Sekundärpartikel werden bei der Partikelmessung erfasst?
Hallo zusammen und Experten wie @GaryK @cepheid1 und alle anderen Sachkenner,
unter welchen Betriebsbedingungen entstehen bei Fahrzeugen mit Dieselmotor Sekundärpartikel ohne ursprünglichen Rußkern, wachsen an und werden bei der Partikelmessung im Rahmen der Abgasuntersuchung (AU) erfasst?
Das Thema Partikelmessung, andere Stichworte sind Partikelzahlmessung, Partikelanzahlmessung oder Messverfahren der Partikelanzahlkonzentration wird in verschiedenen MT-Foren diskutiert.
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Zitat:
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Der Grenzwert für die Messung von Partikeln im Rahmen der AU wurde auf 250 000 PN (Particle Number = Partikelzahl) pro cm3 festgelegt, wobei die folgenden Gründe angeführt werden:
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Nach den Untersuchungsergebnissen weist ein intakter Partikelfilter PN-Werte von weniger als 50.000 PN pro cm3 auf. Dieser Wert ist vergleichbar [bzw. entspricht] dem Typgenehmigungsgrenzwert auf dem Rollenprüfstand für die Partikelanzahl von 6x10^11 PN pro km (=600.000.000.000 Partikel pro km) für EURO 6 (PKW) / VI (LKW) Dieselfahrzeuge.
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Unter Berücksichtigung von Alterungseffekten, Messtoleranzen sowie der Rückführbarkeitskette (rückführbarer Messwert durch eine ununterbrochene Kette von Vergleichsmessungen mit bekannter Messunsicherheit) wurde ein Grenzwert von 250.000 PN pro ccm normiert, um die PN-Emissionen eines Fahrzeugs sicher als "zu hoch" einzustufen.
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Es wurde festgestellt, dass defekte Partikelfilter häufig deutlich über diesem Grenzwert liegende PN-Emissionen aufweisen, während Fahrzeuge mit intakten Partikelfiltern deutlich niedrigere PN-Emissionen haben.
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Der gesetzlich festgelegte Grenzwert von 250.000 PN pro cm3 entspricht etwa einer Partikelmasse von 2 mg PM (Particle Matter = Partikelmasse, Anwendung des Messverfahrens der Rauchgastrübung) pro km, der Typgenehmigungsgrenzwert auf dem Rollenprüfstand für die Partikelmasse liegt für Euro 5- und Euro 6-Dieselfahrzeuge normiert bei 4,5 mg/km PM.
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Sowohl Primärpartikel wie Ruß als auch Sekundärpartikel, die bei der Partikelzählung während der AU erfasst werden, beeinflussen das Messergebnis der Partikelanzahlmessung.
Zu den primären Partikeln gehört Ruß, zu den sekundären Partikeln Feinstaub, der entsteht, wenn z. B. gasförmige organische Stoffe wie Salpetersäure und Ammoniak, die unterhalb von 200 °C Ammoniumnitrat bilden, sich als Aerosolpartikel an winzige Nanopartikel anlagern und so zu größeren Partikeln anwachsen, die in das Fenster der Partikelanzahlmessung fallen.
Zitat:
Salpetersäure (HNO3) bildet sich durch die Reaktion von Stickstoffdioxid (NO2, wird im Oxikat angereichert) mit Wasser (H2O) unter Freisetzung von Stickstoffmonoxid (NO).
Aus dem Harnstoff AdBlue entsteht beim Erhitzen Ammoniak, in geringen Mengen auch Kohlendioxid (CO2) und Isocyansäure (HNCO). Ammoniak wird zur Reduktion von Stickoxiden benötigt. Im SCR-Katalysator (Selective Catalytic Reduction) entsteht in einer chemischen Reaktion aus Ammoniak, Stickoxiden und Sauerstoff ein Stickstoff-Wasserdampf-Gemisch. Unterhalb von 200 °C bilden sich kristalline Ablagerungen, die Ammoniumnitrat enthalten können.
