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Honda-Historie: Zehn Generationen Civic - Vom Vorreiter zum Außenseiter

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Einst begeisterte der Honda Civic mit Heckklappe und Frontantrieb – noch vor dem Golf. Zehn Generationen später ist vom Glanz des globalen Bestsellers wenig geblieben.

Honda-Historie: Mit Quermotor, Frontantrieb und Heckklappe überzeugte der Honda Civic noch vor dem VW Golf Honda-Historie: Mit Quermotor, Frontantrieb und Heckklappe überzeugte der Honda Civic noch vor dem VW Golf Quelle: Honda

Köln - Der Honda Civic ist ein kleiner Verwandlungskünstler. War er schon immer. Seit 45 Jahren wechselt er von Generation zu Generation das Aussehen. Vom Biedermann bis zum Brandstifter reicht sein Repertoire, von verstaubt bis futuristisch. Gerade startete die zehnte Generation, die Designer trimmten ihn dezent auf sportlich und ließen ihn fast auf Mittelklasse-Format wachsen.

Man muss sich nicht treu bleiben, um Erfolg zu haben. Das beweist der Civic mit fast 20 Millionen vom Band gelaufenen Exemplaren. Damit ist er eines der meistgebauten Autos aller Zeiten. Den Grundstein dafür legte Honda Anfang der 1970er Jahre. Fast revolutionär, zumindest aber gewagt, war das Konzept damals. Die Ingenieure bauten den Motor quer ein, er trieb die Vorderräder an, am Heck gab es eine große Klappe.

In Nordamerika und Europa ließ der Civic damit alle Chevy, Ford und Opel alt aussehen. Später stiftete er mit anderen Ideen Unruhe. Zum Beispiel als CRX-Sportcoupé, keilförmig als Shooting-Brake, als Allrad-Van oder als früher Hybrid. Der sportliche Type R schindet auch in der zehnten Generation noch Eindruck.

Die erste Generation des Civic fand vor allem in den USA viele Fans, in Europa lief es schleppender Die erste Generation des Civic fand vor allem in den USA viele Fans, in Europa lief es schleppender Quelle: Honda

Honda Civic 1972: Ein Kind des Wirtschaftswunders

Global am beliebtesten bleibt die konventionelle Limousine. Vor allem in Nordamerika fährt sie von Erfolg zu Erfolg. In Kanada war der Civic sogar 14 Jahre in Folge das meistverkaufte Auto überhaupt. In Europa sieht man stattdessen Fünftürer. Honda baut sie für die ganze Welt im britischen Civic-Werk.

Unterschiedliche Produktionsstandorte und je nach Absatzregion unterschiedlichen Karosserieversionen – Civic ist - vom Namen abgesehen - nie gleich Civic gewesen. Lange Zeit war der Japaner mit diesem Konzept das erfolgreichste Kompaktauto überhaupt. Unternehmensgründer Soichiro Honda konnte zufrieden sein. Er hatte die Mission des Civic unter das Motto gestellt: „Ein Auto für alle Menschen, ein Auto für die Welt“.

Entstanden war das Konzept des ersten kompakten Honda im Jahr 1970. Damals fand in Osaka die Weltausstellung statt, die olympischen Winterspiele Sapporo 1972 wurden vorbereitet. Das japanische Wirtschaftswunder war in vollem Gange. Vor allem beim Export startete Japan durch.

Ab 1979 wurde der Civic auch in Euorpa erfolgreich, er wuchs in den Abmessungen Ab 1979 wurde der Civic auch in Euorpa erfolgreich, er wuchs in den Abmessungen Quelle: Honda

Die USA erobert der Civic im Sturm

Rekordverdächtig schnell wurde damals der Civic entwickelt und umgesetzt. Nach nur zwei Jahren präsentierte Honda das erste Auto aus Japan mit Einzelradaufhängung rundum, quer eingebautem Motor, Vorderradantrieb und einer aufklappbaren Heckscheibe, die als praktische Ladeluke diente.

Dem Civic gelang, woran der zwei Jahre später vorgestellte Golf scheiterte: Er eroberte die Herzen der Amerikaner. Das lag am sportlichen Markenimage von Honda als Motorrad- und Rennwagenhersteller und an der Produktqualität. Sie setzte damals Maßstäbe, die für Ford, GM und Chrysler zum Vorbild wurden.

Außerdem überzeugte die Technik: Der sparsame und schadstoffarme CVCC-Magergemischmotor schaffte bis 1983 sogar ohne Katalysator die strengen US-Abgasnormen. Dass Honda den Civic mit einer in dieser Klasse ungewöhnlichen Automatik anbot, besiegelte den Erfolg in den USA.

