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Lichttechnik im Auto - Xenon ist tot - Laser oder LED sind die Zukunft

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Die deutschen Automobilhersteller streiten über die Frage: Was folgt auf Xenon? Laser oder LED. Wir sind mit einem Auto gefahren, das beide Techniken an Bord hat.

Stuttgart – 1991 wurde Autofahren plötzlich etwas anstrengender. Zumindest für alle, die keinen neuen 7er fuhren. BMW installierte erstmals Xenonlicht in seinem Oberklassemodell. Der Gegenverkehr wurde von gleißendem Licht geblendet. Die Folge: zusammengekniffene Augen und Falten auf der Stirn.

Heute hat sogar mancher Kleinwagen die Gasentladungslampen an Bord. Die Technik ist ausgereift und bezahlbar. Doch die Stunden von Xenon sind gezählt: LED und Laserlicht versprechen deutliche Vorteile.

Verschiedene Konzepte bei Audi, BMW und Mercedes

Auch wenn Xenon- und Bi-Xenon-Lampen alles andere als trübe Funzeln sind: LED und Laserlicht bieten mehr Lichtausbeute bei weniger Stromverbrauch. Außerdem lassen sie sich feiner justieren. Welches das bessere System ist, darüber streiten die Hersteller. Es ist ein bisschen wie mit der Diskussion um die bessere Videokassette, Anfang der 1980er-Jahre: VHS oder Video 2.000?

Audi R8 LMX und BMW i8 setzen derzeit auf Laserlicht als Fernlicht-Reichweitenverlängerer. Scharf, dünn und punktgenau sticht das Licht in die Nacht. Selbst Luke Skywalker wäre angesichts dieser Technik erstaunt - besonders über die Farbe. Bis zu vier Laserdioden erzeugen in einem abgeschotteten Kästchen einen blauen Laserstrahl. Doch das Blau darf nicht blau bleiben. Denn das Licht, das auf die Straße fällt, muss laut StVO weiß sein.

Hindernis kann 20 Sekunden früher gesehen werden

Deswegen wandelt eine Phosphor-Schicht den blauen Laserstrahl in einen tageslichtweißen mit 5.500 Kelvin um. Rund 600 Meter reicht der Strahl. Bei Tempo 100 kann der Fahrer ein Hindernis 20 Sekunden früher erkennen als mit einer Xenon-Fackel. Sofern die Strecke gerade und kein Gegenverkehr vorhanden ist.

Die Laser-Zusatzscheinwerfer schalten sich erst ab 70 km/h zu, damit Passanten nicht versehentlich in das gleißende Licht schauen. Der Nachteil: Die Technik ist extrem teuer, beim BMW i8 sind es rund 9.000 Euro.

Mercedes setzt dagegen ausschließlich auf LEDs. „Das hört sich zwar nicht so modern wie Laser an, bietet aber unserer Meinung nach mehr Vorteile“, sagt Günter Fischer, Leiter Karosserieentwicklung Exterieur und Fahrzeugbetriebssysteme bei Mercedes. Im Gegensatz zu einem gebündelten Laserstrahl lassen sich LEDs einzeln ansteuern und bei Gegenverkehr gezielt ausblenden. Rechts und links neben dem Fahrzeug bleibt es weiter hell. So scheint das Zusatzlicht ab 40 km/h nicht nur in die Länge, sondern auch in die Breite.

Wie funktioniert die Ausblendung des Gegenverkehrs?

Die Kunst liegt nicht darin, möglichst viel Licht möglichst weit auf die Straße zu bekommen, sondern darin, die anderen Verkehrsteilnehmer nicht zu blenden. Einfache Fernlichtassistenten schalten deswegen das Fernlicht vollständig aus, wenn ein Auto entgegenkommt oder vorausfährt.

Weiterentwickelte Systeme von Audi, BMW und Mercedes dagegen setzen auf hochauflösende Kameras, die andere Verkehrsteilnehmer erkennen und das Fernlicht herunterdimmen.

