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Erste Fahrt im neuen Audi RS4 Avant - Wolf im Wolfspelz

verfasst am

VON PHILIPP MONSE

Er ist Avant und Sportwagen und was noch? Ist der RS4 etwa nur ein Kombi mit viel PS? Und was ist über vom RS2? MT sucht den RS-Touch.

Spielberg - „Die Understatement-Sportskanone mit Familienqualitäten ist zurück!“ Nein, Nein, Nein. Das ist einer dieser Sätze, die wir über den neuen Audi RS4 Avant ganz bestimmt nicht hören wollen. Das ist zu einfach.

Um solche Kurven will er Um solche Kurven will er Als damals der RS2, der Sportkombi der lostrat, was heute vor mir steht, herauskam, da fuhr ein Bekannter von mir so einen Mix aus Porsche und Audi. Seine Freizeit verbrachte der Mann mit Bungeejumping, Fallschirmspringen, dem Besteigen von 5000ern, solchen Sachen eben. Bis heute ist er kein Familienvater.

Nein, Nein, Autos wie der RS4 sind nichts für Familienväter. Mit Kind und Kegel fahren die sowieso keine 250 km/h oder optionale 280 km/h Spitze auf deutschen Autobahnen – hoffentlich zumindest. Der RS4 ist was für Leute mit Spleen – und Geld. 76.600 Euro kostet die Basisversion.

Mit Extras wie Nappa-Leder in „lunar silver“ für die Sportsitze, Bang&Olufsen Soundsystem oder 20-Zoll-Aluminium-Felgen stehen schnell 100.000 Euro in feinstem Blech vor einem. So wie vor mir und den Boxengassen am Red Bull Ring im österreichischen Spielberg.

In der Steiermark sind Wölfe unterwegs

Der klassische Wolf im Schafspelz ist der neue RS4 nicht. Wolf im Wolfspelz kommt eher hin. Zu bekannt sind die Insignien der RS-Reihe heute: Wabengrill und riesige Lufteinlässe im Stoßfänger, Aluminiumverkleidung für die Außenspiegel und ovale Endrohre. Und außerdem die kleinen Symbole, die sagen: Hier pfeift nur einer und zwar ich – an euch allen vorbei! Dahin sind die Zeiten, als man blasierte Sportwagenfahrer damit überraschend stehen lassen konnte.

Sie alle sind heute gewarnt. Und zwar zu Recht: Wer den Motor anlässt, ahnt, woher der Wind bei diesem Wagen weht. Den Startknopf gedrückt, und vom 4,2-Liter-FSI ertönt sattes V8-Saugen. Turbolader: Fehlanzeige. Audi setzt wie beim direkten Vorgänger auf das Hochdrehzahlkonzept HDZ. Im Klartext heißt das, bis 8.500 Touren kann gedreht werden!

Ahnenkunde: Der Ur-RS. Ahnenkunde: Der Ur-RS. Aber so weit sind wir noch nicht. Zunächst machen wir einen schönen Ausflug durch die Steiermark. Per Drive Select geht’s in den comfort-Modus: Lenkung, Fahrwerk und Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe (an die höheren Drehzahlen angepasst) lassen sich dann auf eine entspannte Überlandfahrt ein – so schön mit 90! Dann, aber nur dann, bringt man den RS4 auf die 10,7 Liter Durchschnittsverbrauch (26 Prozent weniger als beim Vorgänger), die Audi angibt.

Im dynamic-Modus und mit nervösem Gasfuß dagegen stehen schnell 20 Liter auf der Uhr. Aber wer will diesem Auto das schon übel nehmen, belohnt es einen doch mit so schönen Zwischengasstößen und einem Kickdown, der schreit: „Ja, bitte, mach das nochmal!“ Auf der Rennstrecke, manuell geschaltet, braucht der RS4 später an diesem Tag sogar durchschnittlich 30 Liter.

