• Online: 4.214

Motorkultur

Nettmanns Mustang: FORD... takes you away from an ordinary day!

verfasst am

Es war einmal auf Ebay: ein metallicblauer Mustang II funkelt im trüben Licht der Sonne über Nordfriesland und bei voll aufgedrehtem Tiptop-Display. Mit breitem Maul, großen Augen, dicken Hüftschüngen über den merkwürdig kurz zueinander stehenden Rädern sieht er aus wie in Matchbox-Auto in echt. Den will ich haben seit Farrah Fawcett und Cheryl Ladd damit als „Charlie´s Angels“ gefahren sind! Und dieser hier hat sogar ein Tanga-Dach (Jawohl, Tanga-Dach. Im Unterschied zum Targa, bei dem das komplette Dach entfernt werden kann, bleibt beim Tanga-Dach ein schmaler Steg in Längsrichtung stehen). Zum zweiten mal wird er zur Auktion aufgerufen. Ein Zeichen?!

Weiterlesen-->

Schnell wird der Verkäufer angerufen und ohne Feilschen der Handel zum nicht eingelösten Höchstgebot der ersten Auktion beschlossen. Ist es ein guter Plan ein 30 Jahre altes Auto ohne Besichtigung und ohne Probefahrt zu kaufen und einem völlig Fremden die Hälfte des Preises zu überweisen gegen das Versprechen die Auktion abzubrechen? Egal, es ist ein Plan!

An einem trüben Oktobertag mit der Bahn an die Nordsee. Der Mustang ist zwar nicht zu sehen aber nicht schwer zu finden. Er steht inmitten einer staunenden Menschenmenge. Der Verkäufer ist ein lustiger Elvis-look-a-like, der mich „min Jung“ nennt. Wegen der üblichen Verspätungen der Bahn ist Sonne mittlerweile untergegangen und die Lichtverhältnisse sind für den Verkäufer günstig. Eine genauere Inspektion wird ausgelassen. Weggerostetes Blech kann man ja sowieso nicht sehen. An der nächsten Tanke, denn natürlich muß erstmal wieder getankt werden, werden die Schlüssel gegen die zweite Hälfte des Geldes getauscht. Endlich sitze ich auf dem Fahrersitz meines esten Amis! Den Sitz bis zum Anschlag nach vorne geschoben und Gas gegeben! Geht aber nicht. Zwischen meinen Füßen und den Pedalen sind noch 20 Zentimeter Luft und ich habe meine KISS-Army-Plateau-Stiefel nicht dabei. Elvis staunt: „Bist Du wirklich sooo klein, min Jung?“. Eine nähere Inspektion scheint jetzt doch angebracht und ergibt das der Fahrersitz mitsamt Schienen 20 Zentimeter nach hinten geschraubt wurde. Also erstmal den Schlafsack in den Rücken gestopft und auf der vorderen Kante der Sitzfläche geklammert in Richtung Autobahn. Der Mustang ist mit einer Benzin sparenden Stopp-Automatik ausgestattet die ihn an ziemlich jeder roten Ampel ausgehen läßt.

Die Stopp-Start-Automatik wurde leider erst später erfunden. Zwischenstopp bei Freunden im ersten Dorf in Mecklenburg. Geburtstagsparty in der Scheune. Offenbar ist der Mustang nicht nur mit einer Zündunterbrechung bei nicht angelegtem Sicherheitsgurt, sondern auch mit einem Alkoholsensor der das Starten des Motors bei erhöhten Promillewerten in der Kabine verhindert, ausgerüstet. Die verdammten Amis mit Ihrem Securitywahn! Die nächtliche Vorführfahrt durchs Dorf fällt aus. Kurze Nacht. Auch am nächsten Morgen springt der Mustang nicht an. Während Bürgermeister Jürgen mit seinem T3 Starthilfe gibt, hat Baggerfahrer Jürgen aus Gerüstbrettern eine Rampe improvisiert und montiert den Fahrersitz zurück in seine ursprüngliche Position. Seine Ihn vermissende Frau („Jüüüürgen! Essen is aufm Tisch! Jüüürgen! Wat machstu denn unter dem fremden Auto?“) nähert sich. „Was is das denn fürn Baujahr? 78? Kannstn ja als Oldtimer zulassen!“ Oha, die weiß Bescheid und sagt Ihrem Mann Bescheid: „Mach erstma fertig, Jürgen, Essen is dann aufm Tisch“.

Wieder auf die Autobahn. Jetzt sehe ich sogar wohin ich fahre. Im sanften Trab mit Hundert in Richtung Berlin. Aber das olle Wohnmobil will schon noch überholt werden. Blinker links, Gas rechts. Die Tachonadel kommt nicht von der 100 weg und ich nicht an dem Wohnmobil vorbei. Nanu? Blinker rechts. Nicht doll genug gedrückt? Nochmal! Blinker links, Gas rechts. 100. 100. 100. Vollgas! 100. Blinker rechts. Im außerörtlichen Verkehr fällt der Mustang zwar in ein Leistungsloch das größer ist als alle Schlaglöcher auf Brandenburgs Landstraßen zusammen, aber das er so so tief fällt hätte ich nicht befürchtet. Gas! Gas! 90. 80. 70, 60, 50, 40, 30. Ausfahrt! Mit voll durchgetretenem Gaspedal und 20 km/h schleppe ich mich den Hügel hoch. Der ganze Wald ist mit Leitplanken zugestellt. Kein Platz zum Halten. Aber fängt sowieso gerade an zu regnen. Doch plötzlich faucht der Motor auf und mit schwindelerregender Beschleunigung schieße ich fast an der Einfahrt zum nächsten Dorf vorbei. Vollbremsung und Lenkradeinschlag und mit blockierten Rädern auf glitschigem Asphalt ins Dorf gedriftet und an der Bushaltestelle eingeparkt. Vom Lärm aufgescheuchte Dorfleute kommen herbei. Eine repräsentative Auswahl der örtlichen Bevölkerung: Polizist, Feuerwehrmann, Bauarbeiter, Rinderzüchter, Motorradrocker, Binnenschiffer. Und dann fangen die Dorfleute an zu singen:

Young man, there's no need to feel down.

I said, young man, pick yourself off the ground.

I said, young man, 'cause you're in a new town

There's no need to be unhappy.

No man does it all by himself.

I said, young man, put your pride on the shelf,

And just go there, to the ADAC

I'm sure they can help you today.

It's fun to stay at the ADAC.

It's fun to stay at the ADAC.

Zu Hause in Berlin, in der Werkstatt, angekommen entfährt dem begeisterten Meister: “Wow! Ist der häßlich!” Und die Schulmädchen rufen mir nach: “Tolles Auto! Schöne Farbe!” Jetzt wird alles gut.

Danke an Nettmann für die Story und die verblüffend scharfen Bilder!

 

 

Quelle: Motoraver Magazin

Avatar von Motoraver
84
Diesen Artikel teilen:
84 Kommentare: