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Audi 80 Competition: STW-Umbau mit 720 PS - Noch eine letzte Fahrt

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Hier wird es persönlich: 2012 verkaufte ich meinen alten Audi 80 an einen Schrauber. Der baute sich daraus einen Rennwagen. Fast vier Jahre später treffen wir uns wieder.

Vom Winterauto zum Schmuckstück: Aus Constantins altem Audi 80 Competition baute MOTOR-TALKer Christian einen Rennwagen mit 720 PS Vom Winterauto zum Schmuckstück: Aus Constantins altem Audi 80 Competition baute MOTOR-TALKer Christian einen Rennwagen mit 720 PS Quelle: MOTOR-TALK

Ingolstadt – Alte Liebe rostet nicht, sagt der Volksmund. Diese hier glänzt wie polierter Edelstahl. Ein Wiedersehen mit rasendem Herz und krampfenden Fingern. Dabei geht es eigentlich nur um einen alten Audi. Aber: um meinen alten Audi.

Das Fahrwerk des Audi 80 stammt von H&R und wurde für Christians Umbau angefertigt Das Fahrwerk des Audi 80 stammt von H&R und wurde für Christians Umbau angefertigt Quelle: MOTOR-TALK Ja, dieses heiße Ding in Silber-Rot-Grün parkte einst vor meiner Tür. Damals allerdings nur in Aschfahl-Alltagsgrau-Silber. Was hier so bunt auf makellosen 19-Zöllern steht, war 2010 ganz unten. Eine Kiste für Fuffzehnhundert Euro, mit Mängeln und Spoiler, aber Allrad und Differenzialsperre. Gekauft von einem Freund. Geschenkt wurde dazu der Hinweis: „Pass gut drauf auf, der ist selten.“

Hinter Plastik-Heckflügel und einem Kobrakopf-Schaltknauf steckte tatsächlich Exklusives. Das Sondermodell „Competition“ baute Audi, um einen STW-Rennwagen zu homologieren. 2.500 Exemplare entstanden 1994. Optisch eine S2 Limousine, technisch nichts Besonders: 2,0 Liter Hubraum, 16 Ventile, 140 PS. Nicht schnell, aber angenehm zu fahren.

Zwei Jahre später kam einer, der suchte, was ich besaß. MOTOR-TALKer Christian hatte eine gute Idee und genug Geld. Kurz vor Weihnachten tauschten wir Sch(l)üssel gegen Scheine. Christians Idee war gut, genau wie seine Referenzen. Meine einzige Bedingung: Erzähl mir später, was aus meinem Audi wird.

Wiedersehen mit der Ex: Constantins Audi 80 Competition

Constantin fährt sein altes Auto, vier Jahre nach dem Verkauf Constantin fährt sein altes Auto, vier Jahre nach dem Verkauf Quelle: MOTOR-TALK Heute, fast vier Jahre nach dem Verkauf. Christian lädt mich auf eine Spritztour ein. Im alten Auto nach dem Neuaufbau. 1.500 Stunden schraubte er daran. Aus der unsichtbaren Limo wurde ein detaillierter Hingucker, ein Nachbau des STW-Renners. Ein perfekt inszenierter Rennwagen mit fünf Zylindern, mehr als 700 PS, Käfig und Renngurten.

Motorsport statt Rentner-Image: In diesen Audi steigt man nicht ein, man klettert über den Käfig in den Schalensitz. Mir fällt auf, wie schlecht man im Audi 80 sitzt. Das Lenkrad müsste drei Zentimeter nach links rutschen. Sei’s drum, 1994 war so manches anders.

Christian erklärt mir Schaltung und Sintermetall-Kupplung. Mir, dem ehemaligen Fahrer dieses ehemaligen Autos. Ich erkenne mein Armaturenbrett wieder, die Türverkleidung hinten rechts mit der Macke im Material und den Lenkstockschalter für Modelle mit Bordcomputer. Den habe ich irgendwann mal nachgerüstet, als ich noch Pläne hatte. Den Bordcomputer selbst hat Christian eingebaut.

