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Ladeinfrstruktur: Deutschland tut sich schwer mit E-Mobilität - "Leitmarkt" ohne Saft und Kraft

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300 Millionen Euro investiert Deutschland in den Aufbau von Ladesäulen. Ob das der E-Mobilität auf die Sprünge hilft, ist unsicher. E-Mobilisten haben noch mehr Probleme.

Elektromobilisten haben es in Deutschland schwer. Es gibt zu wenig Ladesäulen von zu vielen verschiedenen Anbietern. Schnelllader sind Mangelware Elektromobilisten haben es in Deutschland schwer. Es gibt zu wenig Ladesäulen von zu vielen verschiedenen Anbietern. Schnelllader sind Mangelware Quelle: dpa/Picture Alliance

Köln - Deutschland hängt meilenweit hinterher. Ungefähr 6.500 Ladepunkte gibt es hierzulande. Norwegen hat mehr. Bei rund 5,2 Millionen Einwohnern. In den Niederlanden gibt es etwa viermal so viele Lademöglichkeiten wie in Deutschland, dabei verfügen unsere Nachbarn nur über zwölf Prozent der Fläche Deutschlands. Auch in Frankreich und Großbritannien stehen doppelt so viele Stromtankstellen wie bei uns.

Statistiker haben ausgerechnet, dass somit durchschnittlich alle 111 Kilometer eine Säule steht. Zum Vergleich: Die Holländer kommen auf sieben Kilometer. Ginge es mit ähnlichem Tempo weiter, kämen wir bis 2020 auf rund 14.000 Säulen. Das ist Lichtjahre entfernt vom Zielwert 70.000, den die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) ausgegeben hat.

Und dabei haben wir noch nicht mal über Schnellladestationen gesprochen. Davon gibt es etwa 150 in Deutschland, die frei zugänglich sind. Allein Tesla hat für seine Kunden 58 Supercharger-Standorte mit jeweils zwei bis acht Ladepunkten.

Tesla bietet seinen Kunden ein vergleichsweise dichtes Netz an Superchargern. Deutsche Autohersteller wollen keine solche Insellösung Tesla bietet seinen Kunden ein vergleichsweise dichtes Netz an Superchargern. Deutsche Autohersteller wollen keine solche Insellösung Quelle: dpa/Picture Alliance

Lückenhaftes Ladenetz hemmt E-Mobilität

Eigentlich hatte die deutsche Bundesregierung vor drei Jahren das Ziel ausgegeben, unser Land solle zum Leitmarkt für Elektromobilität werden. Immerhin, Mitte Mai 2016 hat man reagiert und sich für eine Förderung ausgesprochen. 300 Millionen Euro sollen in den Aufbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur fließen. Experten sind sich einig, ein lückenhaftes Versorgungsnetz hemmt neben dem teuren Anschaffungspreis die Verbreitung von E-Autos zusätzlich. „Käufer haben eine Art Urangst, irgendwo mit leeren Akku liegen zu bleiben“, sagt Stefan Bratzel, Leiter des Center of Automotive Management (CAM) in Bergisch Gladbach.

Nur, wer ist für den Ausbau des Ladenetzes verantwortlich? Die Politik, die die Ziele vorgibt? Und brauchen wir wirklich ein so dichtes Netz an Stromtankstellen? Umfragen mit Besitzern von E-Mobilen zufolge lädt über 80 Prozent von ihnen zu Hause und passt sein Fahrprofil so an, dass er nicht mit halb leerem Akku startet.

Jürgen Schenk, bei Mercedes der Leiter für die E-Mobilität, glaubt sogar, dass es schon in wenigen Jahren ein Überangebot an Ladesäulen in Deutschland geben werde. „Durch die Fortschritte in der Batterie-Technologie erzielen wir 2020 elektrische Reichweiten von über 500 Kilometern. Der Autofahrer braucht dann höchstens noch Schnelllader entlang der Autobahnen.“

Zahlreiche verschiedene Anbieter betreiben ihre eigenen Ladesäulen. Der Kunde zahlt teilweise hohe Roaming-Gebühren oder steht vor "verschlossener" Säule Zahlreiche verschiedene Anbieter betreiben ihre eigenen Ladesäulen. Der Kunde zahlt teilweise hohe Roaming-Gebühren oder steht vor "verschlossener" Säule Quelle: dpa/Picture Alliance