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EURO6d-Fahrzeuge mit Dieselmotor sind hinsichtlich der Anordnung der Komponenten im Abgasnachbehandlungssystem identisch aufgebaut:
1. Dem Turbolader ist ein Oxidationskatalysator (DOC) nachgeschaltet. Dieser reduziert die Emissionen von Kohlenmonoxid (CO) und unverbrannten Kohlenwasserstoffen (HC).
2. Nach dem DOC folgt die Harnstoffeinspritzdüse für den SCR-Katalysator. Dahinter befindet sich die notwendige Mischstrecke, in der der Harnstoff zu Ammoniak (NH3) reagiert.
3. Es folgen der DPF und der SCR-Katalysator. DPF und SCR-Katalysator befinden sich in einem gemeinsamen Gehäuse (sDPF).
Die genannten Komponenten sind in der Nähe des Motors angeordnet.
Bei modernen Dieselmotoren, wie z.B. dem EA288evo aus dem VW-Konzern oder dem OM654M von Mercedes, ist nach der motornahen Abgasnachbehandlungsstrecke im Unterboden eine zweite Einspritzdüse für das NOx-Reduktionsmittel AdBlue mit einem zweiten SCR-Katalysator und einem nachfolgenden Ammoniak-Sperrkatalysator angeordnet.
Zurück zur Frage:
Entstehen und wachsen unter diesen Betriebsbedingungen Sekundärpartikel, die bei der Partikelmessung im Rahmen der AU erfasst werden und zu erhöhten PN-Messergebnissen und damit zu einer Überschreitung des Grenzwertes von 250.000 PN/cm3 führen, ohne dass die Ursache ein gerissener DPF ist?
20 Antworten
Zitat:
@abm_70 schrieb am 20. November 2024 um 09:10:13 Uhr:
Zunächst einmal: Interessante Informationen!
Zitat:
@alexnoe81 schrieb am 19. November 2024 um 18:59:09 Uhr:
Die Rohemissionen ohne DPF liegen dagegen dauerhaft über 10 Mio/cm³.
Das habe ich schon mehrfach gelesen. Hättest Du vllt. eine Quelle dazu? Nicht daß ich Dir nicht glauben würde, ich hätte halt nur gerne etwas Lesestoff dazu. 😉
Theoretisch ist es möglich, dass wir den Zahlenwert aus der gleichen Quelle haben. Auf die Schnelle habe ich
das hiergefunden:
Zitat:
Since the diesel particulate filter (DPF) removed practically all particles from the engine exhaust, it was by-passed during most of the measurements
Eine Messung unter Umgehung des DPF ist ziemlich genau das, was wir suchen. Dort sind Rohemissionen von 10^14/km bis 10^15/km angegeben. Getestet wurde ein Audi A4 2.0 TDI Euro 5 mit normgerechtem europäischem Dieselkraftstoff.
Man kann die 10 Mio/cm³ auch durchaus plausibilisieren: DPFs, die durchgefallen sind, zeigen bei einem oder zwei Rissen bereits Werte im Millionenbereich. Aber bei einem oder zwei kleineren Rissen gehen ja nicht 50% der Abgase durch den kleinen Riss? Also die Rohemissionen können gar nicht deutlich unter 10 Mio/cm³ liegen, wenn DPFs mit kleineren Rissen schon Emissionen im Millionenbereich durchlassen.
Zitat:
@abm_70 schrieb am 20. November 2024 um 09:10:13 Uhr:
Welche Motoren waren das? Aufgeladen oder nicht? Mit Direkt, - oder Saugrohreinspritzung? Es gibt nicht "den" Benzinmotor.Zitat:
Aber Benziner lagen zum Vergleich bei 1,6*10^11/km.
Eine bunte Mischung aus aufgeladenen Direkteinspritzern mit OPF, aber auch Saugrohreinspritzern, von denen einer sich in den Tests in die Volllastanreicherung hat treiben lassen.