Der Anlasser rüttelt am Motor, mühsam. „Das hat er manchmal, wenn er warm ist“, kommentiert Christian. Kenn ich, früher lag es an der blöden Einspritzung. Ich helfe mit dem Gaspedal nach. Vorn hustet sich der Fünfzylinder auf Drehzahl. Jede Bewegung, jedes Zucken kommt im Innenraum an. Motor- und Getriebelager hat Christian selbst konstruiert. Sie sind stabiler und steifer als die Serienteile.

Die erste, letzte Fahrt im neuen, alten Auto

Der umgebaute Audi rennt rechnerisch 340 km/h schnell Der umgebaute Audi rennt rechnerisch 340 km/h schnell Quelle: MOTOR-TALK Überhaupt, alles ist fester, knackiger als ich mir das je hätte ausdenken können. Das labbrige Schaltgestänge liegt auf irgendeinem Teile-Haufen. Der große Schalthebel vom Hersteller CAE verkürzt die Schaltwege auf einen Bruchteil der Strecke. Nach wenigen Millimetern Bewegung klackt der erste Gang in die Gasse. Mit viel Drehzahl und noch mehr Gefühl im linken Fuß rollt mein Alter an.

Wir fahren mit offenen Fenstern. Geschlossen wird es heiß im Auto. Die Klimaanlage flog raus. Von rechts zischt der Turbo, die Karosserie vibriert. Geräusche, die normalerweise das Dämmmaterial auffängt, kommen direkt bei uns an. „Jeder normale Mensch würde denken, der ist kaputt“, lacht Christian. Mit steigender Drehzahl dröhnt es im Innenraum, der herrlich asymmetrische Sound des Fünfenders bollert aus zwei Endrohren.

Freie Strecke, Vollgas. Die Kraft kommt spät, der Garrett-Lader verlangt Drehzahl. Bei knapp 5.000 Touren liegen 2,0 bar Ladedruck an. Der Schub setzt ein, zerrt und schiebt die leichte Karosserie brutal vorwärts. Getriebe und Antriebe verkraften es. Christian hat alles verstärkt für den neuen Motor. „Ungefähr 720 PS“, sagt er. Das Popometer stimmt zu. So vehement drängt kein Serien-Audi vorwärts.

Mein alter Audi 80 Competition ist ein Rennwagen

Der Competition kann fast so schnell schalten wie mit einem sequenziellen Getriebe. Der Turbo zwitschert, ich gebe wieder Gas. Bei Höchstdrehzahl spuckt der Auspuff Flammen. Der Audi fährt unmittelbar, laut und roh wie ein Rennwagen.

Zwillinge nach unterschiedlichem Reglement: Links STW, rechts StVZO Zwillinge nach unterschiedlichem Reglement: Links STW, rechts StVZO Quelle: MOTOR-TALK Niedrige Drehzahlen und wenig Last mag der Motor nicht. Stadtverkehr und schnelle Wechsel von Schub- auf Zugbetrieb nerven ihn. Dann bockt er und hüpft, als säße ein Fahranfänger am Steuer. Ab 3.000 Umdrehungen fängt sein Wohlfühlbereich an. Sein Begrenzer liegt bei 8.600 Touren. Gut 2.000 Touren höher als damals.

Sein Fahrverhalten hat nichts, aber wirklich gar nichts mehr mit meinem Audi 80 gemein. Das Fahrwerk ließ Christian speziell für sein Auto anfertigen. Lenker und Lager sind verstellbar. Sie gleichen die Schwächen der Karosserie aus und verbessern Einlenk- und Fahrverhalten. Die Keramik-Bremsanlage stammt aus einem Audi R8 GT - eins der teuersten Details am Auto: Ein Nachrüstsatz kostet bei Audi 25.000 Euro.

