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Turbo-Technik erobert die letzte Saugmotoren-Bastion - Das Sauger-Sterben bei den Sportwagen

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Schärfere Auflagen bei Emissionen und Verbrauch zwingen die Autohersteller zum Umdenken. Die Abkehr vom Sauger betrifft zunehmend auch echte Sportwagen.

Der neue Turbo-Boxermotor im Porsche Carrera leistet 370 PS Der neue Turbo-Boxermotor im Porsche Carrera leistet 370 PS Quelle: Porsche

Aachen/Stuttgart - Was fürchten Sportwagenfahrer noch mehr als Radarfallen und nasses Laub in engen Kurven? Das Turbo-Loch. Nichts stört, so glauben PS-Puristen, eine flüssige Fahrweise und den heißen Ritt auf der Ideallinie so sehr wie die Gedenksekunde aufgeladener Motoren vor dem Beschleunigen.

Aber genau daran werden sich Schnellfahrer langsam gewöhnen müssen. Denn aktuelle Neuheiten wie der überarbeitete Porsche 911 oder der Ferrari 488 GTB zeigen: Das verbrauchssparende Downsizing, bei dem der Verzicht auf Hubraum durch den Einsatz von Ladern kompensiert wird, stoppt nicht an der Sportwagen-Haube.

Der 4,0-Liter V8 Biturbo-Motor von AMG wird auf Herz und Nieren geprüft Der 4,0-Liter V8 Biturbo-Motor von AMG wird auf Herz und Nieren geprüft Quelle: Daimler

Dass der Turbo in der Theorie etwas zögerlicher anspricht als ein Saugmotor ohne Lader ist technisch begründet, erläutert Prof. Stefan Pischinger von der RWTH Aachen: Das Turbinenrad des Laders wird mit dem Abgasstrom angetrieben. Deshalb dauert es ein paar Sekundenbruchteile, bis der Turbo auf Touren kommt.

Außerdem drehen Turbo-Triebwerke in der Regel nicht ganz so hoch wie konventionelle Motoren und haben einen anderen Klang, was Puristen für weniger emotional halten, fasst Pischinger die Vorbehalte zusammen. Doch die Vorteile überwiegen: Mit dem Turbo steigt die Leistung, während der Verbrauch zumindest auf dem Prüfstand sinkt. Pischinger: "Die Weiterentwicklungen der Turbotechnik ermöglicht heute ein ähnlich gutes Ansprechverhalten, wie es freisaugenden Motoren zeigen."

Porsche bricht mit der Sauger-Tradition

Deshalb hat sich Turbo-Technik längst etabliert. "Das ist unsere Antwort auf weltweit verschärfte Gesetze bei Verbrauch und Emissionen", sagt Jörg Kerner, der bei Porsche die Antriebsentwicklung leitet und einen Verbrauchsvorteil von bis zu einem Liter für den neuen 911 verspricht.

Aber Porsche geht es nicht nur um Gesetze. "Für uns ist die Umstellung auch der Schlüssel zu mehr Fahrspaß", sagt Kerner. Ja, der Carrera büßen 0,4 und der Carrera S 0,8 Liter Hubraum ein. Aber: Bei drei Liter Hubraum und weiterhin sechs Zylindern könne man vielleicht von "kleiner", aber nicht von "klein" sprechen. Fürs Gefühl verspricht er zudem Drehzahlen bis zu 7.500 Touren und fürs Gehör zwei Direktleitungen aus dem Heck, die den Sound in den Innenraum übertragen: "An Emotionen herrscht da kein Mangel."

Der Facelift des Porsche 911 Carrera wird von einem Turbo-Motor angetrieben Der Facelift des Porsche 911 Carrera wird von einem Turbo-Motor angetrieben Quelle: Porsche

Zweiflern empfiehlt sich ein Blick ins Datenblatt. Die Motoren legen beide in der Leistung 20 PS und im Drehmoment 60 Nm zu. Schon der Basis-Elfer kommt damit auf 370 PS und 450 Nm, fährt bis zu 295 km/h schnell und sticht den ersten Turbo von 1974 locker aus, rechnet Kerner vor: Der neue 911 habe 110 PS und 110 Nm mehr, sei 1,2 Sekunden schneller auf Tempo 100, schaffe 45 km/h mehr Spitzentempo und verbrauche kaum mehr die Hälfte von damals.

Entwickler lassen Gedenksekunde weiter schrumpfen

Um den Turbo flott zu machen, haben die Entwickler tief in die Trickkiste gegriffen. So haben sie zum Beispiel die Registeraufladung oder den Twinturbo eingeführt. Und sie haben dem eigentlichen Lader einen zweiten, kleineren Turbo vorgeschaltet. Weil der ein kleineres Turbinenrad hat, kommt er schneller auf Touren, erläutert ein BMW-Entwickler.

Allein durch Optimierung der bestehenden Komponenten hat Opel laut Motorenchef Christian Müller für die Turbo-Triebwerke des neuen Astra die Zeit bis zum Aufbau des maximalen Ladedrucks von 2,5 auf 1,0 Sekunden verkürzt.

Im Huracan setzt Lamborghini einen Saugmotor ein Im Huracan setzt Lamborghini einen Saugmotor ein Quelle: Lamborghini

Als nächster Schritt kommt jetzt der elektronische Verdichter, den Audi nach Angaben von Pressesprecher Josef Schlossmacher zuerst in einer Sportversion des Q7 einführt. Er erfordert zwar ein Bordnetz mit 48 statt 12 Volt, kommt dafür aber in nur 200 Millisekunden auf 72.000 Touren, erläutert Ulrich Weiss, der in Ingolstadt die Dieselmotoren-Entwicklung leitet.

Auch wenn Audi und Lamborghini bei den jüngsten Generationswechseln noch einmal am Sauger für den R8und seinen wilden Zwilling Huracan festgehalten haben, ist das Sterben der Sauger nicht mehr aufzuhalten. Porsche ist mit dem Paradigmenwechsel nicht allein. Schon vor einem Jahr hat Mercedes-AMG mit dem Abschied vom SLS auch den Saugmotor ad acta gelegt und für den GT einen neuen V8-Turbo entwickelt.

Ferrari zieht Grenzen

Zeitgleich mit dem 911 stellt auch Ferrari um und montiert in seinen V8-Modellen einen neuen Turbo: 0,6 Liter kleiner als bisher, bietet der 3,9 Liter große V8-Motor deutlich mehr Leistung und springt von 570 PS auf 670 PS. Zwar geht der Verbrauch im 488 GTB im Gegenzug nur um 1,9 auf 11,4 Liter zurück. Doch mehr wollte Motorenchef Vittorio Dini seinen Kunden nicht zumuten: "Ja, wir hätten das Triebwerk auch deutlich unter zehn Liter bringen können", räumt der Ingenieur ein. "Aber dann wäre es kein Ferrari mehr."

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