Nächste Hausnummer: 1.430 Liter fasst der Kofferraum, das ist vom A4 bekannt und fällt unter die Kategorie alltagstauglich. Will Papa aber mit Mama, Kind, dem zugehörigen Wagen und Gepäck für zwei Wochen an die französische Atlantikküste, dann ist Essig. Sorry, Daddy Cool, aber hier gehört die Bergsteiger- oder Taucherausrüstung, vielleicht das Snowboard eines Singles rein. Dabei würde man die Fahrt an den Atlantique in den Sportsitzen sogar ohne Bandscheibenvorfall überstehen, bequem genug sind sie trotz aller Sportlichkeit. Ich jedenfalls fühle mich nicht, als ob ich zwei Stunden in Sport-Schalensitzen verbracht hätte.

Atemberaubendes Handling Atemberaubendes Handling Vom Regen in die Kurve

Zeit zum Durchstarten auf dem Red Bull Ring. Ein echter(!) Kavalierstart – das bedeutet ohne großes Getöse – gelingt dank Launch Control. Kein Schlupf, volle Traktion. Kontrollierte 450 PS (Leistungsgewicht: 4 kg pro PS) stürmen in 4,7 Sekunden auf 100 km/h und in gefühlten weiteren 4,7 Sekunden auf 160 km/h.

Eine höhere Angabe sehe ich auf dem Tacho mit RS-Emblem nicht. Die Strecke verlangt volle Konzentration – es gießt mittlerweile wie aus Eimern. Da zählt nicht sture Geschwindigkeit, sondern perfektes Handling.

Und das bietet der RS4 wie kein anderer Kombi. Die – Achtung! - radselektive Momentensteuerung arbeitet noch vor dem Audi-Stabilitätsprogramm ESC. Sollte Schlupf am entlasteten kurveninneren Rad drohen, wird dieses gebremst und die Kraft umverteilt, ohne dass der Fahrer es merkt. Auch wenn die Strecke mittlerweile an eine Seenplatte erinnert, lässt sich der Ingolstädter kinderleicht und mit dennoch hoher Geschwindigkeit um die Kurven drücken.

Das Kronenrad-Mittendifferential verteilt die 430 Nm zwischen Front und Heck vollkommen mechanisch: Kein Elektro-Schnick-Schnack. Die Normalverteilung ist dabei sportlich heckbetont 40 zu 60. Wenn die Traktion an den Vorderrädern fehlt, werden maximal 85 Prozent des Drehmoments auf die Hinterachse gewuchtet, bei der Vorderachse sind es maximal 70 Prozent.

Der technische Helfer ESC lässt sich in einen Sportmodus versetzen oder ganz ausschalten - „wenn gewünscht“. Auf regennasser Fahrbahn ist dann zwar Vorsicht geboten, aber auch das kann der RS4. Beim Herausbeschleunigen kommt jetzt das Heck, jedoch nie unkontrolliert. Schnell ist man wieder auf Kurs. Das Handling dieses Kombis lässt wirklich nichts zu wünschen übrig.

Als mich die optionalen Keramikbremsen mit 380 Millimetern Durchmesser (Standard sind 365 Millimeter vorn und 324 Millimeter Scheiben hinten, im Wave-Design, das spart Gewicht) das letzte Mal auf den Punkt zum Stehen bringen, glaube ich zu wissen, was in diesem Kombi steckt.

In der Boxengasse In der Boxengasse Auf der Straße verschenkt

Beim RS 2 ging das spleenige Image mit den Stückzahlen Hand in Hand: Nur 2.891 Exemplare wurden gebaut. Auch heute ist der RS4, mit dem die Modellreihe 18 Jahre alt wird, ein Nischenmodell für Audi, und auch heute gibt es ihn wieder ausschließlich als Avant. Die Alltagsqualitäten hat er, ohne Frage, aber alltäglich im Wesen ist er nicht. Zu Hause ist dieser Wolf in der Wildnis der Rennstrecke.

Hoffentlich nehmen sich seiner Fahrer an, die ihn dann und wann dort jagen lassen. Im öffentlichen Straßenverkehr verkümmert der RS. Es ist die Dynamik und das gute Handling, die ihn ausmachen, und die sich auf öffentlichen Straßen nur schwer voll auskosten lassen. Irgendwo hier liegt der RS Touch – und bei den 450 PS. Ab Herbst ist er zu haben.

Audi RS4 B9: Erlkönig auf der Nordschleife

Avatar von granada2.6
Mercedes
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