Die neue Hardware nimmt dem 80er seine gutmütige Kopflastigkeit. Er fährt direkt und genau ausbalanciert, die (elektrische!) Servolenkung arbeitet präzise wie bei einem Neuwagen. Nichts für den Alltag, aber wunderbar pur und laut.

Christian hat den Competition bis aufs Blech ausgezogen und alles bearbeitet, verschönert, ersetzt, lackiert oder neu konstruiert. Zwei Türen musste er tauschen, außerdem die Haube und beide Schürzen. Nur zum Teil meine Schuld.

Die Delle im Seitenschweller, der zerknitterte Längsträger hinten, der Rost aus 22 Jahren – alles weg. Stattdessen: Perfekt lackierte Sponsorenlogos, ideale Spaltmaße und ein sauberer Innenraum, auslackiert in Wagenfarbe. Die meisten Schrauben tauschte Christian gegen Teile aus Titan. Vollgetankt wiegt der Wagen jetzt 1.240 Kilo, fast fünf Zentner weniger als noch vor vier Jahren. Mit dem Gewicht hätte sogar der alte 16-Ventiler Spaß gemacht.

Zwillinge mit unterschiedlichem Reglement: STW-Audi und StVZO-Competition

Fünfzylinder-Kunde: Christian erklärt seinen Motor Fünfzylinder-Kunde: Christian erklärt seinen Motor Quelle: MOTOR-TALK Eine Besonderheit der Competition-Serie: Audi lieferte die Autos mit zusätzlichen Spoiler-Bausteinen aus, ähnlich wie BMW beim 3.0 CSL. Das ermöglichte in der Rennserie eine bessere Aerodynamik. Distanzstücke, Abrisskante und Lippe sind heute gesuchte Raritäten. Wäre unser STW-Vergleichsauto ein früheres Modell, wären die Flügel identisch. Im zweiten Rennjahr (1994) modifizierte Audi die Luftführung.

Beim Aufbau hielt sich Christian streng ans Original. Wie penibel er arbeitet, fällt im direkten Vergleich mit dem echten STW-Audi auf. Der Lackierer orientierte sich nur an Fotos, traf Farbe und Form der Renn-Bemalung trotzdem fast genau. In Christians Audi steckt eine StVZO-taugliche Version des Motorsport-Überrollkäfigs und viele Zitate des Renners. Sogar eine seltene Heckscheibe mit Heizdrähten in „Quattro“-Form hat er gefunden und eingebaut.

Bei einigen Details weicht Christians Aufbau vom Vorbild ab. Die winzigen Fiat-Spiegel sind im echten Leben zu klein, Auspuff-Endrohre und Felgen nicht hübsch genug. Die originalen Scheinwerfer sind Basteleien aus einer Hülle und einem Standard-Einsatz vom US-Markt („7-Inch Sealed-Beam“). Und der Vierzylinder-Sauger mit knapp 300 PS war ihm zu zahm.

Fünfzylinder-Turbo im Audi-STW-Nachbau

Momo-Lenkrad und ein Tacho bis 320 km/h im Competition Momo-Lenkrad und ein Tacho bis 320 km/h im Competition Quelle: MOTOR-TALK Deshalb baute Christian einen stärkeren Motor. Aus Diesel-Motorblock, Zubehör-Kurbelwelle, RS2-Zylinderkopf, Rallye-Saugrohr und einem riesigen Garrett-Lader entstand ein Fünfzylinder-Turbo mit 2,2 Litern Hubraum. Wenn er fertig abgestimmt ist, soll er 9.500 Touren drehen und die Ansaugluft mit 2,4 bar verdichten. Christian hofft auf 800 PS – macht 375 PS Literleistung. „Was halt möglich ist“, grinst er.

Um die Abstimmung kümmert sich Christian selbst. Aktuell experimentiert er mit den Nockenwellen und kämpft gegen hohe Temperaturen im Zylinderkopf. Ein selbstgebauter Kühler auf der Fahrerseite kommt kaum hinterher. Bald kommt ein Neuer. Vor dem Motor sitzen zwei Ladeluftkühler vom Porsche 911 GT2 RS, Baureihe 997, und ein Ölkühler von einem Deutz-Traktor.

Die Wasserpumpe stammt vom Audi RS2, die Lichtmaschine von einem Mitsubishi. Den Halter dafür hat Christian entworfen. Hinter dem Motor sitzt ein verstärktes Sechsgang-Schaltgetriebe vom Audi RS2, ausgestattet mit Zahnrädern von Audi RS4 und Q7. Rechnerisch liegt seine Höchstgeschwindigkeit bei 340 km/h, der Verbrauch bei rund 25 Litern 102-Oktan-Sprit.

Audi 80 Competition von Christian Audi 80 Competition von Christian Quelle: MOTOR-TALK Ein Sammelsurium von Teilen, so scheint es. Tatsächlich spielen die vielen Details perfekt zusammen. Christian baut seit sieben Jahren schnelle Autos. Der Competition ist sein schönstes Stück. Alles wirkt sauber geplant und mit viel Geduld umgesetzt. Im Auto stecken Teile mit dem Gegenwert von zwei klassischen Porsche 911. An vielen Stellen halfen ihm Freunde und Bekannte. Bezahlt hat er letztendlich alles selbst.

Wenn die Abstimmung steht, muss ein Prüfer viele Zeilen für das Freitextfeld des Fahrzeugscheins verfassen. Er weiß schon, was auf ihn zukommt. Den Umbau hat Christian mit ihm abgesprochen. Auf der Straße leistet der Audi dann etwa 500 PS. Die volle Power darf er nur auf der Rennstrecke ausfahren.

Audi 80 Competition STW-Umbau: Technische Daten

  • Motor: Reihen-Fünfzylinder-Turbomotor
  • Motorblock: 2,5-Liter-Diesel-Block
  • Kurbelwelle: Zubehör, 82,5 mm Hub
  • Zylinderkopf: 20V-Kopf vom Audi S2, stark bearbeitet
  • Nockenwellen: Spezialanfertigung, verstellbar, hohlgebohrt
  • Saugrohr: Audi S1 Nachbau
  • Turbolader Garrett GTX35
  • Ladedruck: 2,0 bar, langfristig 2,4 bar
  • Krümmer: Eigenbau
  • Drehzahl: 8.600 U/min, langfristig: 9.500 U/min
  • Leistung: ca. 720 PS, Ziel: 800 PS
  • Getriebe: Sechsgang manuell vom Audi RS2, verstärkt, Allrad
  • Kupplung: Sechs-Pad Sintermetall
  • Antrieb: Antriebswellen vom Audi S2, Sperren an beiden Achsen
  • Bremse: Audi R8 GT, Keramik, Sechskolben-Festsättel vorn, Vierkolben-Festsättel hinten
  • Fahrwerk: H&R Gewindefahrwerk, Spezialanfertigung, Unibal-Domlager vorn, verstellbare Lenker hinten
  • Aerodynamik: Distanzstücke, Abrisskante und Spoilerlippe vom Audi 80 Competition

Audi 80 Competition STW: Technische Daten

  • Motor: 4 Zylinder in Reihe, vier Ventile pro Zylinder
  • Hubraum: 1.998 ccm
  • Höchstdrehzahl: 8.500 U/min
  • Leistung: 285 PS (210 kW) bei 8250 U/min
  • Drehmoment: 250 Nm bei 7000 U/min
  • Getriebe: Sequenzielles Sechsganggetriebe
  • Antrieb: Allradantrieb
  • Radstand: 2,7 m
  • Gesamtlänge: 4,48 m
  • Gewicht: 1.050 kg
  • Bauzeit: 1993 – 1994

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