Versicherungswert versus Gutachter...
Guten Tag, geschätzte Community,
nun, das Grauen schlechthin für meine olle Mühle (Vormopf, Bj. 1996, E 200 Benziner) wäre, wenn der Versicherungsfall (Totalschaden, da Zeitwert überschritten, was bei dem Alten ja schnell passieren kann...lach) eintreten würde, denn der Zeitwert wird wohl dem tatsächlichen Wert niemals gerecht werden.
Soweit mir bekannt ist, werden die vielen Investitionen oder der neue TÜV, die neuen WiReifen etc. im Fall der Fälle nicht oder nicht adäquat berücksichtigt.
Nun meine Überlegung respektive meine Frage:
Kann ich mir quasi ein potentielles "Rettungpaket" kreieren, indem ich den tatsächlichen Wert meines Lieblings von einem unabhängigen Kfz- Gutachter meines Vertrauens schätzen lasse und somit die vorhersehbar niedrige Entschädigungssumme durch die Versicherung im Schadensfall austrickse?
Heißt: Was würde "zählen", das Gutachten oder die Wertliste der Versicherung?
Liebe Grüße
P.S.
Besonders liebe Grüße an DSD...
Beste Antwort im Thema
Hallo zusammen,
im Schadensfalle - Anspruch gegen die gegnerische Kraft-Haftpflichtversicherung oder Inanspruchnahme der Vollkaskoversicherung nach Schäden am versicherten Fahrzeug durch Unfall und/oder Schäden durch Vandalismus - wird eine Versicherung immer darum bemüht sein, bei der Regulierung die Ansprüche des Geschädigten zu minimieren.
Bereits bei der Bemessung des Wiederbeschaffungswertes lauern die ersten Fallstricke: Bei Fahrzeugen älter als 10 Jahre wird eine Wiederbeschaffung nur auf dem Privatmarkt berücksichtigt, weil der Kfz.-Handel auf Grund verschärfter Haftungsbedingungen davon Abstand genommen hat, solche Fahrzeuge an Privat zu verkaufen. Deshalb enthält der Wiederbeschaffungswert bei diesen Fahrzeugen i.d.R. keinen Mwst.-Regelsatz bzw. keine Mwst.-Differenzbesteuerung des Mehrwertes aus Händler-VKP minus Händler-EKP.
Der Sachbearbeiter in der Schadensabteilung einer Versicherung, aber auch ein Gutachter schaut beispielsweise bei mobile.de nach und ermittelt auf Grund von Eckdaten des beschädigten Fahrzeuges mit Hilfe des niedrigsten und höchsten Wertes privat angebotener Fahrzeuge einen Mittelwert. Wertgutachten, die älter als 6 Monate sind, werden i.d.R. widersprochen und das beschädigte Fahrzeug wird ggfs. neu begutachtet. Reparaturfreigaben werden auch dann erteilt, wenn die Kosten der Reparatur den Wiederbeschaffungswert um max. 30 % übersteigen.
Eine fiktive Reparaturkostenabrechnung ist nur noch dann möglich, wenn die Reparaturkostensumme geringer ist als die Differenz Wiederbeschaffungswert minus Restwert. Bei einer fiktiven Reparaturkostenabrechnung wird seit dem 1.08.2002 die Mehrwertsteuer nicht erstattet.
Sind die Reparaturkosten höher als der Wiederbeschaffungswert zzgl. 30% und liegt ein (wirtschaftlicher) Totalschaden vor, wird das beschädigte Fahrzeug in eine Restwertbörse eingestellt. In einem solchen Fall würde der Geschädigte keine Reparaturfreigabe erhalten und nicht die Reparaturkosten erstattet bekommen, sondern nur den Wiederbeschaffungsaufwand (Wiederbeschaffungswert minus Restwert/Höchstgebot aus der Restwertbörse) und kann entscheiden, ob er sein Fahrzeug behält oder gegen Restwertgebot abgibt. Eine böse Falle für die Halter eines Mercedes-Benz der Baureihe 210 bei einem niedrigen Wiederbeschaffungswert und hohen Reparaturkosten.
Bei einer fiktiven Abrechnung ist ein Verweis auf eine kostengünstigere freie Werkstatt oder eine Regulierung nach Stundenverrechnungssätzen wie bei einer Police mit Werkstattbindung möglich, wenn der Geschädigte kein vollständig ausgefülltes Wartungsheft vorweisen kann oder der Geschädigte hatte sein Fahrzeug stets in einer freien Werkstatt reparieren und warten lassen.
