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Hersteller arbeiten am Ökoreifen - Schwarzes Gold aus Löwenzahn und Sojabohnen

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Aus Schwarz wird Grün: Reifenhersteller versuchen vermehrt, Reifen aus nachwachsenden Rohstoffen herzustellen. Chemikalien und Rohöl könnten bald Öko-Materialien weichen.

Nachwachsende Rohstoffe sollen bei der Reifenproduktion in Zukunft Materialien aus fossilen Stoffen ersetzen Nachwachsende Rohstoffe sollen bei der Reifenproduktion in Zukunft Materialien aus fossilen Stoffen ersetzen Quelle: MOTOR-TALK, Continental, © ping han, margo555 - Fotolia.com

Hannover – Reifen werden immer wichtiger für den Umweltschutz. Viele Hersteller setzen derzeit auf rollwiderstandsoptimierte Pneus. Mit ihnen sinkt die Reibung, der Fahrzeug-Motor muss so weniger Leistung für die gleiche Geschwindigkeit aufbringen. Das senkt den Spritverbrauch, spart also Öl.

Doch die schwarzen Verschleißteile haben ein viel höheres Sparpotenzial. Zur Herstellung der Gummis werden große Mengen an Rohöl und Naturkautschuk benötigt. Die müssen aufwendig gefördert und gewonnen werden, lassen sich aber nicht problemlos entsorgen.

Reifen aus nachwachsenden Rohstoffen sparen Geld

Gepresster russischer Löwenzahn (kurz TKS) kann in der Reifenherstellung verwendet werden Gepresster russischer Löwenzahn (kurz TKS) kann in der Reifenherstellung verwendet werden Quelle: Bridgestone Die Reifenhersteller testen bereits alternative Rohstoffe. Das liegt nicht nur am grünen Gewissen der Reifenbauer, sondern vor allem am Geld: Nach Angaben der Internationalen Energieagentur (IEA) wird der Verbrauch von Rohöl im Jahr 2030 um über 20 Prozent höher liegen als 2007. Steigende Rohstoffpreise werden die Folge sein, die Reifenproduktion wird teurer.

Hersteller Continental ersetzt bereits fossile Öle durch Rapsöle. Anstelle von Polyester verwenden die Hannoveraner die Zellulose-Faser Rayon als Festigkeitsträger für die Reifenkarkasse. Das Ziel ist aber noch fern. Boris Mergell von Continental möchte „ganz auf fossile Rohstoffe verzichten.“ Doch der Leiter für Material- und Prozesstechnik gesteht Probleme ein. Nicht jede Reifenkomponente lasse sich durch nachwachsende Materialen ersetzen. Einige Stoffe könnten Fahreigenschaften oder Rollwiderstand verschlechtern. Das ist keine Option: „Solche Rückschritte werden wir nicht akzeptieren.“

Reifen zukünftig aus Sojabohnenöl und Löwenzahn?

Öl aus Sojabohnen steigert laut Goodyear die Laufleistung von Reifen um 10% Öl aus Sojabohnen steigert laut Goodyear die Laufleistung von Reifen um 10% Quelle: picture alliance / dpa Der Reifen-Hersteller Goodyear arbeitet wie die deutsche Konkurrenz am Öko-Thema. Die Amerikaner haben herausgefunden, dass sich im Produktionsprozess Erdöl durch Sojabohnenöl ersetzen lässt. Das steigere sogar die Laufleistung der Reifen um zehn Prozent. Die Verwendung der Bohne als Öllieferant soll den Rohölverbrauch allein bei Goodyear Dunlop um jährlich 26,5 Millionen Liter senken.

Ähnlich sieht es bei Naturkautschuk aus. Knappe Ressourcen und steigende Preise erfordern die Suche nach einer Alternative zum Gummibaum. Gemeinsam mit Experten des Landwirtschaftlichen Forschungs- und Entwicklungszentrums der Universität Ohio in Akron haben die Reifenhersteller Bridgestone und Cooper Tires den russischen Löwenzahn (botanisch: Taraxacum kok-saghyz oder kurz TKS) ins Visier genommen.

Unter den rund 1.200 Pflanzenarten, aus denen Naturkautschuk gewonnen werden könnte, eigne sich TKS am besten. Der Löwenzahn verspreche eine Vereinfachung der Logistik, hohe Qualität sowie hohe Verfügbarkeit. Des Weiteren wären die Reifenhersteller unabhängig von Kautschuk-Lieferungen aus politisch instabilen Ländern. Für Conti beispielsweise wäre ein Anbau im großen Stil auf brachliegenden Feldern in Europa denkbar.

Grüne Serien-Reifen erst in fünf Jahren

Bridgestone hat bereits auf dem Pariser Autosalon im September 2012 sowie auf dem Genfer Salon 2013 einen Konzeptreifen vorgestellt, der vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen besteht. Als Ersatz für den Hevea-Naturkautschuk kommt Kautschuk aus der Goldrute zum Einsatz, einer in Nordamerika beheimateten Korbblütler-Pflanze. Der notwendige Rußanteil wurde aus pflanzlichen Fetten und Ölen erzeugt. Vulkanisationsmittel, Karkassengewebe und der synthetische Gummi sind ebenfalls pflanzlichen Ursprungs.

Trotz aller prognostizierten Vorteile für die Umwelt bleibt der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) skeptisch. Pressesprecher Rüdiger Rosenthal sagt: „Das zieht Umweltprobleme nach sich.“ Er befürchtet durch den Anbau der Rohstoffe noch größere Flächen für Monokulturen an Raps oder Löwenzahn.

Bis die ersten „grünen“ Reifen als Serienprodukte über unsere Straßen rollen, wird noch etwas Zeit vergehen - nach einer Einschätzung von Continental wohl über fünf Jahre. Es seien noch eine Vielzahl von Versuchen mit den Materialien und der Prozesstechnik notwendig, sagt Conti-Techniker Mergell.

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