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Kaufberatung Gebrauchtwagen: Mercedes E-Klasse W211 - Als junges Eisenschwein zuverlässiger als sein Ruf

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Die Mercedes E-Klasse ist seit Jahrzehnten eine Säule des Daimler-Konzerns. Auch der zwischen 2002 und 2009 gebaute W211. Wie gut ist die alte E-Klasse als Gebrauchter?

Mercedes E-Klasse W211/S211 Gebrauchtberatung: Die Baureihe 211 hatte es nicht leicht. Nach dem problematischen 210er gab es einen Ruf zu reparieren Mercedes E-Klasse W211/S211 Gebrauchtberatung: Die Baureihe 211 hatte es nicht leicht. Nach dem problematischen 210er gab es einen Ruf zu reparieren Quelle: Daimler

  • Große Auswahl an Motoren und Ausstattungen
  • Modelle ab 2006 sind besser
  • Probleme bereiten Fahrwerk und Elektronik

Eine neue Reihe bei MOTOR-TALK: Ab Januar 2017 publizieren wir Kaufberatungen für Gebrauchtwagen. Nicht möglichst viele, sondern möglichst umfassende und hilfreiche. Nicht zu allen, sondern schwerpunktmäßig zu weit verbreiteten Modellen. Verbesserungsvorschläge, Ideen? Wir freuen uns über konstruktive Kritik in den Kommentaren.

Berlin – Der Start der Mercedes E-Klasse Typ W211 war holprig. Ursprünglich sollte die Limousine im Juni 2002 auf den Markt kommen. Doch erste Fotos des Autos beim Dreh zum Film Men in Black II tauchten schon ein Jahr vorher auf, und ließen den Vorgänger alt aussehen. Der W211 hatte es dennoch nicht leicht. Als Nachfolger des W210 mit seinen Rost- und Elektronikproblemen hatte die neue E-Klasse einen Ruf zu reparieren. Doch mit ihrer anfälligen neuen Bremse gelang das nicht. Dazu kamen Probleme mit Diesel-Injektoren und Elektronik. Im W211-Forum von MOTOR-TALK gibt es mehr als eine halbe Million Einträge zu verschiedensten Problemen.

Doch diese E-Klasse ist besser als ihr Ruf. Rund 1,7 Millionen Autos entstanden in sieben Jahren Produktionszeit. Vor allem Fahrzeuge nach der Modellpflege 2006 sind ein heißer Tipp für alle, die ein großes, solides und bequemes Fahrzeug suchen.

Kombi oder Limousine? Das ist vor allem eine Frage des Platzbedarfs. Das T-Modell kostet allerdings auch gebraucht etwas mehr, oft sind auch die Fahrleistungen höher Kombi oder Limousine? Das ist vor allem eine Frage des Platzbedarfs. Das T-Modell kostet allerdings auch gebraucht etwas mehr, oft sind auch die Fahrleistungen höher Quelle: Daimler

Historie/Modellwechsel

Der W211 löste 2002 den W210 ab. Die Front wurde schräger, die vier Schweinwerfer schnittiger. Nach der Limousine kam ein Jahr später der Kombi auf den Markt. Im Juni 2006 folgte eine Modellpflege, erkennbar an einem spitzeren Kühlergrill und geänderten Scheinwerfern. Mercedes modifizierte auch die Motoren, Bremse und Elektronik.

Karosserie

Neben der Limousine gibt es den Kombi: Vor allem in Deutschland ist das T-Modell eine beliebte Variante. 2003 kam das intern S211 genannte Modell auf den Markt, im Vergleich zur Limousine streckt es sich um 3,2 Zentimeter mehr in die Länge. Zwei Notsitze im Kofferraum machen den Kombi zum Siebensitzer. Die 690 bis 1.950 Liter Kofferraumvolumen waren Bestwert im Segment. Auch die Limousine fasst immerhin 540 Liter. Viel Platz bieten beide Modelle vorn und hinten. Probleme bereitet dem Blech Steinschlag, der Rost nach sich zieht. Davon betroffen sind vor allem die Radhäuser.