In Europa fanden die Autofahrer andere Dinge wichtiger. Zum Beispiel ein dichtes Vertriebsnetz. Ab 1973 wurde der Kompakte auch hierzulande verkauft, 1976 knackte er die Millionengrenze produzierter Autos. Der Durchbruch in Deutschland dauerte länger. Erst eine serienmäßige Komplettausstattung – als erster Kompakter wurde der Civic ohne Aufpreis mit Audioanlage ausgeliefert – ließ die Verkaufszahlen ansteigen.

Wie ein Shooting Brake stand der Honda Civic ab 1983 da Wie ein Shooting Brake stand der Honda Civic ab 1983 da Quelle: Honda

Der Honda Civic wird zum "Super-Civic"

Bei der zweiten Civic-Generation lief es ab 1980 besser. Der sogenannte „Super-Civic“ wurde optisch geglättet und größer. Es gab einen Kombi und eine Stufenhecklimousine, die die Basis bot für den etwas feiner ausstaffierten Honda Ballade. Der wurde in Großbritannien durch British Leyland als Triumph verkauft, die dritte Generation lief als Rover 200 vom Band.

Richtig interessant wurde die japanisch-britische Freundschaft für Honda, als 1986 im englischen Swindon ein europäisches Honda-Werk die Produktion aufnahm. Der nun im Stil eines kleinen Shootingbrakes gezeichnete Dreitürer gewann den renommierten italienischen Car-Design-Award von Turin und Piemont. Avantgardistisch wirkte auch der Civic Shuttle als Vorreiter kleiner Vans und Hochdachlimousinen, auf Wunsch sogar mit Allradantrieb.

In den 80ern machte Honda auch mit dem Coupé CRX Furore. Mit seinem 100 PS leistenden Vierzylinder mit Drei-Ventil-Technik wurde der CRX eine Art Ferrari des kleinen Mannes. Im Jahr 1990 konnte er sogar einen Meilenstein setzen: Das damals eingeführte 150 PS starke 1,6-Liter-Vtec-Triebwerk war das erste mit variabler Ventilsteuerung.

Ab 1991 kam die fünfte Generation des kleinen Bürgermeisters, die als „Sports Civic“ beworben wurde. Neue Vtec-Motoren setzten bis zu 160 PS frei in den Versionen Dreitürer mit geteilter Heckklappe, Stufenheck und CRX. Passend zum Start der sechsten Generation übersprang der Civic die Schallmauer von zehn Millionen Einheiten.

Mitte der 2000er änderte Honda die Designphilosophie grundlegend, der Civic war zwar praktisch, aber in Europa sanken die Verkaufszahlen Mitte der 2000er änderte Honda die Designphilosophie grundlegend, der Civic war zwar praktisch, aber in Europa sanken die Verkaufszahlen Quelle: Honda

Als Hybrid hat der Civic keine Chance gegen den Prius

Technisch spektakulär war auch Civic Nummer sieben, der 2003 in der Hybridversion IMA gegen den Toyota Prius antrat. Der Elektromotor arbeitete nur unterstützend, weil der Hybrid nicht nur grün, sondern auch sportlich sein sollte. Lokal emissionsfrei fuhr man also nie, der Prius wurde zum Erfolg, der Honda-Hybrid weniger. Allerdings arbeitete der zeitgleich lancierte Civic Diesel fast ebenso effizient wie der Hybrid und traf damit den Nerv des europäischen Selbstzünder-Hypes.

Mit Civic Nummer acht war im Jahr 2005 nicht mehr viel übrig vom Ruf Hondas als Motoren-Magier. Jedenfalls in der Basis. Der Civic fiel vor allem durch seine ungewöhnliche Optik auf. Doch es gab noch den Type R. Der achte war der erste Civic mit mehr als 200 PS leistete.

Vom Type R abgesehen wurde es immer ruhiger um den Civic und um Honda insgesamt in Europa. Gerade startet die zehnte Generation des Kompakten, die groß geworden ist und sich formal noch immer stark von anderen Kompaktwagen abhebt. Wie schon sein Urahn wirkt der jüngste Civic wieder eher wie ein Auto für den US-Markt. Es dürfte schwer werden für Honda damit in Mitteleuropa zu alter Größe zurück zu fahren.

Hier weiterlesen: Drei Generationen Type R auf dem Hungaroring

Quelle: SP-X (Wolfram Nickel)

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