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Von einem der auszog.....

...die Welt zu verwirren

Fri Aug 21 16:37:43 CEST 2020    |    inoculator    |    Kommentare (6)

Dieser Artikel gibt eine Zusammenfassung in Form einer Nachbetrachtung zu unserem Dilemma mit dem Motorschaden an unserem kleinen Schwarzen.

Bild 5Bild 5

Vorgeschichte:

Der Kleine wurde von uns 2018 gekauft, als Zweitwagen für unseren Sohn, der für seine Ausbildung einen fahrbaren Untersatz brauchte.

Durch Zufall stießen wir dabei auf einen privaten Verkäufer, der das auf LPG umgerüstete Fahrzeug veräußerte.

LPG war für uns Neuland, stellte sich aber bei der Nachforschung als alternativer Antrieb positiv für uns da.

 

Die BCR Anlage wurde am Tag der Erstzulassung des Wagens von einer Fachwerkstatt verbaut.

Der km-Stand lag bei 170000km.

 

Nachdem wir -wie bei allen unseren Anschaffungen, eine große Inspektion und einige vorsorgliche Instandsetzungen durchgeführt hatten, brachte unser Sohn den km-Zähler innerhalb weniger Monate auf über 200.000km.

 

Und dann kam der Fehler, welcher alles Nachfolgende ausgelöst haben musste:

Die nachgerüstete LPG Anlage hat einen Ölbehälter, in den ein Zusatz zum Kühlen der Ventilsitze kommt.

Diesen füllte unser Sohn mit Motorenöl auf.

 

Zwar wurde der Fehler bemerkt, da hatte das Fahrzeug aber schon einige hundert km mit diesem gefahren.

 

Wenige Wochen später blieb der Motor unter lautem Gejaule und Gequalme stehen. Zwar drehte die Maschine noch, aber sobald man aufs Gas ging, brach der Lauf ab und der Motor ging aus.

 

Die erste Diagnose durch die Fachwerkstatt lautete völlig unerwartet: "Motorschaden". ;-)

Man erklärte uns, daß PSA in diesen Motoren "schwimmende Laufbuchsen" verbaut und dort traute man sich nicht ran -insgesamt 3 Fachwerkstätten machten die gleiche Aussage.

Sternzeit: 2019-03: Der Entschluss lautete also: neuer Motor.

 

Zu unserem Erstaunen war selbst die ortsansässige Peugeot Fachwerkstätte nicht in der Lage, den Motor eindeutig zu identifizieren.

Erst ein Telefonat mit der Zentrale in Rueil-Malmaison und die Vermittlung an einen Niederländischen Unternehmer brachte den richtigen Motortyp zutage.

Das Problem war, soweit wir das bis heute richtig verstanden haben, daß unser Kleiner ein Opfer der Produktionsumstellung am laufenden Band war. Er ist sozusagen ein "Hybride" zwischen 3 Versionen.

Daher hat er wohl eine FGSTN aus der "alten" Serie, eine Typennummer aus der "neuen" Serie, aber eine Teileliste aus beiden Serien.

Danke, daß wir mal wieder solch ein Glück haben -irgendwie ist das eine Konstante in unserem Autoleben.

 

Naja, so hatten wir also nach fast 3 Monaten Suche einen neuen "gebrauchten" Motor.

 

Unsere Fachwerkstatt baute daraufhin den Wagen um und wir konnten ihn wieder fahrtüchtig entgegennehmen.

Die Ursache konnte zu diesem Zeitpunkt nicht klar beschrieben werden. Wir vertrauten darauf, daß die Werkstatt alle Komponenten geprüft hatte und wir sauber waren.

 

Sternzeit 2019-08: Nach knapp 1000km rief uns unser Sohn an, und meldete den Ausfall des Wagens auf der Autobahn.

Bei der Besichtigung stellte sich das gleiche Fehlerbild wie beim ersten Schaden ein.

Wir waren ratlos.

Da sich sowohl der Niederländische Motorenlieferant, als auch die Fachwerkstatt, welche den Umbau durchgeführt hatte, unwissend stellten, und wir mitten in einem Umzug waren, fiel bei uns die Entscheidung, daß wir den Wagen zunächst unterstellten, und nach Abschluss des Umzugs einer Bewertung unterziehen wollten.

Für unseren Sohn wurde ein gebrauchter Opel Corsa E mit LPG ab Werk angeschafft, womit die Einsatzbereitschaft des kleinen Schwarzen nicht mehr vordergründig war.

 

Sternzeit 2020-04:

Ich habe mich mithilfe des Internet schlau gemacht, was es mit den "schwimmenden Laufbuchsen" auf sich hatte.

