Zeuge vor Gericht
Hallo, ich wollte mal wissen wie es ist wenn ich Zeuge vor Gericht bin. Ich fahre Spedition mit 3,5 Tonnen Sprinter. Ich wurde von Polizei angehalten und ein Gurt also Ladungssicherheit fehlte. Polizei gab meinem Chef die schuld und er bekam Punkt und hat dagegen Einspruch eingelegt. Jetzt muss ich als Zeuge vor Gericht aussagen.
Kann ich nachträglich dafür belangt werden wenn mein Chef die Punkte aberkannt bekommt?
23 Antworten
Zitat:
@mattalf schrieb am 6. August 2022 um 09:48:20 Uhr:
[...]
Mit der Verjaehrung und Gerichtsverhandlung solltest du dich nochmal hinsetzen und dich in die Materie einlesen bevor du solche Ratschlaege bringst.
Wahrheitsgemaesse Angaben zur Person ja, aber zur Sache? Vorallem wenn er sich dabei selbst belastet sollte man das bleiben lassen. Von daher sind die Gedaechtnisluecken nicht das duemmste.
Dann kläre mich doch bitte auf, sowohl (a) im Hinblick auf etwaige Aspekte der Verjährung als auch (b) insbesondere im Hinblick auf das Gerichtsverfahren, wenn du meine Ratschläge derart abtust.
Du beziehst dich darauf das es lange bis zur Gerichtsverhandlung dauert und somit die Sache verjaehrt sein kann. Durch den Widerspruch und der Ansetzung einer Hauptverhandlung ist aber die Verjaehrung ausgesetzt. Ausserdem was soll nach Zustellung der Strafe und dem Punkt noch verjaehren?
Zum anderen wenn der TE zu Sache aussagt, laeuft er Gefahr in diesem Fall sich selbst zu belasten. Dann lieber Klappe halten. Denn sein Chef wird nicht ohne Anwalt dort sitzen.
Persoenlich, da es hier nur um Punkt und Geldstrafe geht und nicht um Personenschaden, Mord und Todschlag, wuerde ich wenn ich in dieser Firma noch Arbeiten wuerde, nicht unbedingt gegen meinen Chef aussagen wollen.
Die Verjährung der Ordnungswidrigkeit gegen den Themenersteller läuft losgelöst von jener, die sich gegen seinen Chef richtet. Insofern ist allein für die Verjährung das maßgeblich, was den Themenersteller selbst betrifft. Und da gilt grds. § 31 OWiG.
Der Gefahr, sich selbst zu belasten, wird bereits durch § 46 OWiG i.V.m. § 55 Abs. 2 StPO begegnet. Demnach ist der Zeuge, der sich der Gefahr der Straf-/Ordnungswidrigkeitenverfolgung durch seine Aussage aussetzen würde, über sein Auskunftsverweigerungsrecht zu belehren. Das weiß auch jeder Richter und belehrt lieber vorsorglich oder spätestens sobald es offenkundig wird als gar nicht.
Die vermeintliche "Gedächtnislücke" ist dagegen bedenklicher. Eine solche "Gedächtnislücke" kann im Zweifel eine Strafverfolgung wegen uneidlicher Falschaussage (§ 153 StGB) nach sich ziehen. Denn das Verschweigen entscheidungserheblicher Tatsachen ist - selbst ungefragt! - auch dann nicht "gerechtfertigt", wenn grds. ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht. Stattdessen müsste der Zeuge dergleichen erklären (vgl. BGH; Urteil v. 11.11.1954, Az. 3 StR 422/54 = BGHSt. 7, 127).
Insofern habe ich mich durchaus schon einmal etwas in die Materie eingelesen - allein von Berufs wegen. Denn Zeugen mit "Gedächtnislücken" sind vor Gericht nicht immer gern gesehen. 😉
Ich ging in dem Falle von Verjaehrung fuer den Chef aus. Da haben wir aneinander vorbei geschrieben. Das nichts wissen ist aber nicht gleich Falschaussage. 😉
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Hab ich auch nicht geschrieben. Die Gedächtnislücke kann aber einer eine Falschaussage sein. Und weshalb ein solches Risiko eingehen - noch dazu ohne jede Not?
Deswegen trifft meine Empfehlung an den Themenersteller zu: Einfach wahrheitsgemäße Angaben zur Person und zur Sache machen.
Alles andere bringt im Zweifel mehr Trödel als vermeintlichen Nutzen. Gerade, wenn ein Strafverteidiger im Interesse eines anderen agiert und womöglich Vorhalte macht, welche die "Wissenslücke" etwas unplausibel erscheinen lassen könnten. Kommt es zu einer Situation mit Zeugnisverweigerungsrecht, kann er als Zeuge davon ganz legitim und ohne Nachteil für sich immer noch Gebrauch machen.
Passat 600
Hallo, ich bedanke mich für die Rege Diskussion. Ich wollte noch hinzufügen, mein Chef hat zu viele Punkte und will diese nun durch einen Wiederspruch vermindern. Lt. seinem Anwalt kein Problem. Ich wurde von der Polizei angehalten hatte einen Gurt zu wenig dabei und der freundliche Polizist gab meinem Chef die Schuld. Ich musste keine Strafe bezahlen und bekam auch keine Punkte. Durch den Wiederspruch muss ich jetzt als Zeuge zu dem Vorfall aussagen und habe Angst jetzt nachträglich den einen Punkt des Vorfalles übernehmen zu müssen. Die Strafe war lt. Polizei ca. 80,-€ und 1 Punkt.
