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Motorkultur

VW South Africa - Das Ende der Unikate

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Sie müssen jetzt ganz tapfer sein!

Zumindest, wenn Ihr Herz an altem Blech hängt, an Zeitgeschichte und unwiederbringlichem rollendem Kulturgut. Die Meldung ist nicht neu, aber sie ist im Netz ein bisschen untergegangen. Im November 2006 überschlägt sich ein Autotransporter auf dem Weg von Cape Town nach Port Elisabeth in Südafrika. Das ist tragisch, aber passiert täglich. Die Nachricht bekommt erst einen Gänsehautfaktor, wenn man sich anguckt, was der Transporter geladen hatte: Neun Unikate aus den Häusern Audi und Volkswagen, im Neuzustand oder besser. Der Lastwagen war im Auftrag von Volkswagen South Africa (VWSA) unterwegs. Ein schwarzer Tag für die Szene!

 

Die altgedienten Kostbarkeiten befanden sich auf einer Ausstellung anlässlich des 55jährigen Bestehens von VWSA. Im festlichen Rahmen eines Mittagessens mit geladenen Gästen im Groote Schuur Manor House, einem historischen Gebäude, das heute auch das Staatsoberhaupt der Republik Südafrika beherbergt, wurden sie vor dem Portal ausgestellt und konnten von der interessierten Öffentlichkeit hochglanzpoliert bestaunt werden.

Volkswagen blickt in Südafrika auf eine lange Fertigungstradition zurück. Das Werk in Uitenhage beschäftigt aktuell 5600 Mitarbeiter. Die Zahl der exportierten Modelle liegt bei 40.000, die Gesamtproduktion sogar bei 100.000 Fahrzeugen im Jahr. Tendenz steigend. So wird hier seit 1978 der Golf 1 produziert, der unter dem Namen City Golfin nur leicht modifizierter Form noch immer neu zu kaufen ist. Außerdem produziert man hier noch den Golf 5 und verschiedene Fahrgestelle für Nutzfahrzeuge.

Die Liste der Fahrzeuge, die an jenem Dienstag für den Rücktransport verladen wurden, liest sich wie ein Wunschbrief an den Weihnachtsmann: Der letzte in Uitenhage gebaute VW Bus T3 von 2002, ein 1958er, ein 1959er und ein 1978er Käfer, ein Audi 90 von 1970, ein Audi 100 von 1973, ein 1975er Audi Coupé und ein Passat von 1979! Man möchte sie anfassen, möchte sich reinsetzen und die haptischen Erfahrungen dieser kargen automobilen Epoche erleben. Die liebevollen kleinen Details entdecken. und den Geruch der alten Materialien inhalieren.

Das wird Ihnen bei den hier gezeigten Autos allerdings nicht mehr gelingen. In der Nähe von Albertinia überschlägt sich der Autotransporter mehrfach. Die geladenen Fahrzeuge werden restlos zerstört, nach der Begutachtung von Fachleuten wurde schnell klar, dass eine Restaurierung hier nicht möglich sei. Bill Stephens, der Communications Manager von VWSA, zeigte sich erschüttert. Neue Fahrzeuge hätten ersetzt werden können. Diese hier verunfallten Unikate jedoch markieren jeweils einen unwiederbringlichen Meilenstein in der Konzerngeschichte.

Man könnte nun natürlich viele Fragen diskutieren.  Unter Oldtimerfreunden ist es eigentlich üblich, Transportfahrten wertvoller Autos entweder auf eigener Achse oder auf mehreren Transportern durchzuführen. Damit eben in genau diesem eingetretenen Fall das Risiko des Verlusts mehrerer Fahrzeugs minimiert werden kann. Zum Unfallhergang konnte ich im Netz leider keine Angaben finden, auch über den Fahrer des Transporters und seinen Zustand schweigt man sich aus. Gilt es also, die bittere Pille zu schlucken und lebewohl zu sagen.

Das Museum versucht seit dem, vergleichbare Fahrzeuge in der ganzen Welt aufzutreiben, zu restaurieren und die leeren Plätze bestmöglich zu ersetzen. Auch will man aus dem großen eingelagerten Bestand Modelle ans Tageslicht holen. Eigentlich… eiiiiigentlich sind es ja auch nur Autos. Beulen kann man verschmerzen, Blech ist irgendwie ersetzbar. Aber der eine oder andere unter Ihnen wird nachempfinden können, was in mir beim Betrachten der Fotos vorgegangen ist. Etwas irgendwie friedliches, wunderschönes ist für immer zerstört worden. In den verzweifelten, unschuldigen Blicken der Wracks kann man sehen, dass sie es nicht verdient hatten…

Sandmann

 

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Quelle: Chromjuwelen

Avatar von Batterietester29650
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