zeigten einen klaren Trend.

Die Daten stammen von Online-Portalen wie spritmonitor.de (Deutschland), honestjohn.co.uk (Großbritannien) und Fiches-Auto.fr (Frankreich), aber auch aus Tests von Fachmagazinen wie „Autobild“ und „auto, motor und sport“. Hinzu kommen Tankdaten von Leasingfirmen und Messungen von Autoclubs.

Das ICCT hält fest: Spätestens mit der EU-Einigung auf verpflichtende CO2-Werte für die Autobranche 2008 sanken die offiziellen CO2-Werte "deutlich schneller" als die Verbrauchswerte im wahren Leben. "Besonders hohe Abweichungen werden im Premium-Segment beobachtet, wo in der Realität der Kraftstoffverbrauch einiger Fahrzeugmodelle - im Durchschnitt - mehr als 50 Prozent höher liegt als vom Hersteller angegeben", kritisiert die Organisation.

Auch bei Hybridautos sei die Schere zuletzt deutlich aufgegangen. Vor allem beim Start einer neuen Modellgeneration sei der Anstieg oft sprunghaft. "In der Folge sind die erzielten CO2-Reduktionen seit 2001 in der Realität nur etwa halb so hoch wie anhand der Zertifizierungswerte zu erwarten."

KBA untersucht Verbrauchsangaben

ICCT-Europa-Chef Peter Mock glaubt: Die wachsenden Differenzen liegen im immer konsequenteren Ausnutzen von Schlupflöchern begründet ICCT-Europa-Chef Peter Mock glaubt: Die wachsenden Differenzen liegen im immer konsequenteren Ausnutzen von Schlupflöchern begründet Quelle: dpa/Picture Alliance

Die Politik kennt das Thema: Im Frühjahr hatte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) nach Schadstoffmessungen in der Folge des VW-Skandals auch bei Kohlendioxid (und damit beim Verbrauch) auffällige Daten festgestellt. "Die Untersuchungen sind noch nicht abgeschlossen", hieß es aus dem Bundesverkehrsministerium.

Der Verband der Automobilindustrie (VDA) hatte für die deutschen Hersteller jüngst betont: "Der Verkehrssektor leistet bereits heute einen erheblichen Beitrag zur CO2-Reduzierung." Mock sagte der Deutschen Presse-Agentur, auch bei CO2 und Kraftstoffverbrauch sei "eine Vielzahl von legalen und halblegalen Schlupflöchern" möglich. "Da gibt es auch keine starke Behörde und keine guten Testverfahren."

Der ADAC fordert bessere Standards: "Die Politik ist gefordert, die Standards der neuen Messverfahren ab 2017 so strikt auszulegen, dass derartige "Optimierungen" nicht mehr möglich sind", erklärte der Autofahrerclub am Donnerstag. Den eigenen "Ecotest" habe man bereits in Richtung realitätsnäherer Bedingungen verschärft, betonte der ADAC.

Vom kommenden Jahr an sollen Straßenmessungen zum Abgasausstoß sowie überarbeitete Kriterien bei Prüfstandstests eingeführt werden. Aus Sicht des ICCT bergen aber auch neue Verfahren wie die internationale WLTP-Prozedur die Gefahr möglicher Schlupflöcher.

 

Link: ICCT-Studie zum Download

Quelle: dpa; bmt

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