Motor/Getriebe

Den passenden Motor zu finden, ist gar nicht so einfach. Zwischen 2002 und 2009 standen sieben Diesel und sieben Benziner zur Wahl. Die Leistung reicht von 122 PS bis 514 PS. Dazu kommen zwei Varianten mit dem 4Matic genannten Allradantrieb. Der 102-PS-Diesel wurde nur ein Jahr als Taxi angeboten, recht selten ist die Erdgasvariante E200 NGT. Bei den Dieseln war der E220 CDI mit erst 150 PS und später 170 PS beliebt, auch wenn anfangs Störungen in der Motorsteuerung, Diesel-Injektoren und undichte Kraftstoffleitungen die Laune der Fahrer vermiesten. Defekte Hochdruckpumpen waren Mercedes 2005 einen eigenen Rückruf wert.

Als bequemes Langstreckenfahrzeug mit viel Platz fürs Gepäck taugt vor allem das T-Modell S211 Als bequemes Langstreckenfahrzeug mit viel Platz fürs Gepäck taugt vor allem das T-Modell S211 Quelle: Daimler Der 240er mit 177 PS gilt als robustes Eisenschwein. Mit einem Verbrauch zwischen 9 und 15 Litern ist er aber durstig. Im Schnitt verbraucht er laut Spritmonitor 11 Liter. Sparsamer fährt der E200 Kompressor mit 163 PS oder 184 PS und einem Verbrauch zwischen 8,5 und 13 Litern, im Schnitt 10 Liter.

Auch wenn die meisten Neuwagenkäufer zu den Vierzylindern griffen: Gebrauchte Sechs- und Achtzylinder können eine Überlegung wert sein. Trotz höherer Unterhaltskosten gibt es sie teilweise günstiger als Vierzylinder. Mit dem 320er-Diesel und seinen 224 PS rennt die E-Klasse gut, der Verbrauch hält sich noch im Rahmen.

Manuelles Getriebe oder Automatik? In die E-Klasse gehört eine Automatik. Punkt. Der Fünfgang-Automat schaltet weich und zuverlässig. Ab 2004 gab es auch eine Siebengang-Automatik, die Sprit spart. Vorausgesetzt, die wenigen Ölwechselintervalle nach rund 60.000 Kilometern werden beachtet. Viele W211-Fahrer, auch in der MOTOR-TALK-Community, empfehlen, den Wechsel mit einer Spülung zu kombinieren.

Fahrwerk/Bremsen

Bis auf die großen Motoren mit Achtzylinder oder Varianten mit Sportfahrwerk federt der Benz eher weich. Sowohl das Stahl- als auch das Luftfahrwerk Airmatic Dual Control arbeiten gut. Reparaturen des Luftfahrwerks sind allerdings teuer. Berühmt wurde der W211 wegen seines Brems-Desasters mit der "Sensotronic Brake Control", kurz SBC-Bremse. Dafür gab es Rückrufe 2004 und 2005. Bei der Modellpflege im Sommer 2006 wurde es gegen eine konventionelle Hydraulikanlage getauscht. Ebenfalls seitdem besser: die Verarbeitung.

Der Kombi kann bis zu 1.950 Liter Gepäck einladen, bei aufrechter Rückenlehne passen immer noch 690 Liter ins Heck Der Kombi kann bis zu 1.950 Liter Gepäck einladen, bei aufrechter Rückenlehne passen immer noch 690 Liter ins Heck Quelle: Daimler Wie schon bei den Vorgängern W124 und W210 frisst auch der W211 Achsen. Genaugenommen die Lager an den Querlenkern und Spurstangengelenken. Laut TÜV-Bericht und Einträgen in den MOTOR-TALK-Foren sind das typische Schwachstellen und ein häufiger Grund für eine Plaketten-Verweigerung.

Ebenso unschön: Löcher im Auspuff und dadurch erhöhte Abgaswerte. Antriebswellen, Federn und Dämpfer (beim Stahlfahrwerk) sind dagegen wartungsarm. Ein typisches Problem bereitet die Feststellbremse. Wird sie nicht regelmäßig getreten, rostet sie fest. Ein häufig anzutreffender Mangel bei Automatik-Fahrzeugen, die nur in Position P geparkt werden. Ebenfalls einen genauen Blick verlangen Hardyscheibe, Bremsleitungen und Bremsschläuche. Bei älteren Fahrzeugen im Dauereinsatz neigen sie zum Gammeln. Ebenso wie die lackierten Radläufe, die irgendwann anfangen zu "blühen", also Rost ansetzen.