Zitat:
@Passat600 schrieb am 7. August 2022 um 10:51:02 Uhr:
Durch den Wiederspruch muss ich jetzt als Zeuge zu dem Vorfall aussagen und habe Angst jetzt nachträglich den einen Punkt des Vorfalles übernehmen zu müssen. Die Strafe war lt. Polizei ca. 80,-€ und 1 Punkt.
Das kommt drauf an. Hat dein Chef Dich unterwiesen bzw von einem Fachmann (zb vom TÜV oder der Dekra) in Ladungssicherung unterweisen lassen (und er hat von Dir auch ne Unterschrift dazu)? Hattest Du noch ausreichend Gurte dabei um die Ladung wie vom Polizisten gefordert sichern zu können? Wenn Du beides mit Ja beantworten kannst, dann darfst Du mit großer Wahrscheinlichkeit die Strafe übernehmen.
Er hatte nicht genug Gurte dabei. Steht doch im letzten Post 😉
Zitat:
@mattalf schrieb am 7. August 2022 um 11:27:42 Uhr:
Er hatte nicht genug Gurte dabei. Steht doch im letzten Post 😉
...und dann ist der Chef mit dabei.
Zitat aus Fachbuch (Ladungssicherung - aber richtig!, 11. Auflage, ISBN 978-3-609-69634-8:
Verantwortlichkeiten Fahrzeughalter
Für die jeweilige Ladung muss der Fahrzeughalter ein geeignetes Fahrzeug zur Verfügung stellen. Er [...] hat geeignete Fahrzeugführer einzusetzen. Diese müssen in der Lage sein, die Ladungssicherung durchführen zu können.
[...]
Für das Bereitstellen der ordnungsgemäßen und richtigen Ladungssicherungsmittel ist er ebenfalls verantwortlich . [...]
Kurz gefasst: Der Chef des Verladers hat dafür zu sorgen, dass sein Personal geschult ist. Der Fahrzeughalter hat dafür zu sorgen, dass die richtigen Ladungssicherungsmittel in der richtigen Menge zur Verfügung stehen (das scheint hier nicht der Fall gewesen zu sein).
Der Verlader ist für die beförderungssichere Verladung zuständig. Soll heißen: er muss dafür sorgen, dass der Ladung während der Fahrt nichts passiert. Der Hintergrund ist, dass der Verlader "seine" Ladung besser kennt als der Fahrer. Der Verlader weiß, wo z.B. Anschlagpunkte sind etc.
Der Fahrer ist für die betriebssichere Verladung zuständig. Soll heißen: er muss dafür sorgen, dass die Betriebssicherheit seines Fahrzeugs nicht beeinträchtigt wird. Dass die zulässigen Gesamtgewichte eingehalten werden, dass die Gewichtsverteilung stimmt, dass die Ladung seine Sicht nicht behindert bzw. nicht über die Fahrzeugkontouren ragt und vor allem, dass die Ladung auf dem Fahrzeug bleibt.
Plakatives Beispiel:
Der Verlader bestellt ein Fahrzeug mit einer geschlossenen Mulde und verlädt darauf eine Ladung unverpackter Teller aus Meissner Porzellan ohne jede weitere Sicherung. Diese Art der Verladung ist sicher nicht beförderungssicher, es besteht quasi keine Chance, dass die Teller heile ankommen. Dem Fahrer kann das aber egal sein, die Betriebssicherheit seines Fahrzeugs ist in keiner Weise in Gefahr.
In den meisten Fällen überschneiden sich aber die Beförderungssicherheit und die Betriebssicherheit.
Fall aus meiner Praxis:
Der Verlader hat Tiefkühlkost auf einen FRC-Auflieger verladen, die erste Reihe hinter der Stirnwand bestand aber aus Leerpaletten. Dadurch gab es einen "Thermischen Kurzschluss", da die kalte Luft aus der Kältemaschine (wird vorne oben eingeblasen) zum Großteil durch die Paletten nach unten sackte und unten wieder eingesaugt wurde. Da die Kältemaschine über die Rücklufttemperatur geregelt wird, dachte die Steuerung: alles prima. Dabei wurden nur die Leerpaletten gekühlt, an den Paletten mit der Ware dahinter kam kaum kalte Luft an. Ware aufgetaut -> Schrott. Haftung des Frachtführers bzw. Fahrers: 0,00.
Aber hier:
Der Chef hat den Fahrer mit dem Transport beauftragt, die Anzahl und das Gewicht der Kollis mussten ihm ja bekannt sein. Wenn nun einfach zu wenig Zurrgurte etc. auf dem Fahrzeug vorhanden waren, ist er mit in der Verantwortung. Davon abgesehen, dass der Verlader das Fahrzeug so nicht hätte vom Hof fahren lassen dürfen und dass der Fahrer so nicht hätte losfahren dürfen.
Ach ja:
Der Verlader kann die Ladungssicherung (und das Verladen) aber an den Fahrer delegieren. Das muss dann aber irgendwo festgelegt sein oder durch "übliche betriebliche Praxis" erfolgen (...das haben wir schon immer so gemacht).