Damit wird es noch schwerer, die höheren Stundenverrechnungssätze einer Markenwerkstatt ersetzt zu bekommen (um z. B. mit einem Teil der Entschädigung in einer freien Werkstatt reparieren zu lassen oder die Instandsetzung in Eigenleistung zu erledigen), weil eine Vergleichbarkeit der Reparatur bereits dann als gegeben angesehen werden kann, wenn die preiswertere Referenzwerkstatt eine Zertifizierung durch unabhängige und anerkannte Dritte, die Reparatur nach Herstellervorgaben mit Originalersatzteilen, die Gewährung einer dreijährigen Garantie, das Fehlen von Sonderkonditionen für die Versicherung sowie die laufende Weiterbildung der Mitarbeiter glaubhaft machen kann.
Gänzlich unglücklich dürfte ein Geschädigter sein, wenn er dem Sachbearbeiter einer Versicherung die Bemessung des Wiederbeschaffungswertes überlässt und auf einen Gutachter verzichtet oder bei Diebstahl quasi verzichten muß. Andererseits kann durch ein im Rahmen der v. g. Möglichkeiten errechnetes Delta die Reparaturwürdigkeit oder ein gewollter Totalschaden eines Fahrzeuges herausgestellt werden.
Reguliert wird immer auf einem niedrigst möglichen Niveau und nicht jeder Anspruchsteller kommt auf die Idee, Kontakt mit der Schadensabteilung einer Versicherung aufzunehmen, die womöglich einen gewissen Spielraum hat, den Anliegen eines Geschädigten entgegen zu kommen - damit sich dieser über eine gewährte Kulanz noch Jahre lang freuen kann ...
LG, Walter
19 Antworten
Zitat:
Original geschrieben von barmbrun
Ihr habt sicher alle Recht, dass die Versicherungen zunächst einmal kneifen werden. Dennoch muss es da auch noch irgendeinen Unterschied geben. Denn was bekäme denn ein glücklicher Eigner eines 1955er MB 300 SL (Flügeltürer) sonst bei einem Totalschaden? Der kann bestimmt um die 150 - 200.000 oder gar 300.000 € erstreiten.
Es wäre also echt die Frage, ob für uns alle ein vorhandenes Gutachten über sagen wir einmal 8.000 € da etwas ändert. Viel Glück
Ein Flügeltürer mit dem Bj, total restauriert, im exellenten Zustand, so wie alle die es noch gibt, bringt ca. 800-900.000 Euro auf dem Markt. Dafür gibt es dann Wertgutachten, wie für jeden Oldtimer und danach wird sicher auch bezahlt.
Hallo, Walter,
man hat halt im Oldtimermarkt sehr stark divergierende Preise. Die Grenze ist zur Zeit die 10 Jahre oder mehr als etwa 150.000km, danach verkaufen die Liesingsgesselschaften nur für Export oder Gewerbetreibende, also ohne Garantie. So hat man mich im Garching aufgeklärt. Einige restaurierte PKW leben dann ausserhalb der Masse, die nur die letzten Kilometer möglichst billig fahren will. Die richtigen Oldtimer haben freilich auch was besonderes- die Flügeltür, riesige Motoren oder riesigen Verbrauch, es sind keine ehemaligen Vertreterfahrzeuge, wie die meisten Mercedes.
Die Versicherungen sprechen sich immer ab, um den Schaden in der Versicherungskasse so billig, wie möglich zu halten. Deshalb empfiehlt sich eine Rechtschutzversicherung abzuschliessen, die bezahlt dann auch die Gutachter.
Hallo zusammen,
die von barmbrun, Rebbe und Drago2 angesprochene Oldtimerversicherung ist für einen Mercedes-Benz der Baureihe 210 nicht erreichbar, weil dafür beispielsweise Bedingungen eines bekannten Anbieters nicht erfüllt werden:
- Fahrzeug, Baujahr vor dem 01.01.1993
- Motorrad, Baujahr vor dem 01.01.1983
- Fahrzeug mit roten Kennzeichen, Baujahr vor dem 01.01.1983
- Originalzustand
- max. jährliche Laufleistung 8.000 km
- Abschließbare Einzel/ Sammelgarage
- ein weiteres zugelassenes Alltagsfahrzeug muß zur Verfügung stehen
- Alter des VN und Fahrers mindestens 25 Jahre
- Youngtimer sind Fahrzeuge mit überdurchschnittlichem Erhaltungszustand - mindestens Zustandsnote 3
- keine Massenfabrikate
- Mindestfahrzeugwert von 4.000,- €
Bei einer Vollkasko für Oldtimer würde sich die zu zahlende Prämie nach dem Marktwert/Versicherungswert errechnen und beispielsweise für ein Fahrzeug mit einem Marktwert von 300.000 €, Zustandsnote 2 und einer SB von 2.500 € jährlich 1.950 € betragen, eine Haftpflichtversicherung würde etwa pauschal 60-70 € kosten.