Auch die Diagnose der Schadensursache wurde theoretisch erörtert.

Der Entschluss wurde gefasst: sollte sich der Verdacht der Ursache bestätigen, werden wir in Eigenregie den Kleinen wieder aufbauen.

Der KAT wurde demontiert und die Ursache bestätigt: verbranntes Katalyt.

Staub und Klumpen in dem Bereich, was einmal den Abgasreiniger darstellte.

Schritt 1. neuer KAT.

Der Motor sprang sofort an und alles gequalme und gejaule im Motorraum war verschwunden. Die Maschine lief rund und ohne hörbare zicken.

Nur die weiße Abgaswolke ließ auf einen verständlichen Schaden der Kopfdichtung schließen.

 

Bild 2Bild 2revision1-kopfdichtungrevision1-kopfdichtung

Schritt 2: erste Revision

Nachdem der Kopf demontiert war, konnte die Ursache des Sekundärschadens schnell bestätigt werden. Die Kopfdichtung hatte Löcher vom Verbrennungsraum zum Kühlkreislauf. Weder fand sich jedoch Öl im Wasser noch umgekehrt.

Kopfdichtung und Schrauben wurden erneuert.

 

Schritt 3: neuer TÜV.

Da der Kleine bereits über dem TÜV Termin war, wurde nun mit Tageszulassung um einen neuen TÜV gekämpft. Zwar bestand er ohne Murren die AU, aber leider stellte sich eine Undichtigkeit an einem der Gasventile heraus.

Somit war an eine Abnahme nicht zu denken.

 

Schritt 4: Gasrevision -neue Einspritzbrücke

Da unser Vertrauen in die Fachwerkstatt, welche den Motortausch durchgeführt hatte ein wenig "gelitten" hatte, wurde ein neuer Partner gesucht und gefunden.

Mit diesem wurde die Vorgeschichte und der aktuelle Zustand des Fahrzeugs beraten und die Entscheidung gefällt, nicht nur das eine Ventil, sondern die komplette Brücke mit allen 4 Ventilen zu erneuern. Hintergrund hier war die Tatsache, daß der Kleine eine "alte" Version der Ventile hatte, und diese fast nicht mehr zu fairen Preisen zu bekommen waren. Außerdem konnte man dem Argument, daß die restlichen drei Ventile ja auch nicht mehr die jüngsten waren, nicht wirklich etwas entgegen setzen. Die Arbeiten wurden ausgeführt und die Nachuntersuchung lief ohne Mängel ab.

 

Schritt 5: Kopfdichtung reloaded

Innerhalb weniger km sank der Ölstand ohne eine sichtbare Emission am Auspuff. Auch konnte unter dem Fahrzeug keine Tropfstellen gefunden werden. Der Motor war äußerlich trocken.

Da der Verlust nicht mit "der läuft sich noch ein" erklärt werden konnte, wurden wieder theoretische Modelle erarbeitet, wo der Fehler liegen könnte. Da wir von rechnerisch über 2 Liter/1000km sprachen, konnte ein Vorschaden des Motors ausgeschlossen werden. Auf den ersten 1000km vor dem zweiten Schaden war der Ölverbrauch quasi mit "0" anzugeben.

Es musste also etwas sein, was mit dem mittlerweile als "Kompressionsschaden" bezeichneten Fehler zusammen hing.

Da weder im Kühlwasser CO2 oder Öl nachgewiesen werden konnte, noch im Öl irgendwas mit Wasser zu finden war, konnte das Öl nur noch über den Verbrennungsprozess aus dem System gelangen. Da jedoch keine blauen Wolken hinter uns auftauchten, war es unwahrscheinlich, daß das Öl im 3. Takt seinen Weg ins Freie fand.

Auffallend war, daß aus dem Auspuff nach dem Abstellen und Abkühlen beim nächsten Anlassen ein klebriges, rußiges Gemisch aus Wasser und Öl ausgeblasen wurde.

Der Verdacht fiel auf die Ventilschaftdichtungen der Auslassventile und die Abstreifringe der Kolben wurden in Erwägung gezogen.

Bild 4Bild 4

Also wurde der Motor noch einmal geöffnet. Für die Laufbuchsen wurde ein Spezialwerkzeug angefertigt, welches beim Entnehmen der Kolben die Laufbuchsen fixierte.

Tatsächlich waren die Abstreifringe blank. Alle 4 rundherum sauber, wie auf der Drehbank blank gedreht.

Die Laufbuchsen hatte keine Beschädigungen und auch die Kompressionsringe waren soweit in Ordnung, bis auf die Tatsache, daß die "Ölreservenut" im Minutenring verkokst war.

