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Im BMW E34 auf der Allgäu-Orient-Rallye - Nur die Harten kommen in den Garten

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Defekter Anlasser, Zylinderkopfdichtung verraucht: Von Pannen blieben die 5er BMW E34 bei der Allgäu-Orient-Rallye nicht verschont. Trotzdem holten sie den zweiten Platz.

Mit drei alten BMW 5ern aus dem Allgäu bis nach Jordanien: Ein Gewaltritt mit einem Happy-End - und einem Kamel für das Siegerteam Mit drei alten BMW 5ern aus dem Allgäu bis nach Jordanien: Ein Gewaltritt mit einem Happy-End - und einem Kamel für das Siegerteam Quelle: BMW

Von Haiko Prengel

München - Es gibt Extrembedingungen, da geht auch ein Langläufer wie der 520i in die Knie. „Der Motor begann vor Denizli in Kleinasien zu qualmen, bei 35 Grad im Schatten“, berichtet Adil Sbai. Er und sein Rallye-Team hielten sofort ihrem BMW E34 Touring an, aber da war es schon zu spät. „Es hatte bereits den Kühler und sogar die Zylinderkopfdichtung zerschossen“, erinnert sich der 31-Jährige. Sie schleppten den Wagen ins nächste Dorf ab – in der Hoffnung, dort einen kundigen Mechaniker zu finden. Aber es gab nur eine Traktor-Werkstatt, und keinen Experten für ältere BMW.

Link: Lest hier, wie das Team sein Auto fand

Aber so eine Rallye ins Morgenland ist kein Concours D'Elegance, wo Champagner und Austern gereicht werden. „Nur die Harten kommen in den Garten“ lautete as Motto der Allgäu-Orient-Rallye, die vom 7. Mai bis 27. Mai stattfand. Die 48 teilnehmenden Teams bretterten mit ihren Fahrzeugen mehr als 6.000 Kilometer über Balkan, Türkei und Israel nach Jordanien. 104 Autos und 2 Motorräder waren dabei.

Endlose Weiten: Wer hier einen neuen Anlasser für einen E 34 braucht, hat ein Problem Endlose Weiten: Wer hier einen neuen Anlasser für einen E 34 braucht, hat ein Problem Quelle: BMW Bedingung der irrwitzigen Old- und Youngtimer-Fahrt: Die Fahrzeuge dürfen nicht teurer als 1.111 Euro oder jünger als 20 Jahre alt sein. Das Abenteuer war also auch ein prima Härtetest: Was taugen die Gefährte aus den Achtzigern und Neunzigern heute noch?

Am Ziel blieb jedes zweite Auto stecken

Mittendrin: Adil Sbai und die anderen Mitglieder des Teams „5ever“, die die staubigen und harten Etappen mit drei E34 Touring auf sich nahmen. Zunächst die gute Nachricht vorweg: Trotz diverser Ausfälle und Pannen schafften es alle drei Autos in Ziel. Insbesondere bei steilen Bergpassagen war das Team dankbar für die 150 PS und die sechs Zylinder. Vor dem zweiten Platz bei der Rallye lagen drei Wochen unglaublich harte Arbeit. Und jede Menge Hürden und Fallstricke.

„Was die Strecke angeht, gab es gerade zum Ende hin sehr herausfordende Bedingungen“, berichtet BMW-Fahrer Sbai: große, dicke oft spitze Steine, denen man ausweichen musste. Oder extrem sandiges Terrain, in dem man sofort steckenblieb, wenn man zu viel oder zu wenig Gas gab. „Eine falsche Aktion und man grub sich in den Sand ein.“ Im Ziel in Wadi Rum - in der traumhaften Wüstenkulisse wurden Filme wie „Star Wars“ und „Der Marsianer“ gedreht - sei jedes zweite Fahrzeug steckengeblieben. „Wir leider auch“, so Adil Sbai.

Bis zur türkischen Grenze lief alles gut

Los ging die Mammut-Rallye am 7. Mai in Oberstaufen im Allgäu, bei Kälte und heftigem Dauerregen. Über gut ausgebaute Straßen kamen die Autos durch Österreich über Ungarn und weiter nach Serbien gut voran. Kurz vor der türkischen Grenze gab es die ersten technischen Probleme bei einem der drei 5er, räumt Benjamin Voß von BMW Classic ein.

Mitten in einem Nationalpark in der Türkei sprang einer der drei Wagen bei brütender Hitze nicht mehr an. Überbrücken half nichts. Später fand das Team heraus, dass der Anlasser kaputt war. Doch wie kommt man im türkischen Nirgendwo möglichst schnell an einen neuen Anlasser für einen 5er BMW der Baureihe E34, die seit über 20 Jahren nicht mehr gebaut wird? Keine Chance. „Also haben wir diesen 520i dann bis zum Ende (weitere 2.500 km) nicht mehr repariert, weil sich immer jemand zum Anschieben fand“, erzählt Adil Sbai. „Die Menschen in der Türkei und Jordanien waren so unglaublich gastfreundlich und hilfsbereit.“

Allgäu-Orient-Rallye: Saab 900 Allgäu-Orient-Rallye: Saab 900 Quelle: Allgäu-Orient-Rallye | Jochen Hesse Weiter ging es über den Bosporus. Bei Denizli in Kleinasien kam der nächste Ausfall, und da half kein Anschieben mehr. Die Autos war an diesem Tag nach klassischem Le-Mans-Start ins Rennen gegangen. „Zu allem Überfluss hatten wir Drift-Szenen geplant für unseren Video-Clip – wir drehten einen Film über unsere Rallye-Teilnahme“, sagt Adil Sbai. Ein Rallye-Start und Drift-Einlagen mit hoch drehendem Sechszylinder, das war für einen 520i dann bei 35 Grad im Schatten wohl zu viel.

„Surprise surprise - der Motor wurde heiß, und wir haben es zu spät bemerkt.“ Der 5er Touring wurde also qualmend und mit kaputter Zylinderkopfdichtung ins nächste Dorf geschleppt. Doch in der Traktor-Werkstatt gab der Mechaniker mit Händen und Füßen zu verstehen, dass er so eine Reparatur nicht hinbekommen würde. Also schleppte das Team „5ever“ den maladen Touring weitere 80 km nach Denizli ab.

Erster Platz: Dreimal W 210

„Die Jungs dort hatten eigentlich Feierabend“, erzählt Adil Sbai. Aber vier Mechaniker legten kurzerhand eine Nachtschicht ein und machten den Wagen bis um halb eins nachts wieder fit. „Das war auch nötig, weil wir unsere Fähre erwischen mussten von Mersin nach Haifa.“

Nicht alle Teams hatten so viel Glück und Talent wie das Team „5ever“, einige erreichten das Ziel nicht, andere weit abgeschlagen. Ein Abenteuer war es aber sicherlich für alle Teilnehmer. „Diese Rallye 2017 war trotz der schwierigen politischen Situation im Vorfeld und den kurzfristigen Absagen von (Schisser-)Teams unmittelbar vor dem Start hammergut“, bilanziert Rallye-Organisator Wilfried Gehr. Engagierte Teams, fantastische Strecken, tolle Länder und keine schlimmen Unfälle, und das Wichtigste: Alle Teilnehmer seien gesund angekommen.

Letzte Vorbereitungen: Das Siegerteam überließ in punkto Ersatzteile wenig dem Zufall Letzte Vorbereitungen: Das Siegerteam überließ in punkto Ersatzteile wenig dem Zufall Quelle: Allgäu-Orient-Rallye | Jochen Hesse Den ersten Platz nach über 6.000 Kilometern Tortur für Mensch und Maschine holte dann übrigens Team 71, die „Sterne des Morgenlandes“. Die Jungs aus Horgenzell bei Ravensburg waren mit drei Mercedes W 210er Kombis ins Rennen gegangen – ausgerechnet mit W 210ern, werden manche denken – der 90er Jahre E-Klasse, die wegen ihrer Rostproblematik bis heute einen so schlechten Ruf hat.

Hauptgewinn: Ein Kamel

Doch die drei E-Klassen von Team 71 – darunter zwei „4matic“ - erwiesen sich als äußerst robust. „Dieses Team hatte sich, was Fahrzeuge und Ausrüstung anbelangt, gut vorbereitet“, erklärt Rallye-Sprecher Wilfried Gehr. Die Oberschwaben hatten die Ölwannen ihrer Autos durch Unterfahrschutz geschützt, genügend Ersatzreifen mitgenommen und überdies Pannenglück. „Und sicherlich durch den Allrad-Antrieb Vorteile“, ergänzt Gehr. Aber auch die drei BMW 5er Touring vom zweitplatzierten Team „5ever“ stellten ihre Langstreckentauglichkeit und Robustheit unter Beweis.

Ihren Hauptgewinn, ein echtes, ausgewachsenes Kamel, verschenkte das Mercedes-Siegerteam übrigens an eine Beduinen-Familie. Die teilnehmenden Fahrzeuge der Allgäu-Orient-Rallye wurden im Zielland Jordanien versteigert, der Erlös geht an humanitäre Projekte.

So mussten die Fahrer und Beifahrer ihre Rückreise nach Deutschland per Flugzeug antreten. Darüber war man nach drei Wochen Dauerbelastung auf Schotter und Asphalt auch froh, wie Adil Sbai vom Team „5ever“ bilanziert. „Die Rallye war ein Abenteuer, aber auch anstrengend.“ Ein anderes Rallyeteam habe IDNU geheißen für: Ist das noch Urlaub? „Diese Frage kann man definitiv mit 'Nein' beantworten.“

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