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Super Plus - zwei Parade-GT

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Aston Martin DB4 GT und dem Ferrari 250 SWB - zwei Traumwagen im Wert von zusammen mehr als 1,5 Millionen Euro. Die hochoktanigen Unterschiede zwischen britischer und italienischer GT-Philosophie zeigen sich auf diesen beiden einsamen Gipfeln.

Die Zahl ist immer noch magisch. Autos, deren Tachometerskalen bei 300 enden, sind auch heute noch alles andere als alltäglich. Wie die 300 auf den Geschwindigkeitsanzeigern von Aston Martin DB4 GT und Ferrari 250 SWB 1960 auf kleine Jungs und große Männer gewirkt haben muss, die sich die Nasen an den Seitenscheiben der beiden GT platt drückten, kann man sich nicht wirklich vorstellen. Sie waren ein ferner Traum, so weit weg wie eine Mondlandung.

Zwei seltene Charakter-GT

Die Chance, einem parkenden Aston Martin DB4 GT oder Ferrari 250 SWB zu begegnen, war vor 45 Jahren freilich nicht größer als heute. Die Gesamtproduktionszahl beider Modelle liegt bei etwas über 260. Die meisten davon haben bis heute auf die ein oder andere Weise überlebt. So wie die beiden GT auf diesen Seiten, die in der Fahrzeugsammlung der Unternehmerfamilie Dauphin stehen, die übrigens neuerdings auch öffentlich zugänglich ist.

Der Ferrari 250 SWB empfängt seinen Fahrer wie einen alten Freund. Man fühlt sich in dem engen Schalensitz gut aufgehoben, das große Lenkrad mit dem dünnen Holzkranz ist perfekt positioniert, und die schlanken Speichen geben den Blick auf die beiden großen Rundinstrumente frei. Auch unbeholfene Füße finden auf Anhieb die richtigen Pedale, und der Schalthebel ist nur wenige Zentimeter von der rechten Hand entfernt. Was aber am Ferrari 250 SWB wirklich begeistert, ist die nüchterne Werkzeug-Atmosphäre im Innenraum. Er verzichtet vollständig auf unnütze Details, hat nichts Heischendes und schon gar nichts Luxuriöses, obwohl dieses Exemplar eine so genannte Lusso-Variante mit Ledersitzen, Kurbelfenstern und Stahlkarosserie ist. Er ist ein Rennwagen, ein GT im besten Sinn des Wortes.

Der zierliche Schlüssel des Ferrari 250 SWB will in Zündstellung gedreht und danach sanft gedrückt werden. Was dann passiert, ist so Ferrari-typisch wie das schwarze Pferd und die rote Farbe: Nach kurzem Anlassersingen zünden alle zwölf Zylinder scheinbar gleichzeitig, und der mit extrem wenig Schwungmasse belastete Dreiliter dreht mit samtigen 500 Touren im Leerlauf vor sich hin. Das Startritual des legendären Colombo-Zwölfzylinders allein sorgt für mehr Gänsehaut als 100 Kilometer in einem beliebigen modernen Sportwagen.

Im SWB wird der Ferrari-Virus intravenös verabreicht

Die Fahrleistungen des Ferrari 250 SWB reißen heute natürlich keinen mehr vom Hocker: Die Motor Revue maß 1960 eine Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 8,2 Sekunden und verzichtete darauf, den noch nicht vollständig eingefahrenen Motor höher als 7.000 Touren zu drehen. Immerhin reichte das im vierten Gang für 233 km/h. Ein bis in den roten Bereich ausgedrehter Ferrari 250 SWB erreicht rund 250 km/h.

Aber die Art und Weise, wie der Ferrari 250 SWB diese Werte produziert, ist bis heute unübertroffen. Der Motor reagiert wie ein Seismograph: Jeder Millimeter Pedalweg wird mit blitzartigem Hochdrehen quittiert, untermalt vom lauten Schlürfen der Weber DCL-Doppelvergaser, lautem Ventilschnattern und hellem Trompeten aus dem Auspufftrakt, das bei Drehzahlen über 5.000 in ein schrilles Heulen übergeht.

