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US-Oldtimer: Ami-Klassiker in Deutschland - Mustang ist aus, wie wär's mit einem Schulbus?

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Das Angebot an US-Klassikern ist riesig. Doch wie unterscheidet man die guten Autos von den schlechten? Motor-Talk hat bei Import-Profis nachgefragt.

Bei diesem GMC High Sierra von 1983 handelt es sich um einen Dually mit Zwillingsreifen auf der Hinterachse, die eine höhere Achslast ermöglichen Bei diesem GMC High Sierra von 1983 handelt es sich um einen Dually mit Zwillingsreifen auf der Hinterachse, die eine höhere Achslast ermöglichen Quelle: die-motorjournalisten.com | Haiko Prengel für mobile.de

Von Haiko Prengel

Ahrensfelde – 7,2 Liter. Nicht Durchschnittsverbrauch, sondern Hubraum: Wer einen 2006er Bluebird School Bus fährt, kann noch aus dem Vollen schöpfen. Das schwarz-gelbe Gefährt vom Format eines überdimensionierten Kleiderschranks hat einen gewaltigen Reihensechszylinder-Diesel von Caterpillar unter der Haube. „Der Motor stammt aus einem Bagger“, sagt Stefan Paior.

Fragt sich nur: Wer braucht so ein Hubraum-Monster mit genug Sitzplätzen für eine ganze Hochzeitsgesellschaft? Offensichtlich einige, denn Händler Paior kann sich über mangelnde Nachfrage nicht beklagen. Der 36-Jährige führt zusammen mit seinem Geschäftspartner David das „Autocenter Ahrensfelde“ direkt hinter der Berliner Stadtgrenze. Der Betrieb hat sich auf den Import von US-Klassikern spezialisiert. Das bedeutet längst mehr, stets den x-ten Ford Mustang, Chevrolet Camaro oder Dodge Ram über den großen Teich nach Deutschland zu holen.

US-Schulbusse haben den Vorteil, dass sie in ihrer aktiven Zeit alle 45 Tage gewartet werden mussten US-Schulbusse haben den Vorteil, dass sie in ihrer aktiven Zeit alle 45 Tage gewartet werden mussten Quelle: die-motorjournalisten.com | Haiko Prengel für mobile.de Mittlerweile sind auch Exoten gefragt, zum Beispiel ausgemusterte Krankenwagen und Ex-Streifenwagen der Polizei. Auch Pick-ups, als Lastentiere für Handwerker und Landwirte, werden immer populärer. Oder eben US-Schulbusse, die dann hierzulande gerne zum Food Truck oder zum geräumigen Wohnmobil umgebaut werden. Also Sitzbänke raus und Camping-Möbiliar rein. An Fenstern für Panorama-Aussichten mangelt es in einem Bluebird Schulbus jedenfalls nicht. Der auf dem Händerplatz in Ahrensfelde stammt aus dem US-Bundesstaat Indiana und hat 150.000 Meilen gelaufen. Der Motor ist aber für das Doppelte bis Dreifache gut.

Für viele ein Kindheitstraum

„Unsere Kunden kommen aus ganz Europa“, sagt Stefan Paior. Oldtimer boomen nach wie vor, das gilt auch und insbesondere für US-Klassiker. Ihr Vorteil: Für relativ wenig Geld gibt es meist eine Menge Auto. Hubraum ohne Ende, bei Muscle Cars auch PS zum Abwinken. Amerikanische Autos zu fahren bedeute für viele immer noch, sich einen Kindheitstraum zu erfüllen, sagen sie beim Autocenter Ahrensfelde.

Dazu kommt das Gefühl, sein Geld in eine sichere Wertanlage zu stecken. Praktisch alle US-Klassiker gewinnen kontinuierlich an Wert, während es auf der Bank praktisch keine Zinsen mehr für Erspartes gibt. „Da investieren viele Leute lieber 10.000 Euro in einen Pick-up“, erklärt Klassiker-Experte David. „Dank der Wertsteigerung kann man das Auto drei Jahre später für 12.000 Euro verkaufen.“

Allerdings hat sich der Hype bei einigen Modellen inzwischen abgeschwächt. Paradebeispiel ist der Ford Mustang. Der Begründer der Pony-Car-Welle wurde in den vergangenen Jahren massenhaft nach Europa importiert, so dass man zwischenzeitlich von einer regelrechten „Mustang-Schwemme“ sprach. Das hat zur Folge, dass manche Leute auf US-Car-Treffen inzwischen gähnen, wenn wieder jemand mit einem Mustang aufkreuzt.

