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Classic Driving News

Zwei Mal restaurieren hält besser

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Sein Audi 100 Coupé S baute Bernhard Janssen aus Norddeutschland gleich zwei Mal auf. Einer umfangreichen Reparatur in den 70er Jahren nach einem heftigen Crash folgte über 20 Jahre später eine Totalrestaurierung des Audi 100 Coupé S.

"Es nimmt kein Ende", meint der leicht ergraute Herr mit Oberlippenbart und schaut bedächtig auf die nagelneue hintere Stoßstange seines Audi 100 Coupés. Kürzlich hatte er für dieses glänzende Stück Metall 800 Euro hingeblättert. Immer wieder entdeckt er an seinem Audi 100 Coupé S die eine oder andere Kleinigkeit, die man noch verbessern könnte, was die Restaurierung zur unendlichen Geschichte werden lässt. Bernhard Janssen fuhr in den 70er Jahren Opel Rekord C Coupé. Dessen angriffslustiges Outfit in Form schwarzer Streifen auf der Haube und einer ganzen Batterie von Zusatzscheinwerfern auf der Vorderstoßstange ließen keinen Zweifel an der sportlichen Einstellung seines Besitzers.

Bezahlbares Traum-Coupé - dank Unfall

Wesentlich besser aufgehoben hätte sich Janssen am Steuer des neuen Audi 100 Coupés gefühlt, doch das war für ihn unerreichbar teuer. Dann geschah ein Wunder. Für zwei Verkehrsteilnehmer, deren Wege sich auf einer Ampelkreuzung überschnitten, zeigte die Ampel jeweils grün, wie beide später behaupteten. Jedenfalls trafen sie mit ihren Fahrzeugen mitten auf der Kreuzung unsanft aufeinander. Bei einem der beschädigten Autos handelte es sich um ein Audi 100 Coupé S. Mit zerknittertem Seitenteil und verbogener Hinterachse sollte das nur zweieinhalb Jahre alte, 53.000 Kilometer gelaufene Exemplar nach Holland verschachert werden. Der Auslieferungsantrag stand unmittelbar vor der Unterzeichnung, "doch ich war schneller", freut sich Janssen noch heute. Damals arbeitete er in der Werkstatt, in welcher der Audi 100 Coupé S zunächst auf sein weiteres Schicksal wartete.

Da es sich bei dem Audi 100 Coupé S fast um einen Totalschaden handelte, konnte er seinen Traumwagen für kleines Geld ergattern. Dann ging er umgehend ans Werk. Er setzte den Audi 100 Coupé S in der Werkstatt auf die Richtbank und brachte ihn mit Hilfe eines Kollegen wieder in Form. Wo nötig, setzte er die in dieser Zeit noch einfach verfügbaren Neuteile ein, und der befreundete Lackierer sorgte für eine frische Farbschicht. Nach zwei Monaten, in denen Janssen nach Feierabend fleißig geschweißt, gehämmert und geschraubt hatte, stand der Audi 100 Coupé S wieder auf der Straße.

Garagenhüter: Keiner wollte das Coupé - also blieb es

Natürlich fuhr der Audi 100 Coupé S auch wieder, und wie. Fünf Jahre lang brachte er seinen neuen Besitzer zur Arbeit, ins Grüne und schleppte in der Urlaubszeit einen Wohnwagen nach Italien. Mit 173.000 Kilometern kam ihm dann aber langsam die Frische abhanden. Erste Roststellen und ein leichter, schuldlos eingefangener Heckschaden trübten das Erscheinungsbild. Janssen sah die Zeit gekommen, sich von dem Audi 100 Coupé S zu trennen.

Doch keiner wollte das schöne Audi 100 Coupé. Kurzerhand stellte er den Audi in einer Wellblechgarage ab mit dem Gedanken: "Den baust du dir wieder auf." War das nur eine verrückte Idee? Zwei Jahre später steuerte er mit zwei roten Kennzeichen unterm Arm wieder die Wellblechgarage an. Er schob Plastikplanen und Decken zur Seite, erweckte den Audi 100 Coupé S ohne Probleme zum Leben und drehte ein paar Runden. Anschließend stand für ihn endgültig fest: Das Auto wird wieder aufgebaut. Ab diesem Zeitpunkt begann er, Ersatzteile für den Audi 100 Coupé S zu sammeln, um am Tag X ungebremst losschlagen zu können. Doch bis dahin sollten noch einige Jahre vergehen, denn es fehlte der Platz zum Schrauben. Erst als Janssen nach langem Hin und Her die Genehmigung zum Bau einer Garage bekommen hatte, rückte die Verwirklichung seiner Idee in greifbare Nähe - der Audi 100 Coupé S soll wieder auf die Straße.

Kernsanierung: Fast jedes Blech erneuert

Endlich, 1999, konnte es losgehen.Zunächst setzte er das Audi 100 Coupé mangels Hebebühne auf ein selbst gefertigtes Gestell, sodass er einerseits noch von oben arbeiten konnte, andererseits aber mit dem Rollbrett bequem unter den Wagen kam. Zunächst wurde der Audi 100 Coupé S aber komplett zerlegt, "und mittlerweile habe ich jede Schraube dieses Autos in der Hand gehabt", versichert der Norddeutsche glaubhaft. Alle demontierten Teile des Audi 100 Coupé S beschriftete er und verpackte sie in Kisten.

"Ich habe damals mit dem linken Schweller angefangen. Hätte ich auf der rechten Seite begonnen, hätte ich die Karosserie wahrscheinlich weggeschmissen", berichtet er kopfschüttelnd über seine schreckliche Entdeckung. Denn rechts sah es bei dem Audi 100 Coupé S ganz besonders schlimm aus. Wasser im Fußraum hatte für gehörige Rostschäden gesorgt. Vom Innenschweller war nichts mehr vorhanden - was von außen aber nicht sichtbar war. Zwar standen ja schon diverse Teile zur Verwendung parat, aber dennoch musste Janssen das eine oder andere Blech wie beispielsweise die Schwellerinnenversteifung für den Audi 100 Coupé S selbst anfertigen. Akribisch hat er alle Karosseriearbeiten aufgelistet, die sich rund ein Jahr hinzogen. Wer diese Liste studiert, kommt zu dem Schluss, dass Janssen offenbar fast jedes Stück Blech an seinem Audi 100 Coupé S erneuert hat. Während der Karosserieinstandsetzung ließ er die Türen zunächst noch montiert, um später keine Probleme mit ungleichmäßigen Passungen zu bekommen. An die umfangreichen Blecharbeiten an seinem Audi 100 Coupé S erinnert sich Janssen mit Grauen.

Finale: Aufgeschobene Revision von Motor und Getriebe hat sich gelohnt

Nach Abschluss dieser umfangreichen Tätigkeit kam die abgedichtete und grundierte Karosserie des Audi 100 Coupé S zum Lackierer, wo sie in Originalfarbe lackiert werden sollte. In dieser Zeit widmete sich Janssen der Technik. Er überholte zum Beispiel die komplette Bremsanlage und die Lenkung. Reparaturen an Kupplung sowie an Motor und Getriebe beschränkte er auf das Nötigste. Dazu gehörte das Reinigen, Abdichten und das Ersetzen defekter Teile. Dem Vergaser seines Audi 100 Coupé S spendierte er eine komplette Überholung. Natürlich überarbeitete er ebenfalls die Teile der Radaufhängung sowie nach und nach alle Anbauteile der Karosserie. Im Juni 2001 begannen dann die Montagearbeiten an dem Audi 100 Coupé S, die auch das Einziehen eines neuen Dachhimmels umfassten, da der alte hart und brüchig geworden war.

Ein Jahr später startete Janssen glücklich zur ersten Probefahrt in seinem Audi 100 Coupé S. Doch mit der Zeit war ihm das Auto noch nicht perfekt genug. Nachdem er etliche Kleinigkeiten an seinem Audi 100 Coupé S nachgebessert hatte, stand schließlich die unumgängliche Totalüberholung von Motor und Getriebe an. Zwar versuchte Janssen zunächst, sich mit Gebrauchtaggregaten zu helfen, aber deren Zustand erwies sich meist schlechter als erwartet. Schließlich entschied er sich für eine mustergültig revidierte Motor- und Getriebeeinheit seines Audi 100 Coupé S - und ist mit seiner Entscheidung zufrieden. Auf Clubtreffen wird das Audi 100 Coupé stets bestaunt, doch Janssen findet immer noch etwas, das man optimieren könnte. Neulich fand er eine neuwertige linke Seitenscheibe. Es nimmt einfach kein Ende.

 

Quelle: Motor Klassik

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