Längsdynamik: Bergfahrt und herunterschalten
Hallo,
ich beschäftige mich gerade mit Fahrzeug-Längsdynamik und komme an einem Punkt einfach nicht weiter:
Für den Vortrieb des Fahrzeugs ist im Wesentlichen die Differenzkraft von Antriebs- und Widerstandskräften verantwortlich. Die Antriebskraft wird über das Drehmoment der Getriebe-Abtriebswelle erzeugt - mit ihr nehme ich Einfluss auf die Differenzkraft. Da die Leistungsbilanz auf Eingangs- und Ausgangsseite gleich sein sollten (Getriebe-Wirkungsgrad vernachlässige ich mal), führen niedrigere Eingangsdrehzahlen zu einem höheren Ausgangsmoment und umgekehrt. (Das ist ja auch der Grund, weshalb man bei Beschleunigungen hochschaltet).
Mein Knackpunkt:
Angenommen, ich fahre einen so steilen Berg hinauf, dass die Hangabtriebskraft größer als die Antriebskraft ist. Infolgedessen müsste ich die Antriebskraft durch einen herzhaften Tritt aufs Gaspedal erhöhen.
Trotzdem kann es sein, dass auch die Vollast nicht ausreicht, um die Hangabtriebskraft zu überwinden; Lösung in der Praxis: Herunterschalten.
Wie passt das damit zusammen, dass bei höheren Eingangs-Drehzahlen das Moment niedriger ist?!?
Der Theorie nach müsste ich doch noch höher schalten, um mehr Moment auf die Getriebeausgangswelle zu bekommen?
Wo ist mein gedanklicher Klemmer?
Hängt das vielleicht mit der Leistung zusammen, die ich beim Runterschalten mehr zur Verfügung habe?
Das heißt, verhungert mir mein Motor, weil er bei den niedrigen Drehzahlen dem Getriebe nicht genügend Leistung zur Verfügung stellen kann, damit dieses größere Momente wandeln kann?
Danke für Eure Hilfe!
Gruß, Karlson
Beste Antwort im Thema
Zitat:
@karlson69 schrieb am 8. Dezember 2016 um 18:38:01 Uhr:
...
Da die Leistungsbilanz auf Eingangs- und Ausgangsseite gleich sein sollten (Getriebe-Wirkungsgrad vernachlässige ich mal), führen niedrigere Eingangsdrehzahlen zu einem höheren Ausgangsmoment und umgekehrt. (Das ist ja auch der Grund, weshalb man bei Beschleunigungen hochschaltet).Mein Knackpunkt:
Angenommen, ich fahre einen so steilen Berg hinauf, dass die Hangabtriebskraft größer als die Antriebskraft ist. Infolgedessen müsste ich die Antriebskraft durch einen herzhaften Tritt aufs Gaspedal erhöhen.
Trotzdem kann es sein, dass auch die Vollast nicht ausreicht, um die Hangabtriebskraft zu überwinden; Lösung in der Praxis: Herunterschalten.Wie passt das damit zusammen, dass bei höheren Eingangs-Drehzahlen das Moment niedriger ist?!?
Der Theorie nach müsste ich doch noch höher schalten, um mehr Moment auf die Getriebeausgangswelle zu bekommen?Wo ist mein gedanklicher Klemmer?
Dein Klemmer liegt im oben fett markierten Teil: Du beschreibst es genau falsch herum: Bei gleicher Geschwindigkeit (entspricht Raddrehzahl) führt die niedrigere Eingangsdrehzahl (= höherer Gang) zu einem kleineren Drehmoment am Getriebeausgang.
Als Rechenbeispiel nehme ich einfach mal an, dass die Übersetzung im kleineren Gang das Doppelte des höheren Ganges sei. Dann halbiert sich beim Hochschalten die Motordrehzahl und ebenso das Getriebeausgangsmoment. Ich nehme weiterhin an, dass das Motormoment drehzahlunabhängig konstant sei. Dann habe ich über P = 2*pi*n*M nur noch die halbe Leistung am Motor, da sich die Drehzahl n halbiert. Am Getriebeausgang bleibt zwar die Ausgangsdrehzahl gleich, dafür halbiert sich aber das Drehmoment. Also wieder halbe Leistung, Deine richtig erkannte Leistungsbilanz stimmt.
