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Opel Calibra 2.0 16V und VW Corrado G60 - Volks-Coupés - die neue C-Klasse

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Nach dem Ende der Ära von Manta und Scirocco setzten die beiden großen deutschen Massenhersteller aufs gemeinsame „C“: Opel Calibra und VW Corrado - zwei elegant gezeichnete Coupés -, sollten der jeweiligen Konkurrenz zeigen, wo der Hammer hängt.

Im Straßenbild fallen sie kaum auf, viele verstehen VW Corrado und Opel Calibra auch heute noch also schnöde Gebrauchsfahrzeuge, bestenfalls ein wenig angestaubt. Doch, kaum zu glauben, beide sind volljährig geworden. Die unvergessenen Vorgänger, Manta und Scirocco, befinden sich längst auf dem Weg zum Klassiker. Doch im Gegensatz zu diesen hat der Nachwuchs, 1988 (VW Corrado) beziehungsweise 1990 (Opel Calibra) vorgestellt, noch einen gewissen Bereinigungsprozess vor sich. Wie auch die Vorgänger hatte sich nämlich die C-Klasse von Volkswagen und Opel um das Wohlergehen der Pkw-Zubehörindustrie sehr verdient gemacht. Als Folge sind noch heute viele Opel Calibra und VW Corrado unterwegs, die zum Teil aufs Abenteuerlichste verbaut sind.

Originale Corrado und Calibra sind selten

Dabei zielen die üblichen VW Corrado-Umbaustile eher auf den glänzenden Auftritt samstagnachts. Dazu gehören in die Breite gezogene Kotflügel, superbreite Hochglanzfelgen, Mega-Subwoofer und allerlei nette Innenraumaccessoires, vorzugsweise im Glanz-und-Glitzer-Disco-Stil. Der Opel Calibra wiederum macht eher auf Mucki- Bude: Schweller, Schürzen und großflächige Spoiler sorgen für den breiten und wuchtigen Auftritt, krönender Abschluss ist der Auspuff im Format eines Ofenrohrs.

Wer sich ein originales Exemplar eines dieser Großserien-Coupés zulegen möchte, muss also eine Weile suchen. Beim Opel Calibra kommt hinzu, dass viele Exemplare, womit er keineswegs der einzige Opel seiner Epoche ist, in puncto Rostvorsorge nicht gerade für die Ewigkeit gebaut war. Allmählich entwickelt sich aber eine treue Liebhaberszene, die Wert auf Originalität und guten Pflegezustand legt. Der Anteil aufgedonnerter VW Corrado und Opel Calibra am Gesamtbestand nimmt daher langsam wieder ab, die Preise für gute Originalautos beginnen zu steigen.

Heute noch überraschend modern

Die Begegnung mit den Großserien-Coupés - im speziellen Fall einem 1991er VW Corrado G60 und einem 1992 Opel Calibra 2.0i 16V, beide im Originalzustand und wie aus dem Ei gepellt -, hat gleichermaßen etwas Erfreuliches wie wenig Aufregendes. Es ist wie das Treffen mit guten Bekannten, die man ein paar Monate aus den Augen verloren hatte. Alles ist noch sehr vertraut - im Vergleich dazu hat der Gedanke an Manta und Scirocco eher ein bisschen etwas von Erinnerungen an ferne Schulzeiten. Sowohl VW Corrado als auch Opel Calibra wirken selbst heute noch überraschend modern. Beide strahlen Agilität aus, das aufgesetzt Aggressive aktueller Konkurrenten, mit gierigem Kühlermaul und serienmäßig bösem Xenon-Blick, ist ihnen dennoch fremd. Allerdings sind die beiden doch recht verschieden. Der VW Corrado kommt eher kompakt und bullig daher, genauer betrachtet erinnert er ein wenig an den Golf aus gleichem Hause. 

Der Opel Calibra hingegen, fast einen halben Meter länger, kann die Verwandtschaft zum braven Opel Vectra, auf dessen technischer Basis er entwickelt wurde, gut verstecken. Mit seinem langen Radstand und der flachen, gestreckten Form mutet er fast ein bisschen amerikanisch an. Eine kleine Sensation war seinerzeit der cW-Wert von 0,26 beim Basis-Calibra 2.0i beziehungsweise 0,29 beim 2.0i 16V.

Calibra mit superflachen Ellipsoid-Scheinwerfern

Möglich wurde die Windschlüpfigkeit unter anderem durch den Einsatz der gerade mal sieben Zentimeter hohen Scheinwerfer in Ellipsoid-Technik. Denn sie erlaubten es, die Fahrzeugfront extrem flach zu gestalten. Der Corrado setzte dagegen auf klassische Sachlichkeit mit konventionellen Scheinwerfern im Backsteinformat und rechteckigem Kühlergrill. Der Vorbau fällt entsprechend übersichtlich aus, während der Flachmann von Opel beim Einparken allenfalls ahnen lässt, wo er vorn aufhört. Bei der Sicht nach hinten sieht es übrigens nicht viel besser aus. Doch wem es ums bequeme Einparken geht, der wählt ohnehin eher einen Corsa oder Polo.