Ausstattung/Sicherheit

Neben der Basis-Ausstattung Classic bot Daimler die sportliche Version Avantgarde und das komfortbetonte Modell Elegance. Rund ein Viertel der Käufer griff zum Basismodell, etwa 40 Prozent zum 15 Millimeter tiefergelegten Avantgarde und 35 Prozent zum Elegance. Auch, wenn einige Inserate bei der Ausstattung mit VOLLVOLLVOLL werben: Einen Benz mit Vollausstattung gibt es so gut wie nicht. Klimaautomatik, ESP, Tempomat, Multifunktionslenkrad, Regensensor und Zentralverriegelung zählen zur Serienausstattung. Ab 2005 gab es ein Sportpaket und ein Sportpaket AMG mit modifiziertem Fahrwerk und einer sportlicheren Innenausstattung mit viel Leder. Mit den speziellen Designo-Paketen konnten sich Kunden ihr Auto individualisieren.

Die Basisausstattung bietet viele Airbags und ESP. Praktisch für Vielfahrer: die gut arbeitende Distronic Plus, die den Abstand zum Vordermann hält. Die Einparkhilfe Parctronic vermeidet kleine Parkmacken. Anfangs gab es Probleme mit der Elektronik von Navi- und Telefonsystem, Glasschiebedächern, Kurvenlicht und kriechenden Stromverbrauchern. Die problematische SBC-Bremse wurde (hoffentlich) bei fast allen Fahrzeugen in zwei Rückrufen erneuert und müsste einwandfrei arbeiten.

Topmodell des W211/S211 war der 63 AMG mit 514 PS, vor der Modellpflege gab es den E 55 AMG mit 476 PS Topmodell des W211/S211 war der 63 AMG mit 514 PS, vor der Modellpflege gab es den E 55 AMG mit 476 PS Quelle: Daimler

Marktsituation/Preise

Bei Autos bis Jahrgang 2006 raten wir: Lieber Finger weg. Sie gelten mit als die anfälligsten, die bei Mercedes je das Band verließen. Probleme bereiteten unter anderem die Anzeige des Bordcomputers, die Luftfedern und der dazugehörige Kompressor sowie die SBC-Hydraulikeinheit. Die sollte nach einer bestimmten Zeit ausgetauscht werden. Infos darüber gibt das Diagnosegerät. Die Probleme mit den Dieselinjektoren und der Elektronik sollten schon vom Vorbesitzer behoben sein. Im Idealfall hat der auch schon mindestens einmal Querlenker und Spurstangengelenke erneuert.

Das Gute an der E-Klasse: Es gibt sie gebraucht in allen Farben und Variationen. Bei mobile.de umfasst das Angebot üblicherweise um die 5.000 bis mehr als 6.000 Fahrzeuge der Baureihe. Vom 900-Euro-Schrott-Taxi bis zum gepanzerten Sonderschutzfahrzeug für 67.000 Euro.

Dazwischen: gute Fahrzeuge mit mindestens einem Jahr gültiger HU, maximal drei Vorbesitzern, fahrbereit, scheckheftgepflegt und höchstens 150.000 Kilometern Laufleistung. Davon gibt es bei mobile.de um die 500 Fahrzeuge zu Preisen ab etwa 6.000 Euro. Kombis starten etwas höher, hier sollte man bei gleichen Kriterien etwa 7.000 Euro weglegen. Für einen gepflegten Sechszylinder wie einen E 320 T Avantgarde CDI sollte man um die 9.000 Euro einplanen.

Fazit/Empfehlung

Der W211 ist nicht ohne Probleme, aber besser als sein Ruf. Das gilt zumindest für Fahrzeuge ab Juni 2006. Als Alltagsauto mit viel Platz und einigermaßen sparsamem Motor reicht der 200 Kompressor mit 184 PS. Ein 320er-Diesel oder ein 350er-Benziner machen mehr Spaß, logisch, sie kosten aber auch im Unterhalt deutlich mehr. Dann lieber einen gut ausgestatteten Vierzylinder mit Automatik wählen. Zum Heizen wurde der 211er eh nicht gebaut.

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