Die Schaltung legt mit steigender Schaltdrehzahl ihre Steifheit ab, die Gangwechsel werden flüssiger, und auch die Kupplung stemmt sich nicht so stramm wie oft kolportiert dem linken Fuß entgegen. Das alles unterscheidet sich nur in Nuancen vom Fahrerlebnis in profaneren Ferrari, etwa den entfernteren Ferrari 250 SWB-Nachkommen 330 oder 412. Nur im Ferrari 250 SWB ist es intensiver, direkter, es geht schneller ins Blut. In ihm wird der Ferrari-Virus intravenös verabreicht, bei den neueren Modellen subkutan.

Nur in homöopathischen Dosen: Ferrari Short Wheel Base

Was man dabei kaum beschreiben kann, ist der Duft eines warm gefahrenen Ferrari 250 SWB. Er riecht nach heißem Öl, unverbranntem Benzin, Lagerfett und Reifengummi. Sollten Sie einmal zufällig neben einem abkühlenden Ferrari 250 SWB stehen, knien Sie sich bitte neben die Luftaustrittsöffnung im linken Kotflügel und schnuppern einmal. Dann verstehen Sie, was gemeint ist.

Nur 165 glückliche Käufer kamen in den Genuss eines fabrikneuen Ferrari 250 SWB. Schließlich sollte die Berlinetta mit dem auf 2.400 Millimeter verkürzten Radstand denjenigen Kunden vorbehalten bleiben, die ihren Ferrari auf der Rennstrecke bewegen wollten. Immerhin war dies ein beträchtlicher Teil der Ferrari-Kundschaft. Wenn man berücksichtigt, dass in den Jahren zwischen 1960 und 1962 jährlich nur etwa 350 Autos das Werk in Maranello verließen, war etwa jeder zehnte Ferrari eine Short Wheel Base-Berlinetta.

Nur 100 Aston Martin DB4 in GT-Version entstanden

Denselben Anteil an der Aston Martin DB4-Produktion hatte auch der Aston Martin DB4 GT: Rund 1.100 gebauten DB4 stehen genau 100 Aston Martin DB4 GT-Versionen gegenüber, wobei in der Zahl auch die 19 Zagato, die vier Le Mans-Prototypen und der von Bertone karossierte Jet enthalten sind. Nur ein Jahr nach dem Produktionsbeginn des DB4 entschied man in Newport-Pagnell, eine Rennversion des Straßensportwagens zu bauen. Der Start war viel versprechend: Stirling Moss siegte im Herbst 1959 beim ersten Renneinsatz des Prototypen.

Anders als bei Ferrari, wo der Colombo-Motor für den Ferrari 250 SWB nur milde modifiziert werden musste, waren bei dem von Tadek Marek konstruierten 3,7 Liter-Sechszylinder des Aston Martin DB4 GT tiefere Eingriffe nötig, um konkurrenzfähige Leistungswerte zu erzielen. Die augenfälligste Maßnahme: Der Aston Martin DB4 GT verfügt über Doppelzündung, wobei jede der beiden Nockenwellen einen Zündverteiler antreibt. Und statt von zwei SU-Vergasern wird im Aston Martin DB4 GT das Gemisch von drei Weber-Doppelvergasern aufbereitet. 302 PS nach britischer Norm waren das Resultat. Die Mehr-PS hatten auch deutlich weniger Gewicht zu beschleunigen. Dank dünnerer Alu-Bleche, kürzerem Radstand und Plexi-Scheiben wiegt ein Aston Martin DB4 GT rund 100 Kilogramm weniger als die Straßenvariante.