Beide Coupés lassen sich dynamisch bewegen

Die beiden Coupés wollen auf freier Strecke von der Leine gelassen werden. Dass dabei wirkliche Freude aufkommt, liegt zum nicht unerheblichen Teil an den Motoren. Zwar waren weder der VW Corrado G60 noch der Opel Calibra 2.0i 16V die jeweils offerierte Spitzenmotorisierung. Den VW gab es auch mit einem 190 PS starken VR6, bei Opel markierte ein 204 PS starker Zwei-Liter-Turbo in puncto Leistung das Ende der Fahnenstange. Doch die munteren 160 PS im VW Corrado beziehungsweise 150 PS im Opel Calibra erweisen sich als völlig ausreichend, um jeweils rund 1.200 Kilo Auto erfrischend dynamisch zu bewegen.

Dass der VW Corrado über lediglich 1,8 Liter Hubraum verfügt, ist schwer zu glauben. Der G60 marschiert schon mit geringer Drehzahl kräftig und mit verhalten sportlichem Klang los. Seine überraschende Durchzugskraft verdankt er dem Einsatz eines Spiral- Kompressors, über den der alte Zweiventilmotor, der ursprünglich schon die GTI-Golf der 80er in Schwung brachte, zwangsbeatmet wird.

Das mit 225 Nm vergleichsweise kräftige Drehmoment des VW Corrado (Opel Calibra: 196 Nm) kommt einer schaltfaulen Fahrweise entgegen - schon deshalb erfreulich, weil die seinerzeit von Volkswagen montierte Seilzugschaltung nicht gerade exakt und knackig agiert. Wer es an der nötigen Aufmerksamkeit fehlen lässt, wird schnell mit hässlichem Kratzen aus der Schaltbox bestraft. Das Phänomen ist auch dann nicht zuverlässig beseitigt, wenn der Corrado mit frisch justierter Schaltmechanik aus der Werkstatt kommt. Ein Tipp am Rande: Das seinerzeit im VW Corrado angebotene Automatikgetriebe soll erstaunlich gut zum kräftigen G60 passen.

Opel Calibra ist schwächer, aber genauso schnell

Der nominell etwas schwächere Antrieb im etwas schwereren Opel Calibra ermöglicht, objektiv gesehen, annähernd gleiche Fahrleistungen. Dieser Motor wirkt ebenfalls recht kräftig und lässt sich durchaus auch schaltfaul bewegen. Den fast schon bulligen VW Corrado G60-Charakter erreicht er aber nicht. Andererseits legt der Opel-Motor oberhalb von etwa 4.000 Touren mit kernigem Vierzylinderklang noch mal ordentlich nach. Der spritzige Charakter verführt geradezu zu einem sportlichen Fahrstil mit häufigeren Gangwechseln.

Das Getriebe lässt sich dabei schnell und exakt betätigen. Die fünfte und letzte Stufe ist übrigens, anders als bei anderen Opel-Modellen aus dieser Zeit, als echter Fahr- und nicht als Schongang ausgelegt. Vom Fahrverhalten her vermittelt der Opel Calibra im Vergleich zum Corrado dennoch ein etwas behäbigeres Gefühl. Der kompakte VW Corrado gibt sich beinahe wie ein Go-Kart, das nach schnellen und engen Kurven giert. Der lange Lulatsch von Opel hingegen wirkt ein bisschen wie eine gemütliche Limousine, die auf sportlich macht. Die Bedienung birgt hier wie dort keine Rätsel: Der Corrado ist so gesehen ja beinahe ein Passat, der Calibra ein Vectra. 

Gutes Raumgefühl in beiden Volks-Coupés

Nach ein paar Metern Eingewöhnung läuft alles wie geschmiert. Dabei verwöhnen beide mit einem überraschend großzügigen Raumgefühl, selbst in der zweiten Reihe. Allerdings sollten Fondpassagiere zum Ein- und Ausstieg eine gewisse Gelenkigkeit mitbringen und mit der nicht gerade üppig bemessenen Kopffreiheit klarkommen. Auch im Kofferraum (jeweils 300 Liter) geht es nicht zu eng zur Sache. Corrado-Interessenten sollten aber wissen, dass Fahrzeuge ab Baujahr 1992 mit einem 70- statt 55-Liter-Tank ausgestattet sind und das Gepäckraumvolumen im Gegenzug auf 235 Liter reduziert wurde. Für alle, die sie bislang vielleicht nicht richtig mochten: VW Corrado und Opel Calibra sind zwei aufrichtige Typen, die einen guten Gegenwert fürs Geld bieten.

Die Anschaffungspreise sind - noch - recht moderat. Selbst mit der jeweiligen Grundmotorisierung ist der Chauffeur hinreichend flott unterwegs. Die Technik ist problemlos, der Unterhalt günstig. Überflüssiger Firlefanz wie Multimedia-Bordcomputer oder Sitzhydropneumatik mit zigfacher Memoryfunktion fehlen, man kann sich voll und ganz aufs Fahren konzentrieren. Nettes Detail am Rande: Der von uns gefahrene Opel Calibra hatte sogar noch richtige Fensterkurbeln. 

 

Quelle: Motor Klassik

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