Die Testfahrzeuge wurden danach ausgewählt, wie verbreitet bestimmte Modelle in Frankreich sind. Man wollte praktisch eine Aussage über die tatsächlich in Betrieb befindliche Flotte machen. Also für Deutschland hätte man garantiert eine andere Testflotte zusammengestellt.
Zitat:
@alexnoe81 schrieb am 20. November 2024 um 18:49:20 Uhr:
Also die Rohemissionen können gar nicht deutlich unter 10 Mio/cm³ liegen, wenn DPFs mit kleineren Rissen schon Emissionen im Millionenbereich durchlassen.
Das klingt plausibel, aber nur auf den ersten Blick. Denn es ist durchaus so, daß man zu Zeiten der filterlosen Dieselmotoren ein größeres Augenmerk darauf gelegt hat, bereits innermotorisch weniger Partikel entstehen zu lassen. Nur mal als Praxisbeispiel: Zuletzt gab es solche Motoren unter Pkw mit Euro 4. Sind solche Motoren technisch intakt und nicht durch übertrieben ökonomische Fahrweise und Kurzstrecken"zugeschlonzt", kann man kaum einen "Rußteppich" beobachten, selbst bei forcierter Fahrweise unter "idealen" Bedingungen (ich denke da an eine nächtliche Volllastbeschleunigung auf die Autobahn, während man in den Spiegel schaut, und Scheinwerfer hinter sich hat). Demontiert man jedoch an einen Dieselmotor ab Euro 5 (=bei Pkw grundsätzlich geschlossener Filter an Bord), dann rauchen die teilweise so stark, daß man schon fast einen Motordefekt vermuten könnte. Der Gedanke mancher Ingenieure schien wohl gewesen zu sein: "Lasst uns die Einspitzmenge und die Abgasrückführrate hochsetzen, erhöht die Leistung/reduziert die NOx, und das Mehr an Ruß fängt eh der Filter ab".
Zitat:
Eine bunte Mischung aus aufgeladenen Direkteinspritzern mit OPF, aber auch Saugrohreinspritzern, von denen einer sich in den Tests in die Volllastanreicherung hat treiben lassen.
Die exakten Modelle wurden nicht genannt?
Zitat:
@abm_70 schrieb am 21. November 2024 um 09:22:58 Uhr:
Das klingt plausibel, aber nur auf den ersten Blick. Denn es ist durchaus so, daß man zu Zeiten der filterlosen Dieselmotoren ein größeres Augenmerk darauf gelegt hat, bereits innermotorisch weniger Partikel entstehen zu lassen.Zitat:
@alexnoe81 schrieb am 20. November 2024 um 18:49:20 Uhr:
Also die Rohemissionen können gar nicht deutlich unter 10 Mio/cm³ liegen, wenn DPFs mit kleineren Rissen schon Emissionen im Millionenbereich durchlassen.
...
Euro 4-Diesel ohne DPF sind meines Wissens nach anders abgestimmt als Euro 4 PM5 - Diesel, so dass man den Ruß möglichst nicht sieht. Bis Euro 4 gab es auch gar keinen Grenzwert für die Partikelzahl, sondern nur für die Partikelmasse. Erst mit Euro 5, als die Partikel immer kleiner geworden sind, wurde ein zusätzlicher Grenzwert für die Partikelzahl hinzugefügt. Es gab also bis Euro 4 gar keinen Grund, die Partikelzahl klein zu halten.
Zitat:
@abm_70 schrieb am 21. November 2024 um 09:22:58 Uhr:
Zitat:
Eine bunte Mischung aus aufgeladenen Direkteinspritzern mit OPF, aber auch Saugrohreinspritzern, von denen einer sich in den Tests in die Volllastanreicherung hat treiben lassen.
Die exakten Modelle wurden nicht genannt?
Ich habe keine gefunden, aber beim genaueren Suchen habe ich eine "Technologieübersicht" gefunden: Es war nur einer ohne Turbo, der Rest der Benziner waren Turbobenzin-Direkteinspritzer.
Zitat:
@alexnoe81 schrieb am 18. November 2024 um 20:15:21 Uhr:
In 2 Wochen ist mein EA288 evo zur ersten HU/AU dran. Ich werde vor allem das Partikelzählergebnis melden...