Nobles Interieur und souveräne Motorisierung im Aston Martin

An der Ausstattung hatten die Ingenieure um Aston-Chef John Wyer jedenfalls nicht gespart. Der Renn-Aston Martin DB4 GT ist kaum weniger wohnlich eingerichtet als ein normaler DB. Ausladende Clubsessel, weiche Teppiche und glänzender Chrom lassen wenig Rennatmosphäre aufkommen. Das ändert sich freilich, wenn der filigrane Zündschlüssel gedreht wird und die zwölf Zündkerzen in den sechs Brennräumen zünden. Dumpfes Sechszylinder-Bollern füllt den Innenraum, und die Nadeln der kleinen Rundinstrumente verfallen in wilde Zuckungen.

Das Aston-typisch geschwungene Instrumentenbrett mit den kleinen Anzeigen, dem dünnen Lenkrad und den verchromten Knöpfen könnte aus dem Führerstand der legendären Mallard stammen, jener Lokomotive, die am 3. Juli 1938 mit 202 km/h den bis heute gültigen Geschwindigkeitsrekord für Dampfloks aufstellte.

Entsprechend setzt sich der Aston Martin DB4 GT auch in Bewegung, sobald der kurze Wählhebel des nicht serienmäßigen ZF-Getriebes in Position 1 gerückt ist. Den DB4 gab es nur mit dem alten David Brown-Vierganggetriebe, die ZF-Fünfgangbox erhielt erst der DB5. Auch wenn die Schaltmanöver geschmeidiger aus dem Handgelenk gleiten als im störrischen Ferrari, ist es nur selten nötig.

Der Aston Martin ist der entspanntere GT

Der quadratisch ausgelegte Reihensechser des Aston Martin DB4 GT zieht wie ein Bulle aus dem Keller. Man kommt kaum in Versuchung, den Motor auf über 5.000 Umdrehungen zu jagen. Doch zuerst muss man sich mit der ungewohnten Sitzposition in dem rechts gelenkten Aston Martin anfreunden. Das steil stehende Lenkrad und die Pedale scheinen leicht nach links versetzt, und der Schalthebel sitzt noch weiter links tief unten auf dem Kardantunnel.

Nach der intimen Enge im Ferrari-Cockpit fühlt man sich im Aston Martin DB4 GT kühl und distanziert. Man kann sich eher vorstellen, so nach Nizza zu reisen, als in Le Mans eine schnelle Qualifikationsrunde auf den Asphalt zu brennen. Nicht, dass der DB4 das langsamere Auto wäre: In zeitgenössischen Tests beschleunigte der Brite einen Hauch schneller als der SWB. Der Aston Martin DB4 GT ist das weniger anstrengende Auto. Gelassen folgt er Lenkbefehlen, gebärdet sich nicht so nervös wie der Ferrari und wirkt insgesamt alltagtauglicher und verbindlicher als der 250 GT.

Eine lange Karriere war beiden nicht beschieden. 1962 wurde die Produktion des Ferrari 250 SWB eingestellt, 1963 kam das Aus für den Aston Martin DB4 GT. Aston Martin versuchte mit den Prototypen DP 212, 214 und 215 mit dem übermächtigen Ferrari GTO mitzuhalten, doch die Tage der Frontmotor-Rennwagen waren ohnehin gezählt.

Zum Glück braucht man sich nach der Vergleichsfahrt nicht zu fragen, welchem GT man nun den Vorzug gibt. Zusammen repräsentieren sie einen Wert von rund eineinhalb Millionen Euro. Aber man kann jeden verstehen, der unbedingt beide haben will. Schließlich sind sie die letzten Vertreter einer Epoche, in denen der Gentleman mit seinem Auto am Sonntag einen Klassensieg holen und am Montag zur Arbeit fahren konnte.

Vielleicht war früher nicht alles besser. Aber es gibt heute nicht mehr so viele Gentlemen wie einst, und die Mondlandung ist auch schon 35 Jahre her.

 

Quelle: Motor Klassik

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