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Classic Driving News

Unterwegs im Ex-Lambo des Schahs

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Der Lamborghini Miura war in den 60er Jahren ein absolutes Traumauto. Sogar der Schah von Persien kurvte mit dem eleganten Stier durch die Alpen. Wir haben uns 40 Jahre danach auf die Spuren des Autos und des Schahs begeben.

Valentino Balboni, ehemaliger Cheftestfahrer von Lamborghini, erinnert sich noch wie gestern: "Es war im Winter 1967. Der Schah von Persien war hier in Sankt Moritz im Urlaub. Ein Anruf - er wollte seinen neuen Lamborghini Miura unbedingt hier fahren." Der Kunde war auch damals König und so wurde der eigens für Schah Mohammad Reza Pahlavi fertig gestellte Miura im Werk Santa Agata schnell winterfit gemacht. "Neben den normalen Reifen haben wir gleich noch Winterreifen mit Spikes geliefert. Schließlich hatte es hier in Sankt Moritz viel Schnee. Unser damaliger Testingenieur Bob Wallace hat den Wagen selbst hierhin gebracht."

Spezialanfertigung für den Schah von Persien

Zur Winterzeit hielt sich der ehemalige Schah von Persien, Mohammad Reza Pahlavi, bevorzugt im noblen Schweizer Wintersportort auf. Für eine standesgemäße Motorisierung und die nötige Aufmerksamkeit im Konzert der Schönen und Reichen sollte ein neues Spielzeug sorgen, das der Schah erst kurz vorher entdeckt hatte. Schah Mohammad hatte bei Firmenchef Ferruccio Lamborghini persönlich eine Einzelanfertigung des neuen Lamborghini Miura bestellt. Außen tief dunkelrot und innen mit weißem Leder ausgeschlagen. "Sonst ist der Wagen serienmäßig", erklärt Valentino Balboni mit einem Lächeln, "es gab sonst keine Extras bei dem Wagen - nur die Klimaanlage."

Was sollte es auch geben, der Lamborghini Miura war für damalige Verhältnisse komplett ausgestattet: weiße Ledersitze, elektrische Fensterheber, Renngurte und ein Philipps Radio. Den zweiten Wischer ließ der Schah abmontieren. Schließlich brauchte er am Steuer des norditalienischen Stieres nur selbst den Durchblick zu behalten.

Hollywood-Star Nicolas Cage war Vorbesitzer

Mehr als 40 Jahre später an gleicher Stelle fühlt man sich zurückversetzt in die Geburtsstunde des Lamborghini Miura. Die tiefrote Flunder kauert vor dem eleganten Hotel des Baines am Ortsausgang von Sankt Moritz erwartungsvoll auf dem Asphalt. Das Hineinklettern vollzieht sich leichter als erwartet und nach dem Kreisverkehr geht es direkt Richtung Julierpass.

Der Zwölfzylinder-Mittelmotor mit seinen knapp vier Litern Hubraum brüllt bereits bei 3.000 Touren, dass die meisten Einwohner von Sankt Moritz zumindest jetzt alle im Bett stehen müssten. Der Bolide des ehemaligen Schahs befindet sich mittlerweile in der Hand eines Schweizer Lamborghini-Sammlers. "Der erstand den Wagen vor rund eineinhalb Jahren von dem Hollywood-Schauspieler Nicolas Cage", so Valentino Balboni, der den Renner kennt wie kein anderer.

Der Innenraum des Miura ist makellos. Auf dem Tachometer stehen nicht einmal 10.000 Kilometer. Die zahlreichen Schalter und die Batterie an Rundanzeigen auf der wenig filigranen Mittelkonsole sehen aus wie neu. Keiner der ehemaligen Eigentümer scheint dem Supersportler vergangener Zeit zu viel zugemutet zu haben.