7 Antworten
Zitat:
Die Antriebskraft wird über das Drehmoment der Getriebe-Abtriebswelle erzeugt - mit ihr nehme ich Einfluss auf die Differenzkraft. Da die Leistungsbilanz auf Eingangs- und Ausgangsseite gleich sein sollten (Getriebe-Wirkungsgrad vernachlässige ich mal), führen niedrigere Eingangsdrehzahlen zu einem höheren Ausgangsmoment und umgekehrt. (Das ist ja auch der Grund, weshalb man bei Beschleunigungen hochschaltet).
Das Drehmoment wird über das Getriebe gewandelt, jeder Gang höher erhöht den Wiederstand. Deswegen dreht man beim Beschleunigen nach der Leistung aus. Die verbleibende Radzugkraft ist da höher als im nächsten Gang.
Zitat:
Das heißt, verhungert mir mein Motor, weil er bei den niedrigen Drehzahlen dem Getriebe nicht genügend Leistung zur Verfügung stellen kann, damit dieses größere Momente wandeln kann?
Ja, das tut er. Es gibt zwei Gründe dafür.
Der erste ist, das eine niedrige Getriebebersetzung weniger Kraftverluste bewirkt.
Der zweite ist, das der Motor bei höheren Drehzahlen auch eine höhere Leistung erzeugt.
Ergo, bleibt unterm Strich ein höheres Kraftmoment für den Vortrieb.
Bezugnehmend auf den zweiten Punkt, kann mitunter auch schon eine höhere Geschwindigkeit im selben (höheren Gang) ausreichen, um den Anstieg problemlos hochzukommen.
Bist du schon mal Fahrrad mit Gangschaltung gefahren?
Zitat:
@karlson69 schrieb am 8. Dezember 2016 um 18:38:01 Uhr:
Da die Leistungsbilanz auf Eingangs- und Ausgangsseite gleich sein sollten (Getriebe-Wirkungsgrad vernachlässige ich mal), führen niedrigere Eingangsdrehzahlen zu einem höheren Ausgangsmoment und umgekehrt. (Das ist ja auch der Grund, weshalb man bei Beschleunigungen hochschaltet)......
Trotzdem kann es sein, dass auch die Vollast nicht ausreicht, um die Hangabtriebskraft zu überwinden; Lösung in der Praxis: Herunterschalten.
Wie passt das damit zusammen, dass bei höheren Eingangs-Drehzahlen das Moment niedriger ist?!?
Der Theorie nach müsste ich doch noch höher schalten, um mehr Moment auf die Getriebeausgangswelle zu bekommen?
Das verstehe ich nun nicht.
1. Was nimmst du für deinen Motor an? Ist die Leistung in deinem Rechenbeispiel unabhängig der Drehzahl gleich? Ist das Motormoment gleich? Dann steigt die Leistung konstant. Oder doch eher eine realistische Leistungskurve?
2. Das Getriebe wandelt, die Leistung, also das Produkt von Drehmoment und Drehzahl ist an Eingang und Ausgang gleich (bei theo. 100% Wirkungsgrad). In den versch. Gängen habe ich versch. Übersetzungen, im 1. Gang wird vllt. sogar untersetzt, also die Raddrehzahl ist kleiner als die Motordrehzahl, dafür hab ich nen irres Moment zum anfahren. Der 6. Gang ist immer sehr lange übersetzt, ich habe viel Drehzahl für hohe Geschwindigkeiten aber nichtmehr sehr viel Drehmoment.
Will ich stark beschleunigen schalte ich im übrigen herunter, nicht rauf.
Rauf schalte ich erst wenn die Drehzahlen des Motors soweit steigen dass die Leistung wieder abnimmt.