Die Autohersteller tun sich schwer mit Ladesäulen

Eine normale Ladestation kostet heute rund 10.000 Euro, ein Schnelllader mit Gleichstrom mehr als das Dreifache. Geld über den Stromverkauf ist damit mittelfristig nicht zu verdienen. Es wundert nicht, dass die Sache zäh anläuft. Auch die Autohersteller tun sich mit dem Thema schwer, sehen sich nicht in der Pflicht, für den Ausbau einer Ladeinfrastruktur zu sorgen. Und eine Insellösung wie Tesla, das seinen Kunden exklusive Säulen und kostenlosten Strom anbietet, soll es nicht geben. Mercedes-Mann Jürgen Schenk: „Wir halten dies nicht für zielführend.“

Hinzu kommt, es fehlt eine übergeordnete Regelung. „Jeder kocht sein eigenes Süppchen“, so Stefan Bratzel. Kommunen legen meist einen strategisch sinnvollen Ladepunkt fest und lassen die Säulen von Energieversorgern betreiben. Bei denen wiederum muss sich der E-Autofahrer registrieren lassen. Er bekommt eine Kundenkarte, mit der er dann auch bequem laden kann. Eine App auf dem Handy zeigt ihm an, welche Säule wo steht und welche frei ist.

Das Problem sind Gebiete, die sich überschneiden oder in denen unterschiedlich Anbieter Säulen bereitstellen. Entweder der Autofahrer meldet sich auch bei anderen Betreibern an oder er steht vor einer verschlossenen Säule. Bei Diesel oder Benzin undenkbar. Kraftstoff gibt es an jeder Tankstelle, unabhängig von der Marke, für jeden Autofahrer.

Hohe Roaming-Gebühren fürs "Fremdladen"

Bei Ladesäulen gibt es vereinzelt die Möglichkeit, nach dem Roaming-Prinzip wie bei Handytarifen „fremd“ zu laden. Oder der Kunde schickt einen Code per SMS an den Stromanbieter. Doch es werden zum Teil happige Aufpreise verlangt. Da kann die Kilowattstunde um mehr als 50 Prozent teurer werden. Inakzeptabel und ein Bremsklotz für die Verbreitung von Elektroautos.

„Es ist an der Zeit, einen diskriminierungsfreien Zugang auch bei den E-Tankstellen anzustreben“, sagt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Der Leiter des CAR-Instituts an der Universität Essen-Duisburg ist sich sicher, erst wenn alle Stromanbieter ihren Kunden ihren Strom zu ihrem Preis an jede öffentliche Ladesäule liefern können, nimmt die Elektromobilität Fahrt auf.

In der "Smart Street" aus einer Zukunftsvision von Nissan steuern Elektroautos autonom ihren induktiven Ladeplatz an In der "Smart Street" aus einer Zukunftsvision von Nissan steuern Elektroautos autonom ihren induktiven Ladeplatz an Quelle: Nissan Größter Anbieter im Stromnetz mit über 1.700 Ladepunkten in Deutschland ist derzeit RWE. Es folgen EnBW, E.ON, Vattenfall und EWE. Durchweg alle Konzerne bieten ihren Kunden Ökostrom aus 100 Prozent regenerativen Quellen an, sowohl an den Ladesäulen als auch zu Hause über eine spezielle Wallbox.

Die Zukunft des Ladens ohne Säule

Langfristig dürfte das Laden per Kabel zum Auslaufmodell werden. Dem induktiven Laden wie bei der elektrischen Zahnbürste gehört die Zukunft. Dabei parkt das Auto über einer im Boden versenkten Induktionsplatte (Primärspule). Das entsprechende Gegenstück (Sekundärspule) sitzt unterm Fahrzeug. Berührungslos fließt jetzt Strom.

Derzeit lassen sich so Leistungen von bis 3,6 kW mit einem Wirkungsgrad von mehr als 90 Prozent übertragen. Mercedes will bereits nächstes Jahr dieses Ladeprinzip in der S-Klasse anbieten. Ebenso BMW, die an der Entwicklung beteiligt waren.

Noch einen Schritt weiter geht Nissan. Zusammen mit dem Architektur- und Designbüro Foster & Partners entwarf man eine Mobilitätsvision, in der sich sämtliche autonomen E-Fahrzeuge nachts in einer sogenannten „Smart Street“ einen induktiven Parkplatz suchen. Dort werden sie mit regenerativ erzeugtem Strom geladen, parken selbstständig um, um anderen E-Autos das Laden zu ermöglichen. Am nächsten Morgen stehen sie für die Fahrt zur Arbeit bereit. Muss sich nur noch jemand finden, der diese Smart Streets baut und finanziert.

Quelle: SP-X (Michael Specht)

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