Einmal angenommen, ich würde unverschuldet in einen Unfall verwickelt, der Wiederbeschaffungswert meines Fahrzeuges würde 5.000 € betragen, die Reparaturkosten würden lt. Gutachten netto = ohne Mwst. 3.000 € / brutto = incl. Mwst. 3.570 € und der Restwert 2.500 € betragen, dann liegen die Reparaturkosten unterhalb des Wiederbeschaffungswertes, aber oberhalb des Wiederbeschaffungsaufwandes (2.500 €), deshalb würde ein wirtschaftlicher Totalschaden vorliegen.
Für mich würden sich folgende Möglichkeiten ergeben:
1. Die Reparaturkosten-Erstattung i.H.v. 3.570 € brutto , Voraussetzung: vollständige Reparatur lt. Gutachten und weitere Nutzung für min. 6 Monate
2. Reparaturkosten-Erstattung i.H.v. 3.000 € netto, Voraussetzung: Teilreparatur, nachweisbar min. 100 € Mehrwertsteuer für Teileeinkauf aufgewendet und weitere Nutzung für min. 6 Monate
3. Reparaturkosten-Erstattung i.H.v. 3.000 € netto, Voraussetzung: keine Reparatur und weitere Nutzung für min. 6 Monate
4. Reparaturkosten-Erstattung i.H.v. 2.500 € des Wiederbeschaffungsaufwandes, Voraussetzung: vollständige Reparatur und Verkauf des Fahrzeuges innerhalb von 6 Monaten
5. Reparaturkosten-Erstattung i.H.v. 2.500 € des Wiederbeschaffungsaufwandes, Voraussetzung: Teilreparatur, nachweisbar min. 100 € Mehrwertsteuer für Teileeinkauf aufgewendet und Verkauf des Fahrzeuges innerhalb von 6 Monaten
6. Reparaturkosten-Erstattung i.H.v. 2.500 € des Wiederbeschaffungsaufwandes, Voraussetzung: keine Reparatur und Verkauf des Fahrzeuges innerhalb von 6 Monaten
Voraussetzung für die Abwicklung eines Schadens innerhalb der 130%-Regel: Schadensabwicklung nach Fall 1 (vollständige sach- und fachgerechte Reparatur lt. Gutachten - und weitere Nutzung für min. 6 Monate)
Teilweise Reparatur innerhalb einer 130%-Regel, Voraussetzung: Nachweis über die konkret angefallen Reparaturkosten bzw. nachweisbar wertmäßig in einem Umfang repariert, der den Wiederbeschaffungsaufwand übersteigt
Teilweise Reparatur in Eigenregie, weder vollständig noch fachmännisch mit gebrauchten Ersatzteilen, innerhalb einer 130%-Regel: Reparaturkosten-Erstattung bis zur Höhe des Wiederbeschaffungswertes, Voraussetzung: die konkret angefallenen Reparaturkosten sind höher als der Wiederbeschaffungsaufwand, Abrechnung des Reparaturwertes über die Kosten der tatsächlich durchgeführten Teilreparatur
LG, Walter - allzeit knitterfreie Fahrt
Worüber zerbrecht Ihr Euch hier den Kopf? Wenn man mir in mein (ähnlich altes) Auto fährt, dann rufe ich den Anwalt meines Vertrauens an, der schon etwa 4 solcher Unfälle (mit ähnlich alten Wagen) für mich bearbeitet hat. Der nennt mir einen sehr guten vereidigten Gutachter, welcher den Wagen dann ordentlich schätzt. Hinzu kommen Ausfallentschädigung etc. Das Gutachten wird von der Versicherung akzeptiert.
Bis jetzt bin ich immer gut aus diesen Situationen herausgekommen. Der Anwalt muss sich nur auskennen.
guter Zustand = gutes Geld
Laßt nur nicht den Sachverständigen der Versicherung ran, die schätzen nur zum Vorteil der Versicherung!
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Hallo zusammen,
könnte jemand eine 210er Reparaturkosten-Kalkulation, z. B. über einen Heckschaden beisteuern?
LG, Walter
Zitat:
Original geschrieben von Austro-Diesel
Was kostet so ein Gutachten eigentlich?
Hallo A-D,
ich habe 2006 für meine Vette ein vereinfachtes Wertgutachten machen lassen. Kosten damals 120 Euro.
Versichert habe ich sie dann für kleines Geld bei der Oldtimer-Versicherung in Lübeck. Hier gelten die von WalterE200-97 beschriebenen Einschränkungen.
Greets, Stefan