Systeme von Audi und Mercedes lenken das Licht außerdem um Gegenstände herum. Einzelne LEDs erhalten dann keinen Strom. Dabei gilt: Je mehr LEDs zur Verfügung stehen, desto feiner gelingt die Ausblendung der Objekte und umso mehr Licht kann weiter auf die Straße fallen.

Testfahrt mit Laser und LED

Im Rastermodul des „Multibeam“-Scheinwerfersystems im aktuellen CLS stecken 24 LEDs. Der Gegenverkehr lässt sich damit grob ausblenden. In der nächsten Generation des Systems erhellen bei einigen Mercedes-Fahrzeugen 84 LEDs pro Scheinwerfer die Straße. Die Ausblendung erfolgt dadurch feiner und genauer. Welche Modelle davon zuerst profitieren werden, verrät Mercedes noch nicht. Wir tippen aber auf E- und S-Klasse.

Bei Nachtfahrten rund um Sindelfingen ziehen wir den direkten Vergleich. In einem Mercedes-Versuchsfahrzeug, das mit beiden Techniken (Laser und LED) ausgestattet ist, fahren wir durch schlafende Dörfer. Der Unterschied zwischen beiden Systemen wird schnell deutlich: Während die LED-Zusatzlampen den Teer im vorderen Bereich bis 200 Meter auch in der Breite stark erhellen, drückt das Laserlicht vor allem gleißend nach vorn.

Das ist zwar gut für die Sicht, die LED-Lösung wirkt aber angenehmer. Allerdings bleibt bei ihr der Aha-Effekt aus. Mercedes-Mann Fischer verspricht bei den LEDs dennoch ein Lichtplus von 30 Prozent im Vergleich zu normalem Fernlicht.

Es kommt noch mehr

Zu einem Techniksprung soll es laut Fischer mit der übernächsten Generation des „Multibeam“ kommen. Gemeinsam mit den Lampenherstellern Osram und Hella sowie dem Chiphersteller Infineon entwickeln die Schwaben LED-Halbleiterschichten mit feinen Strukturierungen auf einem Siliziumsubstrat. 1.024 Pixel lassen sich durch die Integration von vielen Schaltungsstellen einzeln ansteuern. Ab 2015 wird die Technik, die ohne Stellmotoren und Mechanik auskommt, erprobt. Für 2016 oder 2017 ist ein Serieneinsatz geplant - wahrscheinlich in der nächsten E-Klasse.

Ein Blick auf die Unfallstatistiken macht klar, warum die Hersteller so viel Arbeit in Scheinwerfer stecken: 20 Prozent aller Fahrten finden nach Untersuchungen der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) in der Nacht statt. Nachts wiederum passieren rund 40 Prozent der tödlichen Unfälle. Grund dafür – neben erhöhter Geschwindigkeit: Die Fahrer erkennen Hindernisse oft zu spät. Mit mehr Licht auf der Straße soll die Unfallhäufigkeit verringert werden.

Das Fernlicht bleibt oft aus

Im Idealfall geht dem Auto von allein ein Licht auf. Nach Mercedes-Untersuchungen ziehen nur acht Prozent der Autofahrer den Fernlichthebel. Bei Mercedes' adaptivem Fernlichtassistenten IHC (Intelligent Headlight Control) sind es dagegen 23 Prozent, bei dem automatisch ausblendenden System IHC+ (des CLS) schon 65 Prozent.

Dabei ist der Traum von mehr und vor allem gezieltem Licht keinesfalls eine Erfindung der Schwaben: Bereits 1958 ließ sich Konrad Zuse ein Teilfernlicht patentieren. Seine Idee soll künftig massentauglich werden. Im Idealfall brennt das Fernlicht außerhalb geschlossener Ortschaften permanent und regelt selbständig Bereiche aus. Dazu zählen Gegenverkehr, reflektierende Schilder oder Katzenaugen - und alle Verkehrsteilnehmer, die keinen 7er BMW fahren.

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