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Neues Matrix-Licht und HD-Scheinwerfer von Mercedes - Wenn der Daimler mit dem Zebrastreifen

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Xenon, LED und Laser? Kennen wir. Demnächst wird nicht mehr nur geleuchtet, sondern projiziert. Denn auch autonome Autos brauchen Licht. Vor allem für andere Verkehrsteilnehmer.

Stuttgart – Tiefe Dunkelheit umgibt uns. Die Limousine gleitet still die Straße entlang, nur ihre Scheinwerfer erhellen den Asphalt. Von rechts ein Fußgänger, wir bremsen ab, halten an – der Lichtkegel wird zum Zebrastreifen. Bitte sehr! Das Auto rollt den Teppich aus. Einen weißen Teppich aus Licht.

Noch sind derartige Scheinwerfer nicht serienreif. Aber lange wird es nicht mehr dauern, bis das Licht am Auto mehr kann als nur leuchten. Wenn es nach Mercedes geht, können Autofahrer mit Licht bald schreiben und malen. Nach Matrix-LED kommt der nächste Super-Scheinwerfer fürs Auto.

Spinnerei? Denken wir ein paar Jahre voraus. Dann werden sich autonom fahrende Autos untereinander zwar mittels Car-to-Car-Kommunikation verständigen. Aber wie zeigen sie einem Fußgänger oder Radfahrer, dass er die Straße überqueren kann? „Dafür sind Lichtsignale ideal“, sagt Gunter Fischer, Leiter Karosserieentwicklung Exterieur bei Mercedes. „Die Zahl der Objekte ist unbegrenzt“, verspricht er.

Mercedes-HD-Beamer: projizieren statt leuchten

Auf der Testfahrt rund um Stuttgart warf das Erprobungsfahrzeug nicht nur den Zebrastreifen auf die Straße. Verkehrszeichen, Navigationspfeile und Warnhinweise haben wir leuchten sehen. Zwei Balken zeigten die genaue Fahrzeugbreite an – praktisch in Baustellen. Auf Landstraßen gab der Lenkassistent nicht nur haptisch, sondern auch optisch ein Signal: ein Lichtpfeil auf dem Asphalt mahnte zur Korrektur.

Genau genommen ist das neue System kein Scheinwerfer mehr, sondern ein Projektor. Einer, der einen weißen Film auf die Straße projiziert. Und zwar in HD-Qualität. Verantwortlich dafür sind Chips mit mehr als einer Million Mikrospiegeln und mehr als einer Million Lichtpunkten pro HD-Scheinwerfer. Jeder einzelne Spiegel kann bewegt werden. Schon seit drei Jahren wird die Technik erprobt. Wann sie genau in Serie kommt, dazu sagt Mercedes noch nichts. Es dürfte noch ein paar Jahre dauern.

Matrix-LED mit 4.096 Lichtpunkten

Unterdessen arbeiten die Hersteller an der Weiterentwicklung des LED-Matrix-Lichts. Das kann noch keine Bilder projizieren, leuchtet aber schon sehr selektiv. Opel bietet das Matrix-Licht im Astra mit acht LED-Elementen pro Scheinwerfer an. Beim nächsten Insignia kommt ein verbessertes System mit insgesamt 32 Segmenten.

Mercedes setzt einen drauf: In der aktuellen E-Klasse arbeitet die Matrix mit 84 LED pro Scheinwerfer (3x28 Bildpunkte). Die Ausblendung des Multibeam genannten Scheinwerfers erfolgt feiner und genauer als beim Opel, kostet aber auch für die E-Klasse 2.320 Euro Aufpreis.

In diesen Multibeam-Scheinwerfern steckt noch Potenzial. Lampenhersteller Osram hat gemeinsam mit Mercedes, Hella, Chiphersteller Infinion und dem Fraunhofer-Institut einen neuen Super-LED-Scheinwerfer entwickelt: Hier schafft ein Element 1.024 Pixel (16x28 Bildpunkte). Jeder Scheinwerfer hat vier davon, leuchtet also mit 4.096 Bildpunkten.

Sicher unterwegs trotz Dauerfernlicht

Ein Chip ist dabei nur so groß wie ein Fingernagel. Eine Mini-LED misst nur 0,125 Millimeter und ist damit nur doppelt so dick wie ein blondes Haar. Das bringt mehr Leuchtstärke, aber vor allem eine feinere Abblendung von Objekten. Auf 100 Meter Entfernung bedeckt eine „Kachel“ der aktuellen Multibeam-Lampe eine Fläche von 1,8 mal 2,4 Meter. Beim neuen System sind es nur noch 4 mal 2,5 Zentimeter.

Damit das Licht nicht ruckelt und wackelt, sammelt das Steuersystem mittels Sensoren und Kameras alle Infos rund um das Auto und berechnet 60-mal pro Sekunde die ideale Lichtverteilung. Die Straße wird etwas heller ausgeleuchtet als beim aktuellen Multibeam, Autos werden nicht mehr komplett abgeblendet, sondern nur noch die obere Hälfte. Bei Fußgängern bleibt der Kopf unbeleuchtet.

„Licht ist das wichtigste Assistenzsystem bei Nacht“, sagt Mercedes-Mann Gunter Fischer. Früher seien Autofahrer nur sieben bis zehn Prozent der Fahrt mit Fernlicht unterwegs gewesen, mit aktuellen Systemen sind es bis zu 65 Prozent. „Unser Ziel ist ein blendfreies Dauerfernlicht, das dem Fahrer immer das beste Licht auf die Straße bringt“, sagt Fischer. Und zwar ohne, dass er sich darum kümmern muss.

Ältere Autofahrer brauchen mehr Licht

Der Aufwand ergibt Sinn. Autofahrer werden immer älter. Mit 60 Jahren benötigen die Augen viermal so viel Licht, um etwas genauso zu erkennen wie ein 20-Jähriger. Außerdem gibt es nachts viele Unfälle. Vor allem schwere. 40 Prozent der tödlichen Verkehrsunfälle passieren im Dunkeln, dabei liegt die nächtliche Fahrleistung nur bei 20 Prozent.

Der Vorteil der feinen selektiven Ausleuchtung ist sichtbar – und auch in anderer Hinsicht spürbar. Der Stromverbrauch ist geringer. Deshalb dürfte des neue 1.024-Pixel-Licht auch zuerst in einem Elektrofahrzeug eingesetzt werden. Wie dem EQ, der 2018 auf den Markt kommen soll. Doch zum Marktstart sagt man bei Daimler noch nichts.

In den ausgerollten Licht-Teppich müssen die Ingenieure in den nächsten Jahren indes noch Entwicklungsarbeit stecken. Der Consumer-Chip vom Hersteller Texas Instrument muss noch fürs Auto fit gemacht werden, Hitze und Kälte abkönnen. Eines kann er aber schon: Einen Kurzfilm auf den Asphalt oder eine Mauer projizieren, wenn auch nur in Schwarz-Weiß. Ein Autokino der etwas anderen Art.

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