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DTM-Chef Gerhard Berger im Interview - "Wir wollen Emotion und die Verbindung zum Serienauto"

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Am 5.Mai startet die DTM. Mercedes steigt nach der Saison aus, die Serie braucht einen 3. Hersteller. DTM-Chef Gerhard Berger räumt ein, alle Hände voll zu tun zu haben.

DTM-Chef Gerhard Berger will "geilen Motorsport" DTM-Chef Gerhard Berger will "geilen Motorsport" Quelle: dpa/Picture Alliance

München - Gerhard Berger kämpft um die Zukunft des Deutschen Tourenwagen-Masters (DTM). In diesem Jahr starten zum letzten Mal Mercedes, Audi und BMW. Am 5. Mai geht es los, und zwar am Hockenheimring. Mercedes zieht sich nach dieser Saison aus der DTM zurück. Ein dritter Hersteller muss her. "Bei diesem Thema machst du zwei Schritte nach vorne und auch mal zwei Schritte wieder zurück, weil du eine Absage kriegst", sagt der frühere Formel-1-Pilot und aktuelle DTM-Boss. Außerdem sprach der Tiroler über den möglichen Einstieg eines professionellen Kundenteams, Gespräche mit VW und seine Rückkehr auf den Berg.

Frage: Herr Berger, machen Sie sich Sorgen um die DTM?

Antwort: Wir haben eine Situation, in der wir alle Hände voll zu tun haben. Mit dem überraschenden Ausstieg von Mercedes hat sich natürlich kurzfristig eine Situation ergeben, die die Dinge schwieriger macht, weil man einerseits diese Lücke schließen muss. Andererseits werden diese Diskussionen und Fragen, bevor die Lücke nicht geschlossen ist, nicht aufhören.

Frage: Wie weit sind Sie auf der Suche nach einem dritten Hersteller?

Antwort: Bei diesem Thema machst du zwei Schritte nach vorne und auch mal zwei Schritte wieder zurück, weil du eine Absage kriegst. Es laufen einige interessante Gespräche. Ich kann aber nicht sagen, ob und wer reinkommt. Mit meinen Kontakten finde ich beim einen oder anderen Vorstand Gehör. Im Moment ist aber die Industrie in einem Elektro-Hype, darunter leidet der klassische Motorsport.

Frage: Ist eine Übergangssaison nur mit Audi und BMW möglich?

Antwort: Das ist möglich, ist aber nicht unser Ziel. Ich glaube nicht, dass das der Weg ist. Die Serie muss sich entwickeln. Ich will keine Zeit verlieren, ich habe in meinem eigenen Leben auch keine Übergangsjahre. Ich würde gerne im Anschluss an Mercedes das nächste Zeichen setzen.

Frage: Wäre ein Übergangsjahr daran geknüpft, dass ein Interessent noch dieses Jahr bei der Dachorganisation ITR einen Vertrag unterschreibt?

Antwort: An die ITR gibt es die klare Botschaft: Wir brauchen einen dritten Hersteller. Ich habe da aber kein Zeitfenster, kein Datum. Allerdings freue ich mich, wenn die Bereitschaft da ist, eine Durststrecke auch mit zwei Herstellern durchzuziehen. So stelle ich mir die Unterstützung auch vor.

Am 5. Mai startet die DTM-Saison 2018 auf dem Hockenheimring Am 5. Mai startet die DTM-Saison 2018 auf dem Hockenheimring Frage: Stellen die Kosten dabei ein Problem dar?

Antwort: Viele Hersteller sind überrascht, wenn sie sehen, wie stark die Kosten in der DTM gesunken sind. Der Return on Investment ist außerordentlich gut. Ich bin ein echter Fan des Einheitsbauteile-Systems geworden, weil es die einzige Möglichkeit ist, kosteneffizienten Motorsport zu betreiben. Entwickelt ist bereits alles, das Reglement steht, da entstehen keine Kosten mehr. Es geht jetzt um Teile- und Einsatzkosten. Das ist überschaubar. Ein Neueinsteiger hat momentan hervorragende Voraussetzungen.

Frage: Immer mehr Geld, auch aus dem Marketing, wandert in die Formel E ab, wo auch Mercedes einsteigen wird. Beunruhigt Sie das?

