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Schadenregulierung nach Verkehrsunfall in Großbritannien

Ich schreib mal meine Erlebnisse aus diesem Sommer auf, vielleicht interessiert es den einen oder anderen.

Familienurlaub in GB mit eigenem Auto, und dann das, was sich keiner wünscht: Verkehrsunfall. Ein älterer Herr übersieht uns und nimmt uns, aus einer Seitenstraße kommend, die Vorfahrt. Resultat: Alle kommen glücklich davon, keiner ist auch nur im geringsten verletzt, aber beide Fahrzeuge sind beschädigt, seins noch fahrbereit, meins nicht mehr.

An dieser Stelle erst mal ausdrückliches Lob an die Engländer. Buchstäblich der erste, der vorbeikam, hielt an und half uns beim Räumen und Absichern der Unfallstelle und Herbeirufen von Polizei und Rettungsdienst (sicherheitshalber, der Unfallgegner war Mitte 70). Auch fast alle anderen Vorbeifahrenden fragten zumindest, ob alles OK ist und sie was tun können. Die Polizei brauchte zwar eien Weile, bis sie vor Ort war (auf dem flachen Land in Worcestershire), aber die Beamtin nahm den Unfall ganz ruhig, gründlich und freundlich auf und erklärte mir die nächsten Schritte ganz ausführlich. Ich erhielt ein Formular mit allen Angaben zum Unfallgegner (Name, Adresse, Versicherung etc.) sowie der Bezeichnung der Polizeidienstelle samt Vorgangsnummer mit dem ausdrücklichen Hinweis, daß dort jederzeit nachgefragt werden darf, wenn es Schwierigkeiten mit der Schuldfrage gibt. Ich müsse mich auch nicht um die Verschmutzungen auf der Straße sowie ein beschädigtes Verkehrsschild kümmern. Aus Sicht der Polizistin lag die Schuld ganz deutlich beim Gegner, der bestritt das auch gar nicht (der Mann war sehr geknickt und entschuldigte sich immer wieder).

Mein Fahrzeug (Frontschaden, Vorderachse beschädigt) wurde dann zunächst von einer lokalen Firma zu unserer glücklicherweise nicht weit entfernten Unterkunft (B&B) bugsiert.

Ich meldete den Unfall sofort telefonisch meiner eigenen Fahrzeugversicherung (Nürnberger/Garanta). Irgendeine Unterstützung bei der Regulierung wurde mir nicht angeboten, dazu wäre wohl eine Zusatzleistung nötig (Schadenbrief?), die ich aber nicht im Vertrag habe. Damit war ich auf mich allein gestellt.

Für die Regulierung brauchte ich dann praktisch drei volle Tage, der Tag nach dem Unfall war ein Sonntag, an dem in der Auslandsabteilung der gegnerischen Versicherung (Aviva-Konzern) niemand arbeitete, an dem Montag und Dienstag dann war ich fast nur am Telefonieren. Währenddessen saßen wir vier leider in unserem B&B fest, unsere superfreundliche Wirtin half uns aber, wo es nur ging.

Die gegnerische Versicherung bestätigte zunächst sofort, daß der Unfallgegner den Unfall bereits gemeldet und die volle Schuld anerkannt habe. Man versprach auch gleich, ein Ersatzfahrzeug zu organisieren (nachdem wir schon den Sonntag komplett im Haus verbracht hatten), aber bis ich das dann wirklich hatte, war der Abreisetag (Mittwoch) gekommen. Und anfangs hieß es zwar, daß es mir gebracht würde, aber faktisch mußte ich zum Schluß noch selber eine Fahrt zum Autovermieter organisieren. Auch schon die Frage, was mit meinem eigenen Fahrzeug wird, ging mehrmals hin und her. Die ganze Abwicklung, die ja unter Zeitdruck stand, war irgendwann nur noch frustrierend. Ich habe ca. 25 Telefonate mit x verschiedenen Leuten in y verschiedenen Hotlines bzw. Abteilungen des Versicherers, der Autobörse und der diversen Autovermieter führen müssen, ehe ich am Ziel war. Das war manchmal zum Auswachsen! Schon weil die Engländer zwar ab und zu sogar zurückrufen, aber erstens weiß man nie genau wann (so daß ich mich praktisch nicht vom Telefon im B&B wegrühren konnte), zweitens haben sie die doofe Angewohnheit, nicht zu sagen, von welcher Firma oder Abteilung sie sind. Da stellt sich echt das Buchbinder-Wanninger-Gefühl ein.

Die zwischendurch angerufene deutsche Botschaft gab mir den Rat, überhaupt nicht auf Zusagen zu warten, sondern alles selbst zu organisieren und dem Gegner hinterher in Rechnung zu stellen („das kann dann aber eine Weile dauern, ehe alles bearbeitet und bezahlt ist“); direkte Hilfe gab es von der Botschaft nicht, naja, ist wohl auch nicht deren Aufgabe.

