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Lohr "Le Cristal": Mini-Elektrobus für die Stadt - Ein Würfel für die letzte Meile

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Muss es bei der E-Mobilität immer ums klassische Auto gehen? Ein französisches Unternehmen testet bald diesen Würfel. Der kann als Bus oder Mietauto eingesetzt werden.

Ein "Auto" für den öffentlichen Nahverkehr und das Carsharing: Lohrs "Le Cristal" kann als Pkw fünf Personen und oder als Bus mit vier "Waggons" fast 80 Personen transportieren Ein "Auto" für den öffentlichen Nahverkehr und das Carsharing: Lohrs "Le Cristal" kann als Pkw fünf Personen und oder als Bus mit vier "Waggons" fast 80 Personen transportieren Quelle: Lohr

Berlin - Ende des Monats, auf dem Pariser Automobilsalon, legen sie wieder los. Die Topmanager der Autobranche werden in langen Monologen die glorreiche Zukunft des elektrischen Fahrens beschwören. Und doch: All der Innovation fehlt bisher der Markt.

Vielleicht wäre das elektrische Fahren attraktiver, würde man es nicht primär aufs Auto beziehen. Im Zusammenhang mit Straßenbahn und Intercity hört man keine Beschwerden über Reichweite, Preise, zu wenig Ladesäulen oder fehlende Emotion beim Motorsound. Ihr Problem ist eher: Anders als das eigene Auto fahren sie nur bis zur Haltestelle.

Eine Idee, wie diese Kluft zwischen dem öffentlichen und privaten Nahverkehr aufgelöst werden könnte, wird ab 2017 in Straßburg getestet. Auf einer fünf Kilometer langen Strecke startet der Probebetrieb mit elektrischen Minibussen der Lohr-Gruppe.

Ein Auto für Carsharing und ÖPNV

Einer für die Hauptstadt? Lohr stellte das Fahrzeug im französischen Kulturzentrum am Kurfürstendamm vor Einer für die Hauptstadt? Lohr stellte das Fahrzeug im französischen Kulturzentrum am Kurfürstendamm vor Quelle: MOTOR-TALK/bmt

Die Fahrzeuge mit Namen „Le Cristal“ kann und darf im Carsharing jeder fahren, der einen Führerschein hat. Dann sind vom Hersteller bis zu vier Passagiere zugelassen, das Fahrzeug fährt bis zu 70 km/h schnell. Bewegt stattdessen ein ausgebildeter Busfahrer den Würfel, dürfen sich bis zu 20 Fahrgäste hineinquetschen.

„Le Cristal“ lässt sich auch koppeln: Bis zu vier Wagen hintereinander fassen fast 80 Personen. Dann fährt der französische Minibus noch 40 km/h schnell. Die Reichweite beträgt 150 Kilometer, mit 2,90 Metern Länge und 1,80 Meter Breite verbraucht ein Elektrobus weniger Straßenraum als viele Kleinwagen. Die Höhe beträgt 2,50 Meter.

Gedacht ist der Kubus für die „letzte Meile“, also den Weg von Parkplatz oder Bahnhof zur Wohnung. Oder als Nahverkehrsangebot für schlecht angebundene Außenbezirke, sagt Jean-Francois Argence, Direktor für neue Mobilität bei Lohr. Oder für alles auf einmal inklusive innerstädtischer Umzüge oder Möbelhausbesuche.

Vor der Serie steht das Pilotprojekt

Hinter dem „Cristal“ steht kein Start-up und keine Bastelbude. Der nordfranzösische Lohr-Konzern ist Weltmarktführer für Autotransporter – und fertigte bis 2012 Straßenbahnen. Elektrische Züge von Lohr fahren in Paris, Shanghai oder Venedig. Anders gesagt: Die Franzosen verstehen etwas von Nahverkehr.

Derzeit noch Photoshop, bald nicht mehr: Ab Herbst 2017 fahren vier "Le Cristal" in einem Piloprojekt durch Straßburg Derzeit noch Photoshop, bald nicht mehr: Ab Herbst 2017 fahren vier "Le Cristal" in einem Piloprojekt durch Straßburg Quelle: Lohr Man habe den Markt für Nahverkehrssysteme in Deutschland analysiert und halte das System für attraktiv, sagt Lohr-Vertreter Argence. Deshalb stellt er nun seinen „Kristall“ im französischen Kulturzentrum in Berlin vor. Die deutsche Hauptstadt kann neue Ideen für den Nahverkehr zwar gut gebrauchen. Bevor sie jedoch nach der französischen Technik schielt, muss sich diese erst einmal in Straßburg bewähren.

Viele Fragen sind zu klären: Wie lassen sich die Wagen zwischen Linien- und Privatbetrieb disponieren. Welche Sicherheitssysteme müssen für den Pkw- und Busbetrieb eingebaut werden. Und: Rechnet sich das überhaupt?

Interesse aus Niedersachsen

In Deutschland sei das 2015 vorgestellte Fahrzeug fast unbekannt - unverständlich, sagt Raimund Novak, Geschäftsführer der „Metropolregion Hannover Braunschweig Göttingen Wolfsburg“. Die GmbH soll im Auftrag der vier Städte Infrastrukturprojekte für die Region fördern. Er würde das Verkehrssystem gern so schnell wie möglich einsetzen.

Ein ähnliches Projekt hat das US-Unternehmen "Local Motors" 2015 vorgestellt: Ihr "Olli" soll allerdings autonom fahren - und ist damit deutlich weiter vom Serieneinsatz entfernt als Lohrs Minibus. Aktuelle Nahverkehrssysteme seien für viele Ortsteile und Uhrzeiten zu teuer und zu unflexibel, sagt Novak. Er wird sich die Erfahrungen aus Straßburg sehr genau anschauen.

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