3. Wenn ich am Berg herunterschalte ändere ich die Getriebeübersetzung.
Bei gleicher Geschwindigkeit dreht jetzt der Motor höher ich bekomme i.d.R. eine höhere Leistung.
Wenn das Eingangsmoment des Motors etwa gleich bleibt bekomme ich über die kürzere Übersetzung mehr Moment am Getriebeausgang.
In der Realität werden beide Effekte eintreten.
Zitat:
@karlson69 schrieb am 8. Dezember 2016 um 18:38:01 Uhr:
...
Da die Leistungsbilanz auf Eingangs- und Ausgangsseite gleich sein sollten (Getriebe-Wirkungsgrad vernachlässige ich mal), führen niedrigere Eingangsdrehzahlen zu einem höheren Ausgangsmoment und umgekehrt. (Das ist ja auch der Grund, weshalb man bei Beschleunigungen hochschaltet).Mein Knackpunkt:
Angenommen, ich fahre einen so steilen Berg hinauf, dass die Hangabtriebskraft größer als die Antriebskraft ist. Infolgedessen müsste ich die Antriebskraft durch einen herzhaften Tritt aufs Gaspedal erhöhen.
Trotzdem kann es sein, dass auch die Vollast nicht ausreicht, um die Hangabtriebskraft zu überwinden; Lösung in der Praxis: Herunterschalten.Wie passt das damit zusammen, dass bei höheren Eingangs-Drehzahlen das Moment niedriger ist?!?
Der Theorie nach müsste ich doch noch höher schalten, um mehr Moment auf die Getriebeausgangswelle zu bekommen?Wo ist mein gedanklicher Klemmer?
Dein Klemmer liegt im oben fett markierten Teil: Du beschreibst es genau falsch herum: Bei gleicher Geschwindigkeit (entspricht Raddrehzahl) führt die niedrigere Eingangsdrehzahl (= höherer Gang) zu einem kleineren Drehmoment am Getriebeausgang.
Als Rechenbeispiel nehme ich einfach mal an, dass die Übersetzung im kleineren Gang das Doppelte des höheren Ganges sei. Dann halbiert sich beim Hochschalten die Motordrehzahl und ebenso das Getriebeausgangsmoment. Ich nehme weiterhin an, dass das Motormoment drehzahlunabhängig konstant sei. Dann habe ich über P = 2*pi*n*M nur noch die halbe Leistung am Motor, da sich die Drehzahl n halbiert. Am Getriebeausgang bleibt zwar die Ausgangsdrehzahl gleich, dafür halbiert sich aber das Drehmoment. Also wieder halbe Leistung, Deine richtig erkannte Leistungsbilanz stimmt.
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Deswegen rechne ich für den Hausgebrauch nicht mit "Momenten", sondern gleich mit der Leistung. P=F_x * v. Kennt man Drehzahl X und Y für die Geschwindigkeiten im Gang A und B, so lann man leicht ausrechnen, wie hoch der zum Beschleunigen verbleibende Leistungsüberschuss ist und das ganz ohne ein halbes Dutzend Momentwandlungen im Getriebe bzw. Hinterachse und Hebelkräfte an den Rädern zu berücksichtigen.
Hallo,
ich denke, ich habe es verstanden.
Mir war der Zusammenhang zwischen DRZ, Moment, Übersetzungsverhältnis und Motoreigenschaften noch nicht richtig klar. Letztendlich sorgt aber die höhere verfügbare Leistung bei höheren Drehzahlen für den Vortrieb.
Ich habe das ganze noch mal in ein pdf gepackt.
Danke an Euch für die schnelle Hilfe!!!!
Gruß, Karlson
Ja um mehr Beschleunigung zu haben muß man zurückschalten.
Ich habe da etwas zum Zusammenhang zwischen Drehzahl, Drehmoment und Leistung, wenngleich es da eigentlich um den Vergleich zwischen Diesel und Benzinern geht:
http://www.dmot.at/drlk.pdf