Bild 1Bild 1

Die Ventilschaftdichtungen waren dem Alter geschuldet erwartungsgemäß hart und ein wenig aufgelaufen. Eine nachhaltige Beschädigung über das Maß der Alterung hinaus konnten nicht nachgewiesen werden. Dennoch wurden die Dichtungen erneuert. Ventilführungen und -sitze waren innerhalb der Toleranzen und außer schweren Ölverkokungen auf den Flächen konnte keine weitergehende Beschädigung gefunden werden.

Das Tauschen der Kolbenringe war unkompliziert und unter strengster Kontrolle der Positionen von Lagerschalen, Pleuels und Schrauben erfolgte der Zusammenbau präzise.

Nach Abschluss der Arbeiten sprang der Motor beim ersten Versuch an.

 

Schritt 6: Da klappert keine Mühle.

Bild 3Bild 3

Es fiel zuerst meiner Frau auf, daß aus dem Motorenraum ein ungewohntes Nadeln zu hören war.

Tatsächlich hörte sich der Kleine streckenweise mehr nach einem Traktor an, denn einem Auto.

Nach kurzem Lesen der bereits favorisierten Quellen wurde schnell klar, daß man nach solch einer Revision doch mal das Ventilspiel prüfen sollte.

Tatsächlich lagen auf 6 von 8 Ventilen Werte, welche den Verdacht aufwarfen, ich hätte die Kipphebelbrücke falschherum montiert. Da dieses aber technisch nicht möglich ist (asymetrische Zapfen), muss wohl in Betracht gezogen werden, daß nach dem Öffnen des Kopfes doch auch das Ventilspiel sich verstellen kann.

Alle Werte wurden korrigiert und das Nadeln verschwand.

 

Schritt 7: Gasanlage beleidigt

Zum Einfahren der neuen Ringe wurde eine Autobahnfahrt nach Luxemburg gewählt. Die Drehzahl für die ersten 500km wurde in der Spitze für's Beschleunigen mit max. 4000rpm und für die Strecke auf 3000rpm begrenzt ("Versuche unter 3000rpm zu bleiben, aber auf keinen Fall über 4000rpm.").

Auf der Rückfahrt ging nach etwa 400km die MKL an. Es konnte keine Veränderung des Fahrverhaltens wahrgenommen werden.

Das Auslesen zu Hause brachte die Sequenz p0170 (Gemisch zu mager), p0420 (KAT Fehlfunktion) auf dem Display.

Es erfolgte die Rücksprache mit der LPG Werkstatt, welche eine notwendige Justierung der LPG Anlage zum Ergebnis hatte.

 

Schritt 8: O2-Sensor: "Mit Dir spiel' ich nicht"

Nach der Justage folgte nach etwa 100km ein erneutes Leuchten der MKL. Diesesmal nur eine "p0420 (KAT fehlfunktion)".

Da der ursprüngliche Fehler vom KAT ausging, wurde dieser nun abgeleuchtet und geprüft. Es konnte jedoch kein Fehler festgestellt werden. Einzig fand sich im Netz auf verschiedenen Quellen, daß bei Erneuerung des KAT am Besten auch beide O2-Sensoren getauscht werden sollten.

Da sonst kein Fehler festzustellen war, wurden Regel- und Diagnosesonde nun auch noch durch Neue ersetzt.

 

Schritt 9: Kaffee.

Man mag uns für bekloppt halten, angesichts der Zeit und des nicht unerheblichen finanziellen Aufwands, aber ich würde es wieder machen. Ein Verkauf des kleinen Schwarzen wäre zu keinem Zeitpunkt wirtschaftlich gewesen, da der Verkaufswert quasi im Verschrottungsbereich gelegen hätte, und eine "Neuanschaffung" mit neuen Risiken verbunden wäre. Zwar ist es für ein solches Fahrzeug unsinnig wirschaftliche Grundwerte anzulegen, jedoch sollte er nun bis zum nächsten TÜV in 24 Monaten halten, beläuft sich der monatliche Invest auf etwas unter €100.

Verglichen mit einem neuen Gebrauchten ist das aus unserer Erfahrung für den ersten Zyklus nur halb so teuer (Vergleichswert neuer Gebrauchter: 185€/Monat).

 

Sollte jemand vor ähnlichen Herausforderungen stehen, so bin ich gerne bereit, mit Rat und Tat -sowie den benötigten Werkzeugen; beiseite zu stehen.