300/cm³. Viele Sekundärpartikel können es nicht gewesen sein.
Sekundärpartikel wären z.B. nach einem Störfall wie Ammoniakschlupf in oder nach der Abgasnachbehandlungsstrecke zu erwarten, wenn dadurch eine chemische Reaktion aus gasförmigen Vorläufersubstanzen wie Schwefeldioxid, Stickoxiden, Kohlenwasserstoffen und/oder Ammoniak erfolgt und deren Entstehung z.B. durch thermische und/oder chemische Alterung der Abgasnachbehandlungshardware begünstigt wird.
Insbesondere Dieselfahrzeuge mit einem zweiten SCR-Katalysator im Unterboden könnten mit zunehmendem Fahrzeugalter von einer solchen Fehlfunktion betroffen sein.
Zitat:
@WalterE200-97 schrieb am 2. Dezember 2024 um 20:10:49 Uhr:
Sekundärpartikel wären z.B. nach einem Störfall wie Ammoniakschlupf in oder nach der Abgasnachbehandlungsstrecke zu erwarten
...
Insbesondere Dieselfahrzeuge mit einem zweiten SCR-Katalysator im Unterboden könnten mit zunehmendem Fahrzeugalter von einer solchen Fehlfunktion betroffen sein.
Tatsächlich ist, zumindest bei meinem, Ammoniak-Schlupf kein Störfall, sondern in manchen Zuständen normales Verhalten.
Dazu 2 Kontextinformationen:
- Die Ammoniak-Speicherfähigkeit von SCR-Katalysatoren sinkt dabei mit steigender Temperatur.
- NOx-Sensoren heißen zwar "NOx-Sensor", reagieren aber auch auf Ammoniak.
Die maximal absichtlich herbeigeführte Ammoniak-Beladung liegt bei meinem bei 0,33g/l für SCR1 und 0,125g/l bei SCR2. Soweit ich herausfinden konnte, beträgt das Katalysatorvolumen 3,4l und 3,0l.
Wenn im Stadtverkehr eine DPF-Regeneration einsetzt, sinkt die Ammoniak-Speicherfähigkeit viel schneller, als Ammoniak verbraucht werden kann. Ab einer Temperatur von 350°C in der DPF/SCR-Kombination sieht man steigende Werte für NOx 2, und bei 400°C gibt es sogar einen Peak, bei dem NOx 2 viel größer als NOx 1 ist. Und das ist Ammoniak-Schlupf, der hier einige hundert ppm betragen muss. Danach pendelt sich das ein, so dass NOx 2 knapp unter NOx 1 liegt. Da SCR2 zu diesem Zeitpunkt noch nicht so heiß ist, wird der Ammoniak, der aus SCR1 austritt, in SCR2 aufgenommen, so dass dessen Ammoniak-Beladung steigt. In diesem Datensatz ist die Ammoniak-Beladung nicht drin, ich habe aber andere Datenaufzeichnungen, in denen zu sehen ist, dass das Motorsteuergerät das auch so sieht.
Ohne Ammmoniak-Sperrkatalysator wäre kurze Zeit später genau der gleiche Effekt zwischen NOx 2 und NOx 3 sichtbar, wenn SCR2 entsprechend heiß wird. Nennenswerter Ammoniak-Schlupf, der am Auspuff auftritt, würde voraussetzen, dass der Ammoniak-Sperrkatalysator nennenswert altert. Das wiederum würde mich wundern, weil der so weit hinten im Angasstrang sitzt, dass er selbst während einer DPF-Regeneration auf der Autobahn nicht mehr kritisch heiß werden sollte. SCR2 erreicht etwa 550°C, der Ammoniak-Sperrkatalysator entsprechend ein kleines bisschen weniger.
EDIT Jetzt habe ich den Graph falsch beschriftet. Die Rechte Y-Achse stellt sowohl NOx in ppm als auch die Temperatur in °C dar. Links ist nur die Geschwindigkeit.