Antwort: Die Formel E ist für die Hersteller eine Entwicklungsplattform und könnte aufgrund der technischen Freiheiten durchaus beim Budget Formel-1-Verhältnisse erreichen. In der DTM ist sehr wenig Raum für teure Entwicklung, weil wir sonst den Return on Investment nicht herstellen könnten. Wir wollen eine Rennsportplattform sein mit Emotion, Freude am Fahren und der Verbindung zum Serienauto, wo der emotionale Käufer aus dem Premium-Segment sich wiederfindet.

Frage: Fürchten Sie, dass Mercedes in seinem letzten Jahr Ressourcen abzieht?

Antwort: Ich bin sicher, dass sie das machen. Das ist ja immer so. Wenn man weiß, man verlässt eine Frau, dann ist man auch nicht mehr so oft zu Hause (lacht).

Frage: Wie laufen die Gespräche mit asiatischen Herstellern wie Nissan oder Hyundai?

Antwort: Die Gespräche laufen sehr gut, weil sie von beiden Seiten gewollt sind. Bei den Japanern habe ich ein sehr gutes Gefühl. Im Prinzip haben sie ähnliche Themen wie wir und wissen, wenn wir Kräfte zusammenlegen, haben wir noch bessere Chancen. Daher ist das fast ein Selbstläufer, die Reglements abzustimmen und gemeinsame Rennen machen. Wir würden gerne 2019 zwei gemeinsame Rennen außerhalb der jeweiligen Meisterschaft planen: eines in Japan, eines in Europa.

Frage: Haben Sie auf der Suche nach einem dritten Hersteller auch bei VW vorgesprochen?

Antwort: Der entscheidende Mann für das Thema ist (Vorstandschef) Herbert Diess, mit ihm habe ich eine sehr gute Gesprächsbasis. Die DTM ist aber im Moment für die Marke Volkswagen kein Thema.

Frage: Halten Sie es für möglich, dass künftig ein professionelles Kundenteam mit einem Hersteller kooperiert?

Antwort: Der dritte Hersteller ist mittelfristig ohnehin ein Muss. Ein vollständig auf Herstellern basierendes System, wie wir es momentan haben, ist nicht gut. Das ist auch den Herstellern inzwischen bewusst. Wenn sechs Autos in einer Hand eingesetzt werden, und der eine mag nicht mehr, dann hat die DTM auf einen Schlag sechs Autos weniger und damit ein großes Problem.

Frage: Es wird spekuliert, dass HWA, das Unternehmen von Ex-DTM-Chef Hans Werner Aufrecht, künftig aktuelle Mercedes-Autos einsetzen könnte?

Antwort: Das hinge natürlich vom Goodwill von Mercedes ab. Wenn HWA Bedarf für andere Projekte hat, dann wäre die Variante, dass sie DTM-Autos einsetzen, eine schöne Lösung. Kein Unternehmen hat mehr Erfahrung und Kompetenz in der DTM als HWA. Die Autos sind vorhanden, für 2019 ändert sich nur der Motor. Die Finanzierung der Einsatzkosten müsste über Sponsoren abgedeckt werden, aber das wäre machbar.

Frage: Was sind Ihre Hoffnungen für diese DTM-Saison?

Antwort: Am meisten wünsche ich mir, dass in den Konzernen dem einen oder anderen das Licht aufgeht und er sagt: Wir können nicht nur die Karte Elektro spielen. Als Entwicklungsplattform, als Ausstellungsplattform finde ich die Formel E total okay. Aber geiler Motorsport? Der eine oder andere fährt mit Jetski schneller als mit einem Formel-E-Wagen.

Frage: Welche Schlagzeile würden Sie gerne nach Saisonende lesen?

Antwort: Berger zieht sich wieder auf den Berg zurück - die DTM lebt weiter (lacht).

Gerhard Berger (58) fuhr von 1984 bis 1997 in der Formel 1. Danach war der österreichische Unternehmer BMW-Motorsportdirektor und Mitbesitzer von Toro Rosso. Im vergangenen Jahr wurde Berger Nachfolger von Hans Werner Aufrecht als Chef des Deutschen Tourenwagen-Masters.

 

 

Quelle: dpa

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