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Fri Aug 21 19:42:26 CEST 2020    |    Druckluftschrauber245

Sehr spannende Geschichte. Daumen hoch dafür :)

Mon Aug 24 08:36:14 CEST 2020    |    Tobner

Wirklich spannend. Vorallem nicht so der alltägliche Teile-Tausch-Marathon, den man sonst so liest.

 

Ich finde es schon bemerkenswert, dass ihr euch so weit in den Motor hineingetraut habt. Aber wenn man als Schrauber den Text liest, merkt man auch, dass ihr schon einige Erfahrung im Schrauben habt.

 

Zum Thema Ventilspiel: Hatte mal die Kopfdichtung eines Kangoo (1.4er 8V Benziner) gemacht mit Kopfrevision. Beim starten lief er nicht auf allen Zylindern und der Kompressionstest war fatal. Nach ein paar Stunden Fehlersuche fiel auf, dass das Ventilspiel nicht passte und die Ventile offen blieben :D

Ich hatte nach zusammenbau das Ventilspiel auch nicht kontrolliert und beim Einschleifen der Ventile hat sich das alles gehörig verstellt. Aber gut, im 21. Jahrhundert denkt man auch nicht mehr ans Ventile einstellen :D

 

Kann man bei den Fanzosen die alten Pleuelschrauben wiederverwenden? Es scheint, dass ihr die alten Schrauben wiederverwendet habt.

Mon Aug 24 12:44:25 CEST 2020    |    inoculator

Hallo Tobner.

Der TU3JP hat Steckschraubbolzen mit Muttern an den Pleuellagern.

Diese werden nur mit 38Nm ohne Winkelzug angezogen.

Daher sind die wiederverwendbar.

 

Bei Hydrostößeln bin ich gespaltener Meinung.

Unser Ommi nadelt je nach Außentemperatur und Ölkonsistenz ganz schon. Da würde ich lieber mit festen Kipphebeln arbeiten.

Mon Aug 24 13:18:16 CEST 2020    |    Tobner

Ah okay, wusste nicht, dass es auch Schrauben gibt, die da wiederverwendbar sind.

 

Natürlich gibts auch Hydros, die etwas schnattern, aber wenn bei festen Kipphebeln oder Tassenstößeln das Spiel zu groß ist, rasselt das auch sehr unangehm.

Tue Aug 25 07:40:09 CEST 2020    |    DerGroßmeister

Welch unverhältnismäßiger Aufwand... Klasse :-)

 

Bin früher ebenfalls 2 x den 206 gefahren, 1x 1,4 75 ps und einmal 1.6 HDI 110ps , hab beide aber bei 125k abgestoßen, weil die Peugeot in meinen Augen ab 100tkm komisch werden.

 

Ich weiß nicht was dein Invest alles beinhaltet, aber für >100 € bekommst du schon einen Neuwagen als 3 Jahres Leasing. :-)

 

Trotzdem toller Text und allzeit gute Fahrt

Tue Aug 25 09:05:38 CEST 2020    |    inoculator

Hallo Großmeister,

den Aufwand einer solchen Fehlerbehebung mit einem Leasingfahrzeug zu vergleichen ist zwar auf den ersten Blick nachvollziehbar, jedoch spielen zwei Faktoren eine nicht ganz unwichtige Rolle:

1: Religion.

Nur weil etwas kaputt ist, oder es kaputt gehen könnte, kaufen wir nicht neu. Wir -meine Frau und ich; gehören noch zu der Generation, welche von den Kriegsgezeichneten gelernt haben, wie wichtig es ist, Dinge Instandhalten zu können.

2: TCO vs. ROI

Wenn man ein Fahrzeug unmittelbar zum erwirtschaften des eigenen Kapitals umsetzt, ist ROI implizit.

Ist es aber "nur" für das private Vergnügen, spielt nur die TCO eine Rolle.

Rechnet man da ein Neufahrzeug gegen einen Gebrauchten, ist selbst in unserem Fall der Gebrauchte günstiger, da der Wertverlust des Neufahrzeugs bereits in der Abflachung ist und die zusätzlichen Nebenkosten des NFZ entfallen (bsp. Versicherung).

 

Am Ende: Leasing ist nicht gleich Leasing.

Nur die monatlichen Leasingraten zu rechnen ist fatal. Zum Leasing gehört weit mehr. Ignoriert man das, sieht man falsche Zahlen. Ob ein Leasingzyklus im direkten Vergleich günstiger ist, kann man nur sehen, wenn man den Zyklus abgeschlossen hat und ein Nachfolgeleasing herausrechnet -also wirklich nur genau einen Zyklus berechnen.

Deine Antwort auf "Peugoet 206 Motorenchaos"

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