Star des Genfer Autosalons 1966

Auf dem Genfer Automobilsalon im Frühjahr 1966 hatte der Lamborghini Miura seine Weltpremiere gefeiert. Die Aufregung um den PS-starken Renner war schon am Lac Leman riesengroß. Besonders viele Prominente verliebten sich Hals über Kopf in den Wagen. Die Automobilwelt war fassungslos, die italienische Supersportwagen-Szene danach nicht mehr dieselbe. Hier war für viele etwas Unerhörtes, fast schon Unmögliches wahr geworden.

Es hieß Miura, wie die spanischen Züchter von Kampfstieren. Aufreizend sportlich und ungemein sexy betörte die Form des 4,37 Meter langen Lamborghini Miura, die der damals nicht einmal 30 Jahre alte Bertone-Mitarbeiter Marcello Gandini geschaffen hatte. Die wiederum war auch von technischer Revolution geprägt; hatte dieses Auto doch seinen Mittelmotor quer vor der Hinterachse eingebaut - unmittelbar hinter den beiden Schalensitzen. So etwas gab es allenfalls bei Rennwagen und genau das war der Miura. Vorteil war ein vergleichsweise neutrales Fahrverhalten durch den mittig positionierten Motor. Jedoch machten sich Lärm und Hitze im Innenraum des gerade einmal 1,05 Meter hohen Renners breit.

Motortuning für den Schah

Während die normalen Lamborghini Miuras aus vier Litern Hubraum rund 350 PS herausholten, wurde beim Einzelstück für den Schah noch leicht nachgearbeitet. Valentino Balboni: "Dieser Miura sollte so rund 380 PS haben. Allemal genug."

Recht hat er, denn bereits es hinauf zum Julierpass geht, macht der Zwölfzylinder hinter der Plexiglasscheibe ordentlich Dampf und schiebt mächtig an. Die Kupplung ist ruppig und die Bremse kommt spät. Doch das knüppelharte Gaspedal des Miura belohnt jeden engagierten Tatendrang des Piloten mit einem brünstigen Brüllen und einer eindrucksvollen Bewegung der Tachonadel. Die Welt der sehenswerten Schweizer Alpen fliegt nur so an einem vorbei und wäre das Wetter besser, man könnte es so recht fliegen lassen. Doch mit Hinweis auf Temperaturen von kaum über null Grad Celsius, anhaltendem Regen und der Reifen, die schon bessere Zeiten gesehen haben, muss es heute eben etwas zivilisierter gehen.

Valentino Balbonis Sportwagen-Favorit

Ändert jedoch nichts an dem Genuss, einen Lamborghini Miura zu bewegen. Die Straßenlage dieses rund 1,2 Tonnen schweren Einzelstücks ist gerade in schnellen Kurven imposant. Die schwergängige Lenkung und der hakelige Schaltung können einem diesen Hochgenuss kaum verleiten. Unbeirrt stürmt der Miura den Julierpass hinauf und zaubert seinem Piloten mehr als ein Lächeln auf die Lippen. Ob sich der Schah von Persien in den 60er Jahren ebenso mit seinen Spikes den Pass hinaufkämpfte oder der Miura nur auf der verschneiten Flaniermeile von Sankt Moritz sein Können zeigen musste? Das bleibt ebenso ein Geheimnis wie die Höchstgeschwindigkeit, die beim Lamborghini Miura wohl niemand ernsthaft benennen konnte.

Einige sprechen von 280 km/h; andere von knapp Tempo 300 und auch Valentino Balboni schweigt vielsagend zu diesem Thema. In jedem Fall hat er mit dem Miura seine Tätigkeit als Testfahrer bei Lamborghini begonnen. "Ich habe kein Auto lieber gefahren", sagt der Pensionär und wirft behutsam die Beifahrertür des Lamborghini Miura zu, "der Wagen kommt jetzt wieder zurück in die Privatsammlung." Im letzten Jahr legte der Renner des Schahs nicht einen Meter zurück. Was für eine Schande.

 

Quelle: Motor Klassik

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