Reguliert wurde folgendes:

* Mein Fahrzeug wurde nach meiner Schadenbeschreibung (Gutachter wurde nicht benötigt) als nicht sofort reparierbar eingestuft, es wurde ein wirtschaftlicher Totalschaden angenommen. Damit war ich einverstanden (hatte auch faktisch keine andere Möglichkeit, eine Reparatur innerhalb von zwei Tagen wäre gar nicht möglich gewesen). Der englische Versicherer zieht in einem solchen Fall das Fahrzeug komplett ein und überläßt die Verwertung einer speziellen Firma namens BlueCycle, die vermutlich einen Restwert an den Versicherer zahlt.
* Der englische Versicherer erfragte bei einem deutschen Gutachter den Wiederbeschaffungswert meines Fahrzeugs. Da mein Fahrzeug eine Autogasanlage hatte, wurde der Neupreis einer Umrüstung berücksichtigt, da zur Wiederbeschaffung eines Autogas-Fahrzeugs im Regelfall der Kauf eines vergleichbaren Fahrzeugs ohne Anlage und eine erneute Umrüstung erforderlich ist. Dies, obwohl die Gasanlage bereits ca. 5 Jahre alt war. Ich bekam eine Zusage über insgesamt 5.000 € (die ich mir per Fax bestätigen ließ), ein realistischer Preis.
* Da eine sofortige Reparatur nicht möglich war, benötigte ich für den Resturlaub und die Rückreise ein Mietfahrzeug. Das war der schwierigste Teil. Mal abgesehen davon, daß ich das Auto wie gesagt erst am Abreisetag bekam, wollte man mir zunächst lediglich ein Fahrzeug bis zur Fähre zugestehen und dann ein weiteres auf dem Kontinent bis nach Hause. Es brauchte ein paar Anläufe, bis man mir glaubte, daß das für eine Familie mit zwei kleinen Kindern und Urlaubsgepäck und z. B. mitzunehmenden Kindersitzen und sonstigem persönlichem Inventar unzumutbar ist. Ich bekam dann irgendwann die Zusage, daß nun doch ein Mietwagen bis nach Hause übernommen wird, trotz des heftigen Aufpreises für „one-way to the continent“. (Das nächste Problem bestand darin, ein solches Fahrzeug zu finden, da überhaupt nur Hertz one-way to the continent vermietet, aber alle umliegenden Niederlassungen gerade keine passenden Fahrzeuge hatten. Kurz vor Ultimo trieb Hertz noch einen Focus Kombi auf, das war OK. Aber Rechtslenker fahren ist ... sehr gewöhnungsbedürftig.)
* Da wir (nachweislich) unmittelbar nach dem England-Urlaub weitere zehn Tage Urlaub woanders machen wollten, konnte ich mich nicht sofort nach der Rückkehr um ein neues Auto kümmern. Da dieses nach Beschaffung auch noch umgerüstet werden mußte, würden die üblichen 14 Tage nicht ausreichen, ich brauchte also über die Rückreise hinaus für mindestens vier Wochen ein Leihfahrzeug. Auch hier brauchte es etwas Nachdruck, aber das wurde mir am Ende zugesagt; ich ließ mir das ebenso wie die Rückreise per Fax bestätigen.
* Da die Regulierung praktisch die gesamte Restzeit unseres Urlaubs auffraß und wir in der Zeit nicht vom Fleck kamen, weil die Zusage der schnellen Stellung eines Leihwagens ja nicht eingehalten wurde, forderte ich überdies pauschale 200 € täglich für drei Tage als Schadenersatz. Dies wurde abgelehnt, mir wurden jedoch einmalig 200 € zugesagt.

Die gesamte Summe – 5.000 € für mein Fahrzeug, ca. 2.100 für die zwei Leihwagen (Rechnung der Autovermieter als Nachweis) sowie die o. g. 200 als pauschaler Schadenersatz – wurden ca. 14 Tage nach dem Unfall per EU-Überweisung an mich ausgezahlt. Alles in allem wurde somit, von dem verdorbenen Urlaubserlebnis mal abgesehen, die Sache korrekt und ohne Verluste reguliert. Auch der lokale Abschleppdienst wurde m. W. bezahlt (direkt abgerechnet).

Dennoch gebe ich allen, die sich den Aufwand einer sofortigen Regulierung vor Ort im Urlaubsland nicht antun wollen, genau denselben Rat wie die deutsche Botschaft: Laßt euch die Daten des Unfallgegners und der Polizei geben, meldet den Unfall bei der eigenen Versicherung und kümmert euch um alles Praktische (Mobilität vor Ort, Reparatur oder Verschrottung, Rückreise etc.) erst mal selber. Sammelt die Belege und nehmt die Regulierung dann nach der Rückkehr von zu Hause aus in Angriff.

Beste Antwort im Thema

OK, Schande über mich, ich habe Zentralruf und Büro Grüne Karte durcheinander geworfen. Stand schon auf dem Fenstersims und wollte springen nachdem ich erlebt habe wie hier auf einem verbal herumgetreten wird. Kann jetzt so manchen User verstehen, der sich eher zurückhält hier mal was zu posten...
Schade, dass keiner von den "Obergurus" hier den Fehler vorher korrigiert hat, sagt auch was über Forenkultur aus.

