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Mit Walter Röhrl im Porsche 911 Turbo auf dem Bilster Berg - "Nicht so langweilig wie die Nudeltöpfe"

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Walter Röhrl 70? Abwegig. Der Mann fährt unvergleichlich, pfeilschnell und tiefenentspannt. Für Ralf Schütze war jede Mitfahrt eine Audienz - besonders am Bilster Berg.

Mit Walter Röhrl pfeilschnell über den Bilster Berg im Porsche 911 Turbo Mit Walter Röhrl pfeilschnell über den Bilster Berg im Porsche 911 Turbo Quelle: Porsche

Von MOTOR-TALK-Reporter Ralf Schütze

München - Frühjahr 2000: Porsche 996 GT2 nahe Venedig; Frühsommer 2007: Interviewtermin in Sankt Englmar im Bayerischen Wald; Sommer 2013: Porsche 991 Turbo am Bilster Berg Drive Resort; Spätsommer 2016: Porsche Panamera am Tegernsee. Ich erinnere mich noch ganz genau an diese Termine. Begegnungen mit Walter Röhrl brennen sich ins Gedächtnis ein.

Der Mann, der eine unglaubliche Tiefenentspannung ausstrahlt und gleichzeitig blitzschnell wie kein anderer handeln kann. Der höchst präzise mit seinen Füßen über die Pedale eines Audi Sport quattro E2 tänzelt – schnell und exakt wie Lang Langs Finger auf den Tasten seines Steinway-Flügels. Der 70-jährige begnadete Autofahrer, dessen Fahrkunst Dich an den Regeln der Physik zweifeln lässt. Der Mann, der am Lenkrad mehr kann als vielleicht jeder andere, und der sich das so wenig anmerken lässt wie mit Sicherheit kein anderer. Walter Röhrl wird 70, ich verneige mich gerne vor ihm.

Locker hält Röhrl das Lenkrad, den Bilster Berg kennt er besonders gut, er hat ihn mitgeplant, den 911 Turbo hat er mitentwickelt Locker hält Röhrl das Lenkrad, den Bilster Berg kennt er besonders gut, er hat ihn mitgeplant, den 911 Turbo hat er mitentwickelt Quelle: Ralf Schütze

Spektakulär und unaufgeregt

Meine Treffen mit Walter Röhrl empfand ich jedes für sich wie eine Audienz. Das lag nie an ihm, denn der geborene Regensburger ist absolut geerdet, nett und nahbar. Es lag stets an mir und meiner Ehrfurcht vor dem, wozu Röhrl im Stande ist.

Eine dieser Begegnungen sticht besonders hervor: Die am 27. August 2013 auf dem westfälischen Bilster Berg Drive Resort. Walter Röhrl als mein persönlicher Renn-Chauffeur im damals brandneuen Porsche 911 (991) Turbo. Eine Mitfahrt beim zweifachen Rallye-Weltmeister, der in den Augen vieler Experten einer der besten, wahrscheinlich sogar der beste Autofahrer der Welt und aller Zeiten ist. Spektakulärer, lehrreicher und unaufgeregter könnte so eine Mitfahrt nicht sein.

Zehnmal habe ich das extrem kurven- und kuppenreiche Asphaltband am Bilster Berg selbst umrundet. Dann zeigte mir Rallye-Legende Walter Röhrl persönlich, wo Ideallinie, Scheitel- und Bremspunkte tatsächlich liegen. Zehn Runden á 4,2 Kilometer lang suchte ich danach, verschenkte unzählige Meter und verpasste den richtigen Zeitpunkt um Sekundenbruchteile. Dabei wurde mir von meiner eigenen Fahrerei vor lauter unnötig gesteigerter G-Kräfte ganz mulmig.

Mit Walter Röhrl am Bilster Berg

Der Bilster Berg fühlt sich an, als hätte man die Nordschleife auf gut vier Kilometer zusammengeschrumpft, in die Nähe von Paderborn verpflanzt und zu allem Überfluss noch eine besonders fordernde Variante der weltberühmten und berüchtigten „Corkscrew“ aus Laguna Seca implantiert. Vormittags bringe ich die eigene Fahrerei hinter mich. Am frühen Nachmittag reiche ich Walter Röhrl endlich die Hand.

Bevor man sich einem Autofahrer anvertraut, sollte man sich seiner Fahrkünste bewusst sein. Walter Röhrl ist über jeden Zweifel erhaben. Schon beim Gespräch am ruhenden Elfer vermittelt Dir seine ruhige Art: Nichts kann Dir hier passieren. Drei schnelle Runden auf dem Beifahrersitz des Turbo und an der Seite des großen Meisters des Driftwinkels überstehe ich mit deutlich niedrigerem Puls als zuvor meine eigenen.

Die pfeilschnelle Fahrt auf dem Beifahrersitz ist das reinste Verwöhnprogramm – weil mit Walter Röhrl die Bestbesetzung ans Lenkrad greift. Die Rallye-Legende hat nicht nur am turbogeladenen 560-PS-Boliden entscheidend mitentwickelt, er beeinflusste auch wesentlich die Gestaltung des Bilster Berg Drive Resort.

Der Meister und sein staunender Lehrling, eine Mitfahrt bei Walter Röhrl ist lehrreicher als zehn Fahrtrainings Der Meister und sein staunender Lehrling, eine Mitfahrt bei Walter Röhrl ist lehrreicher als zehn Fahrtrainings Quelle: Ralf Schütze

Seelenruhig und blitzschnell

Es wird einem so viel bewusst, wenn man Walter Röhrl dabei beobachten darf, wie man's richtig macht: Mit einer Seelenruhe eilt er blitzschnell und millimetergenau von Kurve zu Kuppe, als führten ihn unsichtbare Schienen exakt an der Ideallinie entlang. Röhrl spult die 4,2 Kilometer langen Runden ab, als wär's ein Kinderspiel. Er hält das Lenkrad auffallend locker und hat dennoch alles voll im Griff. Er kann es sich leisten, ganz ungeniert zu gestikulieren und dabei über Strecke und Auto zu erzählen.

Die extremen Seitenkräfte meiner eigenen Fahrt kamen nicht nur vom hohen Kurventempo und extremen Richtungswechseln, die der Porsche 911 zulässt. Sie lagen auch am Fahrer: Ständig auf der Suche nach der Ideallinie und dem richtigen Krafteinsatz.

Irre schnell und völlig frei von Korrekturen rast Röhrl durch seinen persönlichen Lieblingsabschnitt. Das als Diktiergerät genutzte Smartphone in meiner Hand verreißt es mir kein einziges Mal. Und Röhrl erzählt: „Hier sind ständig Kuppen, nach denen du nichts siehst. Nicht so langweilig wie die Nudeltöpfe, denen die meisten modernen Strecken ähneln, sondern ständig fordernd. Am stärksten hier an der Mausefalle: 21 Prozent bergab, 26 Prozent bergauf und das alles in einer Kurve. Und oben dann über eine nicht einsehbare Kuppe...“

Ich entwickle Mitleid für den gequälten rechten Vorderreifen. In der "Mausefalle" am Wendepunkt zwischen Gefälle und Steigung in einem starken Linksknick ist er höchsten Strapazen ausgesetzt. „Der Bilster Berg ist sehr tricky. Zum Beispiel hier in der Schikane, wo gleichzeitig das Auto sehr leicht wird. Du musst immer voll konzentriert sein,“ sagt der Ex-Rallye-Weltmeister und rast dabei pfeilschnell in Richtung Zielgerade.

Ralf Schütze 2007 mit Walter Röhrl in Sankt Englmar Ralf Schütze 2007 mit Walter Röhrl in Sankt Englmar Quelle: Erwing-Georg Oberndorfer

"Hier siehst du, wer Autofahren kann."

Nach drei unglaublich schnellen und dennoch als entspannt empfundenen Runden klingen Röhrls Worte absolut glaubwürdig: „Hier am Bilster Berg trennt sich die Spreu vom Weizen, denn hier siehst du genau, wer Auto fahren kann.“

Ein bisschen hilft aber auch der Porsche 911 Turbo, findet Röhrl. Er sei wie geschaffen für eine derart selektive Strecke. „Speziell an den Stellen, wo das Auto leicht wird und zugleich starke Seitenkräfte aufkommen, kann der Vierrad viel besser die Stabilität halten. Die Vorteile der Allradlenkung kommen noch hinzu. Damit wird sogar der Bilster Berg zum Kinderspiel.“

Meistens schaut Walter Röhrl sehr konzentriert, doch in entscheidenden Momenten grinst er entspannt. Etwa, wenn er sein Resümee zum Elfer auf dem Bilster Berg zieht. Werbung für "sein" Produkt? Mag sein, Röhrl wirkt immer noch 100 Prozent glaubwürdig.

Noch lange nach dem Mitfahrerlebnis geht mir seine Aussage durch den Kopf: Der Porsche 911 Turbo ein Kinderspiel? Gutmütig und präzise, sicher, aber so schnell und gleichzeitig entspannt, wie ich es eben auf dem Beifahrersitz erlebt habe? Das hat auch der Elfer Turbo nur drauf mit dem unvergleichlichsten aller Autofahrer am Steuer: Walter Röhrl.

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