Ziemlich trendy sind dagegen Pick-ups wie Dodge Ram, die C- und K-Serien von Chevrolet und GMC oder die legendäre F-Serie von Ford, die seit mehreren Jahrzehnten gebaut wird. Längst fahren nicht mehr nur Handwerker auf Pick-ups ab, weil sie mit V8-Motor und großer Ladefläche sehr praktisch sind. Auch Selbständige und kleinere Unternehmen legen sich gern einen imposanten Truck zu und nutzen ihn als fahrende Visitenkarte.

Wo es kaum regnet, rosten die Autos kaum

Vorrangig gehen die Scouts vom Autocenter Ahrensfelde in den warmen Westküstenstaaten auf Klassikersuche Vorrangig gehen die Scouts vom Autocenter Ahrensfelde in den warmen Westküstenstaaten auf Klassikersuche Quelle: die-motorjournalisten.com | Haiko Prengel für mobile.de David und Stefan vom Autocenter Ahrensfelde fliegen selbst nur noch ein, zwei Mal im Jahr in die Staaten, um dort neue Ware einzukaufen. „Wir haben inzwischen einen festen Stab an Partnern und Scouts, die für uns vor Ort auf die Suche nach interessanten Autos gehen“, berichten beide. Gesucht wird vor allem in den trockenen, warmen Staaten an der Westküste. Dort ist die Chance am größten, dass die Fahrzeuge rostfrei sind. Was gefällt, wird gekauft und nach Europa verschifft. Nach acht bis zehn Wochen kommen die Autos dann in Bremerhaven an und werden per Spedition nach Ahrensfelde gebracht.

Der größte Vorteil von US-Klassikern gegenüber Oldtimern aus anderen Ländern ist wohl die ausgezeichnete Ersatzteillage. Während viele Opel- oder Audi-Fans Mühe haben, ihre Fahrzeuge am Leben zu erhalten, gibt es für Fahrzeuge aus den USA immer noch Material in Hülle und Fülle. „Du kriegst fast alles an Teilen“, sagt Stefan Paior. Allerdings nur fast. Es gibt durchaus Modelle, bei denen ie Suche nach Ersatz länger dauern kann. Für einen Chevrolet Bel Air aus den Fünfziger Jahren beispielsweise scheint der Nachschub niemals zu versiegen - selbst Zierleisten oder Chromteile sind ohne Probleme zu bekommen. Für einen Dodge Monaco oder AMC Rambler aus dem gleichen Jahrzehnt sieht es dagegen deutlich schlechter aus.

Und die Technik? Gilt generell als solide. Die Elektronik macht wenig Probleme, selbst Autos aus den 1990er Jahren haben nur wenige Steuergeräte an Bord. Rost ist selten ein Thema, wenn das Fahrzeug wenig bis gar keinen Regen gesehen hat. Und die Motoren? Die V8-Motoren alter Schule brabbeln bei normaler Pflege satt, ohne großartig Zicken zu machen. Klar, der hohe Verbrauch schreckt manchen ab. Unter 20 Litern geht meist wenig. „Aber man fährt ja nicht US-Klassiker, um sparsam unterwegs zu sein“, sagen sie beim Autocenter Ahrensfelde. „Sonst kaufe ich mir halt einen Toyota Hybrid.“

12 Profi-Tipps für den US-Oldtimer-Kauf

Hier sind zwölf Tipps, was man vor dem Kauf eines US-Klassikers beachten sollte:

  1. Autos aus den warmen Südstaaten weisen oft keinen Rost auf. Falsch ist die verbreitete Überzeugung, in den USA würden bei Schnee nicht die Straßen gestreut. Das werden sie sehr wohl. Es kann dennoch vorkommen, dass man ein rostarmes Auto in einem Nordstaat findet.
  2. Bei US-Klassikern, die im Kundenauftrag verkauft werden, ist Vorsicht angebracht. Mitunter wollen Verkäufer damit die Gewährleistung umgehen. Seriöser sind Händler, die Fahrzeuge mit frischer HU und Vollabnahme anbieten. Bei Oldtimern auch mit H-Kennzeichen.
  3. Die Fahrzeughistorie lässt sich über den Anbieter Carfax prüfen. Per Fahrgestellnummer (FIN) werden Infos zur Vorgeschichte abgerufen. Verfügbar sind die Daten allerdings nur für US-Fahrzeuge nach Baujahr 1981.
  4. Die Kfz-Steuer kann bei US-Autos zum Problem werden. Die 5,7 Litern Hubraum und Euro 1 kommt man jährlich auf knapp 900 Euro. Viele Motoren kann man allerdings auf Euro 2 umrüsten. Eine Option bei Pick-ups oder Vans ist die steuerbegünstigte Zulassung als Lkw. Dann müssen aber in der Regel die Rücksitze raus.
  5. Die Einfuhr von Oldtimern (Fahrzeugalter ab 30 Jahre) ist generell günstiger, weil der Zoll entfällt und die Einfuhr-Umsatzsteuer nur 7 Prozent beträgt. Jüngere Fahrzeuge sind nicht zollfrei, außerdem werden sie mit 19 Prozent Einfuhr-Umsatzsteuer belegt. Hinzu kommen die Kosten für den Übersee-Transport (etwa 1.200 Dollar) und einige hundert Euro für Be- und Entladung.
  6. Eine regelmäßige technische Hauptuntersuchung wie hierzulande ist in den USA nicht vorgeschrieben. Ungepflegte Gebrauchtwagen und Klassiker können daher einen beträchtlichen Wartungsstau aufweisen – von verschlissenen Querlenkern über kaputte Bremsschläuche bis zu porösen Achsgummis. Wer die Möglichkeit hat, sollte den Wagen vor dem Kauf auf einer Hebebühne von unten inspizieren.
  7. Matching Numbers, also die selben Nummern von Motor, Karosserie und Getriebe, sind vor allem bei hochpreisigen Klassikern und Sammlerstücken von Bedeutung. Bei einem Daily Driver interessiert es weniger, ob noch alle originalen Bauteile vorhanden sind. Im Gegenteil: da kann ein Austauschmotor sogar ein Vorteil sein.
  8. Auch bei US-Klassikern wird es zunehmend schwieriger, gute Autos zu finden. Extrem dünn ist die Luft bei Kult-Autos wie Dodge Charger oder Plymouth Superbird. Weniger populäre Autos sind oft erheblich günstiger und bieten auch viel Fahrspaß. Zum Beispiel ein Cadillac Coupé De Ville aus den Siebziger Jahren. Das gleiche Modell von 1965 ist deutlich teurer.
  9. Exoten haben ihren besonderen Reiz: Der Vorteil von US-Schulbussen zum Beispiel ist, dass die Fahrzeuge (anders als Privatwagen) in ihrer aktiven Zeit alle 45 Tage gewartet werden mussten. Die Chance, einen Bus ohne großen Reparaturstau zu ergattern, ist also groß.
  10. Bei Police Cars richten sich die Wartungsintervalle nach der Laufleistung: alle 3.000 bis 5.000 Meilen müssen US-Streifenwagen zum Service. Motoren und Getriebe können trotzdem gelitten haben, denn so ein Polizeiauto muss auch mal mit kaltem Motor aus dem Stand auf eine Verfolgungsjagd. Daher empfehlen sich Fahrzeuge von Police Departments auf dem platten Land, wo weniger Gangster herumlaufen als in New York City.
  11. Vorsicht beim Kauf neuerer US-Gebrauchtwagen: Betrüger importieren Unfallautos mit Totalschaden aus Amerika inzwischen in großem Stil, um sie in Osteuropa zurechtflicken zu lassen und dann teuer zu verkaufen. Betroffen sind auch teure SUV, Sportwagen und andere Modelle deutscher Hersteller. Transparenz verschafft hier ebenfalls ein Abruf der Fahrzeughistorie über den Anbieter Carfax.
  12. Es muss nicht immer GM, Chrysler oder Ford sein. Auch bei deutschen Klassiker-Fabrikaten lohnt sich ein Blick auf den US-Markt. Mercedes-Evergreens wie W126 oder W124 aus regenarmen Staaten können lohnende Re-Importe sein, weil sie deutlich weniger Rost aufweisen als deutsche Autos.

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