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2003 ist die vierte Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie in Kraft getreten. Mit dieser wurde die "Lücke" die das System der Grüne-Karte-Büros mit sich bringt geschlossen.

Ansprechpartner ist der Zentralruf der Autoversicherer. Dieser gibt Information über den ausländischen Versicherer des Fahrzeuges und dessen verantwortlichen Schadenregulierer in Deutschland.

Es möglich, seine Ansprüche - außergerichtlich - in Deutschland geltend zu machen.
Dies gilt für Unfälle die sich ab dem 01.01.2003 in einem EU-Mitgliedsland, sowie in Norwegen, Kroatien, Slowenien, Ungarn oder der Schweiz ereignet haben.

DBGK ist nur für Unfälle in Deutschland zuständig und die Vorgaben sind etwas anders, als bei Schadenfällen im Ausland.
Da aber die meisten Versicherer in Deutschland immer den gleichen Schadenregulierer beauftragen, wird die Auskunft des DBGK und des Zentralruf der Autoversicherer identisch ausfallen.

OK, Schande über mich, ich habe Zentralruf und Büro Grüne Karte durcheinander geworfen. Stand schon auf dem Fenstersims und wollte springen nachdem ich erlebt habe wie hier auf einem verbal herumgetreten wird. Kann jetzt so manchen User verstehen, der sich eher zurückhält hier mal was zu posten...
Schade, dass keiner von den "Obergurus" hier den Fehler vorher korrigiert hat, sagt auch was über Forenkultur aus.

Unterschied ist halt nur, dass das DBGK die Pflichten eines Haftpflichtversicherers übernimmt und dadurch auch verklagt werden kann.

Die KH-Richtlinie bezieht sich nur auf die außergerichtliche Regulierung.

Sind halt nur Feinheiten im Ablauf.

@ Cl25: Ich (Deutscher, bei der deutschen Nürnberger/Garanta versichert) hatte in England einen Unfall. Unfallverursacher war ein Engländer (bei der englischen Aviva versichert).

@ Mindscape: Deiner Anmerkung entnehme ich die Information, daß ich in dem Fall, daß die Sache nicht vor Ort im Urlaubsland regelbar ist, ich als Geschädigter mich hinterher hier in D an den Zentralruf der Autoversicherer wenden kann, der mir den (wenn vorhanden) deutschen Regulierer der ausländischen gegnerischen Versicherung nennt, dem ich dann meine Forderungen auf deutsch klarmachen kann.

Habe ich das soweit richtig verstanden?

Wenn Du in meinen Beiträgen das "Büro Grüne Karte" gegen "Zentralruf der Autoversicherer" austauscht, dann hast Du die Antwort, Mindscape hat das am Ende nochmal klargestellt. Du musst Dich als Deutscher in England nicht selber drum kümmern, sondern kannst das über eine deutsche Versicherung in Deutschland machen.

P.S. Ich habe gerade nochmal recherchiert, das Büro Grüne Karte hat auch Zugriff auf diese Datenbank, aber um Twelferider und den Rest zu beruhigen zuständig ist eigentlich der Zentralruf der Autoversicherer in Deutschland für sowas...

Zitat:

Original geschrieben von Cl25
OK, Schande über mich, ich habe Zentralruf und Büro Grüne Karte durcheinander geworfen. Stand schon auf dem Fenstersims und wollte springen nachdem ich erlebt habe wie hier auf einem verbal herumgetreten wird. Kann jetzt so manchen User verstehen, der sich eher zurückhält hier mal was zu posten...
Schade, dass keiner von den "Obergurus" hier den Fehler vorher korrigiert hat, sagt auch was über Forenkultur aus.

Angriff ist immer die beste Verteidigung.........🙄

Ach, was, sind wir doch verkommen hier im Versicherungsform........🙁

Kannst ja eine Selbsthilfegruppe gründen. Machst dich sicher ganz gut als deren Anführer.

Passiert halt, wenn man so Arrogant daherschreibt, wie du das hier schon so manches mal verwirklicht hast.

Ich bleibe da doch lieber bei meiner rustikalen Schreibweise.......😁

Ja, jeder so wie er mag. Ich finde deine (Eure) Haltung von oben herab ein bisschen bedenklich, dass ihr auf meine Kritik nicht erfreut reagiert ist mir auch klar, aber als Moderator sollte man immer mit einer gewissen Grundgelassenheit und -freundlichkeit vorangehen. Die vermisse ich hier seeeehr oft. Ich versuche mein (zugegebener Massen nicht mehr immer aktuelles Fachwissen) nicht mit empirischen Aufsätzen zum besten zu geben sondern Antworten oder Ratschläge auf die Frage zu geben - Versicherungsbedingungen lesen kann hier jeder...

Was da jetzt die Moderation mit zu tun hat, kann ich nicht nachvollziehen. Vielleicht gibts ja ne erklärende PN dazu 🙂

Ansonsten möchte ich euch bitten eure persönlichen Streitigkeiten auch per PN zu klären 😉

Grüße
Steini

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