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Ersatzteile bei Oldtimern: Schwierigkeiten mit der Teileversorgung - Den Oldies gehen die Ersatzteile aus

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Ein neuer Satz Bremsen für 1.500 Euro: Die Ersatzteillage für Klassiker wird zunehmend schlechter. Oldie-Fahrer beklagen Willkür der Hersteller und intransparente Preise.

Ersatzteile für Old- und Youngtimer wie den Mercedes 300 TE der Baureihe 124 werden knapp, beklagen Fans Ersatzteile für Old- und Youngtimer wie den Mercedes 300 TE der Baureihe 124 werden knapp, beklagen Fans Quelle: Daimler

Von Haiko Prengel

Berlin - Besitzer des legendären Mercedes 300 SL Flügeltürers müssen sich keine Sorgen machen. Sie werden in Zukunft noch immer Ersatzteile für ihren Liebling bekommen. Erst kürzlich verkündete die Klassikersparte des Konzerns, dass wichtige Karosseriekomponenten des „Gullwing“ (W198) wieder erhältlich seien. In den Fünfzigerjahren stellte die Daimler-Benz AG den luxuriösen Sportwagen her, der heute ein Vermögen kostet. Durch ein neues, aufwendiges Fertigungsverfahren können Gullwing-Besitzer nun wieder passgenaue Ersatzteile wie Kotflügel oder Heckbleche ordern.

Ein gewaltiger Aufwand für einen Traumwagen, von dem zwischen 1954 bis 1957 lediglich 1.400 Stück entstanden. Für gewöhnlichere Volumen-Klassiker scheint dagegen das Geld oder die Zeit zu fehlen – nicht nur bei Mercedes. Ob Opel, Volkswagen oder Ford - markenübergreifend klagen Oldtimer-Fahrer, dass sich die Ersatzteillage deutlich verschlechtert habe. Und das betrifft längst nicht nur Veteranen aus der Nachkriegszeit.

Ersatzteile für Youngtimer oft nicht erhältlich

Wer einen sündhaft teuren Flügeltürer Mercedes 300 SL besitzt, muss sich um die Ersatzteilversorgung keine Sorgen machen Wer einen sündhaft teuren Flügeltürer Mercedes 300 SL besitzt, muss sich um die Ersatzteilversorgung keine Sorgen machen Quelle: Daimler Selbst für Youngtimer aus den Achtziger- und Neunzigerjahren sind viele Teile nicht mehr erhältlich. Wenn man beispielsweise mit einem Senator oder Omega zum Opel-Händler fährt und nach Ersatz fragt, heißt es in der Regel: Nicht mehr lieferbar. Ob Motorenteile, Lenkungskomponenten, Viskokupplungen, Kühlerschläuche, Schwungräder, Auspuffanlagen – die Materialversorgung ist schlecht. Bei Ford sieht es ähnlich aus, obwohl die Begeisterung in der Szene für Fahrzeuge wie Taunus, Granada oder Sierra groß ist: Der Kölner Hersteller unterhält nicht mal eine eigene Sparte zum Erhalt seiner Klassiker.

Andere Hersteller rühmen sich dagegen mit ihren angeblich prall gefüllten Ersatzteillagern. „Damit Ihr Klassiker in Bestform bleibt“ heißt der Slogan bei VW Classic Parts. „Damit alte Prachtexemplare auch in Zukunft noch gut aussehen“ verspricht Audi Tradition. Doch selbst für noch relativ junge Fahrzeuge aus den 80er- und 90er-Jahren sind etliche Ersatzteile nur noch schwer oder gar nicht mehr zu bekommen. „Selbst bei Brot-und Butter-Autos wie einem stinknormalen Audi 80 bekommt man inzwischen schon Probleme“, sagt Klaus Draxlbauer.

Draxlbauer aus Bruck an der Mur in Österreich ist in der Szene als „Audi-Klaus“ bekannt. Der Autoverwerter hat sich auf die Instandhaltung von Klassikern der Audi AG spezialisiert. Seit 15 Jahren lässt er sich alte Wracks von Audi 80, 100 und Co. anliefern, um sie auszuschlachten und mit den Teilen Fahrzeuge in besserem Zustand wieder fit zu machen. Seine Beobachtung: Entgegen der Darstellung der Hersteller ist die Ersatzteillage für Klassiker nicht besser geworden, sondern schlechter. Draxlbauer verschickt seine Ersatzteile aus den Schlachtautos inzwischen international, die Kunden kommen aus Deutschland, Spanien oder den Niederlanden – weil sie beim Händler vor Ort keine Teile mehr bekommen.

Chromzierleisten und Dichtungen sind Mangelware

Chromzierleisten für das Audi Coupé (B2) gibt es nur selten, auch Dichtungen für die Scheibenrahmen sind schwer zu bekommen Chromzierleisten für das Audi Coupé (B2) gibt es nur selten, auch Dichtungen für die Scheibenrahmen sind schwer zu bekommen Quelle: Audi So gebe es für den Audi 80 Quattro (Typ 89) keine hinteren Spurstangen mehr, berichtet Draxlbauer, also für ein simples Verschleißteil. Dabei sind die jüngsten Fahrzeuge der zwischen 1989 und 1994 produzierten Baureihe nicht einmal 25 Jahre alt. Auch Besitzer des inzwischen populären Audi Coupé B2 (1980 bis 1988) geraten ins Schwitzen, wenn sie neue Chromzierleisten oder Dichtungen für die Scheibenrahmen benötigen.

Für den Innenraum seien ebenfalls etliche Komponenten wie bestimmte Sitzbezüge nicht mehr lieferbar, berichtet Draxlbauer. Audi Tradition, offizielle Klassikersparte des Konzerns aus Ingolstadt, wirft er Versagen vor. „Deren Teile sind doch irrsinnig teuer – wenn sie denn überhaupt Ersatz anbieten können.“

Daimler-Benz indes galt bislang immer als vorbildlich. Für W123 und den Nachfolger W124 beispielsweise, der als Begründer der E-Klasse gilt, gab und gibt es immer noch viele Teile – jedenfalls im Vergleich zu ehemaligen Konkurrenzmodellen anderer Marken. Zugute kommt den Besitzern von W123 und W124, dass die Autos millionenfach verkauft wurden und auch massenhaft als Taxis unterwegs waren. Der W124 oder auch der Mercedes 190 („Baby-Benz“) ist bis heute auf den Straßen erstaunlich präsent.

Ein Heckscheibenrahmen für 2.000 Euro

Teilebörsen sind nicht immer eine Möglichkeit, um an gute Ersatzteile kommen Teilebörsen sind nicht immer eine Möglichkeit, um an gute Ersatzteile kommen Quelle: picture alliance / dpa Doch die Zeiten, dass es für diese Autos Ersatzteile in Hülle und Fülle gab, sind vorbei. „Die Teileversorgung von Daimler für die Brot-und Butter-Baureihen verschlechtert sich täglich“, sagt Stefan Banner vom Verein der Heckflossenfreunde (vdh), einem der größten Mercedes-Oldtimerclubs in Deutschland. Banner zufolge betrifft das Ersatzteileproblem nicht nur Oldtimer, die 30 Jahre oder älter sind. Auch Fahrer der noch relativ jungen E-Klassen-Baureihen W210 (Bauzeit bis 2002) und W211 (bis 2009) gerieten bei der Ersatzteilsuche mitunter bereits in Bedrängnis. „Selbst die eigenen Werkstätten und Vertretungen jammern schon.“

Banner fährt selbst gerne Mercedes W124, der bis vor einigen Jahren noch als Youngtimer-Geheimtipp galt, weil das Auto äußerst solide und langlebig bei gleichzeitig moderaten Unterhaltskosten ist. Inzwischen sind die Teile-Preise kräftig gestiegen. Für einen neuen Motorkabelbaum etwa, der sich bei den 124er-Facelift-Modellen im Alter in seine Bestandteile auflöst, ruft Daimler 800 Euro auf. Für einen neuen Heckscheibenrahmen für den W126, die meistgebaute S-Klasse aller Zeiten, werden satte 2.000 Euro fällig.

Banner vom vdh rügt insbesondere die Intransparenz der Preise. Welche Teile, zu welchem Preis verfügbar sind, werde täglich neu bei Daimler ausgewürfelt. „Was heute teuer und verfügbar ist, kann morgen günstig und rar sein. Oder andersherum.“

Engpässe nur vereinzelt, sagt Mercedes

Für den begehrten 300 SL bietet Mercedes noch viele Ersatzteile an. Karosserieteile werden sogar wieder neu gefertigt Für den begehrten 300 SL bietet Mercedes noch viele Ersatzteile an. Karosserieteile werden sogar wieder neu gefertigt Quelle: picture alliance / dpa Mercedes-Benz kann die Kritik aus Teilen der Szene nicht nachvollziehen. „Derzeit liegen in unserem zentralen Ersatzteilelager in Germersheim circa 100.000 Ersatzteile für Young- und Oldtimer von Mercedes-Benz bereit“, erklärt der Sprecher der Klassikersparte, Frank Mühling.

Nicht umsonst habe das Fachmagazin „Motor Klassik“ das Unternehmen fünfmal in Folge als „Hersteller mit der besten Ersatzteilversorgung“ ausgezeichnet. Zudem hätten sich 2017 in einer Umfrage unter Mercedes-Benz-Clubmitgliedern 88 Prozent der Besitzer von klassischen Fahrzeugen weltweit entweder „sehr zufrieden“ oder „zufrieden“ mit der Ersatzteilversorgung von Original-Ersatzteilen gezeigt.

Bei „vereinzelten Ersatzteilen“ könne es gleichwohl zu Engpässen kommen, sagt Mühling. Trotz aller Anstrengungen sei die Wiederbeschaffung aller Ersatzteile in originaler und geprüfter Mercedes-Benz-Qualität zu den ursprünglichen Verkaufspreisen nicht in allen Fällen zu gewährleisten. Oft liege eine Erhöhung der Preise an den wesentlich geringeren Stückzahlen, die bei den Lieferanten angefragt würden, hieß es. Häufig würden Ersatzteile – „fernab dem Qualitätsanspruch von Mercedes-Benz“ – aber auch von externen Lieferanten günstig angeboten.

Immer Ärger mit den Gummis

Einige Hersteller unterhalten große Ersatzteillager, doch sie rufen hohe Preise auf Einige Hersteller unterhalten große Ersatzteillager, doch sie rufen hohe Preise auf Quelle: picture alliance /dpa Doch auch Original-Mercedes-Teile genügen nicht immer diesem Qualitätsanspruch. Bei Gummiteilen für Fenster- und Türdichtungen, Motorlager oder Achsgummis beklagen Oldtimer-Fahrer seit Jahren eine schlechte Qualität bei Form und Haltbarkeit. Stefan Banner vom vdh nennt als Beispiel das Frontscheibengummi für einen Mercedes W116, die S-Klasse der Siebzigerjahre. Dieses Gummi sei nach dem Einbau gleich an mehreren Stellen gerissen. „Daimler hat die Teile damals dann vom Markt genommen, also NML (nicht mehr lieferbar)“, sagt Banner. Jeder Bastler versuche also, möglichst die Originalteile zu retten und aufzuarbeiten. „Aber“, meint der Brandenburger Oldtimer-Fan ironisch in Richtung Mercedes-Benz: „Man kümmert sich ja um die 300SL Gullwing!“

Auch Audi Tradition verteidigt sein Engagement für den Erhalt seiner Klassiker. Teileabsatz und Umsatz seien kontinuierlich gewachsen und hätten sich innerhalb der zurückliegenden fünf Jahre verzehnfacht, heißt es in Ingolstadt. Sogar für den luxuriösen, aber recht seltenen Audi V8, Typ D11/4C, der erste Oberklassewagen des Konzerns, gibt es noch Teile.

Die aber lässt sich Audi Tradition saftig bezahlen. Bei dem Luxusschlitten aus den späten Achtzigern quittiert zum Beispiel gerne mal der Tacho nach 30 Jahren seinen Dienst. Ein neuer kostet 3.500 Euro. Aber schon simple Verschleißteile gehen mächtig ins Geld – ein neuer Satz Bremsen vorne kostet satte 1.500 Euro. Für ein neues Schaltgetriebe müssen Fahrer sogar 6.000 Euro berappen. Fazit: So ein Audi V8 ist für viele ein Traumwagen – bis etwas kaputt geht.

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