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Renault Mégane RS Trophy (2019): Erste Fahrt, Tracktest, Video - MOTOR-TALK kommt zu spät für den Rekord

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Streckenneuling im Auto, feuchte Stellen auf der Linie. Doch diese Runde mit dem Renault Mégane RS Trophy hätte bis vor Kurzem zum FWD-Rekord in Estoril gereicht. Video.

Estoril – Der Einlenkpunkt war geschätzt, die Gaspedalstellung optimistisch. Nein, sauber war diese letzte Kurve der Einführungsrunde auf der Rennstrecke von Estoril wirklich nicht. Aber irgendwie kommt der Renault Mégane RS Trophy mit veritablem Schwung und passabler Linie aus dieser ewig langen Rechtskurve. In die erste vom Laptimer erfasste Runde starte ich mit zwei Gedanken: Da könnte was gehen. Und: Ich sollte mich schämen.

Der Haupt-Konkurrent heißt Honda Civic Type R

Denn ich hatte den neuesten Kompaktsportler von Renault wohl unterschätzt. Und war damit vielleicht nicht allein. Schon klar, innerhalb der Baureihe gibt es nichts Schnelleres, der RS Trophy ist die Sportversion der Sportversion des Mégane. Mit 300 PS nochmal 20 PS stärker als der reguläre Mégane RS. So viel Leistung hatte keiner der Vorgänger. Doch im Segment geerdeter Track-Tools ergibt sich Qualität aus der Relation zu den Top-Modellen der Konkurrenz. Aktuell also zum Nordschleifen-Rekordhalter für frontgetriebene Modelle, dem Honda Civic Type R. Ob Renault dessen Zeit mit dem Mégane RS Trophy unterbieten will? Renault antwortet zurückhaltend, spricht von „anderen Ansprüchen“. Jedenfalls sinngemäß.

Folglich fuhr ich als Skeptiker aus der Boxengasse und nahm den Trophy erst nach der initialen Runde um die ehemalige Formel-1-Rennstrecke in Portugal einigermaßen ernst. In exakt 2:04,03 Minuten würde ich das nächste Mal über diese Linie kommen. Und sein Fan sein. Hier das Video zur Runde:

 

 

Neuer Turbo für den Top-Mégane

Auf der langen Geraden muss man den Drehzahlmesser nicht zwingend überwachen. Ein Piepsen signalisiert den optimalen Schaltzeitpunkt. Bei 6.000 Umdrehungen liefert der 1,8-Liter-Vierzylinder seine Höchstleistung, die akustische Empfehlung kommt nicht viel später. Den Anschluss im nächsten Gang trifft man problemlos, gefühlt bietet alles jenseits der 3.000 Umdrehungen ausreichend Vorwärtsdrang. Unten ist der Mégane top, oben wirken andere Kompaktsportler kraftvoller. Die Charakteristik ähnelt der 280-PS-Version des Triebwerks im normalen Mégane RS. Im Motorraum unterscheidet sich der Trophy durch einen anderen Turbolader mit einem Lagersystem aus Keramik sowie ein angepasstes Programm auf dem Steuergerät.

Einmal noch hinaufschalten in den fünften Gang. Das Sechsgang-Getriebe ist unspektakulär, aber hinreichend direkt. Alternativ bietet Renault ein Sechsgang-Doppelkupplungsgetriebe. Die Wahl hat Auswirkung auf das maximale Drehmoment: Die vollen 420 Newtonmeter gibt es nur, wenn das Automatikgetriebe am Aggregat hängt. Im handgerührten Testwagen sind es 400 Newtonmeter. Der Topspeed liegt in jedem Fall bei 260 km/h.

Mégane RS Trophy: Eigene Reifen, keine Semi-Slicks

Laut GPS-Aufzeichnung springe ich am Ende der Geraden bei 213 km/h auf die Bremse. Dann schnappen sich die Zangen der Brembo-Anlage die Verbundguss-Bremsscheiben aus Grauguss und Alu. 1,8 Kilogramm spart Renault hiermit pro Rad ein. Geringe ungefederte Massen sind wichtig. Subjektiv ist die gute Dosierbarkeit der Bremse in diesem Moment bedeutender: Teile der Strecke sind feucht, noch vor wenigen Stunden schüttete es wie aus Eimern.

Das Herunterschalten wird vom Grollen und Schießen aus der Auspuffanlage mit Klappensteuerung begleitet. Weg von der Bremse, einlenken. Spätestens das exzessive Quietschen aus den Rädkästen verrät: Der Mégane RS Trophy trägt Sommerreifen, keine Semi-Slicks. Immerhin sind die aufgezogenen 19-Zoll-Pneus den Rädern des regulären RS überlegen. Bridgestone entwickelte diese Version des Potenza S007 eigens für den Mégane RS Trophy. Möglich, dass sich in der Aufpreisliste bald wilderes Material findet, aktuell müssten sich ambitionierte Piloten ihre „Semis“ selbst organisieren. Zur Beruhigung: Die Serien-Ware mit breiten Profilblöcken kam mit der Belastung gut zurecht.

Mechanische Sperre und agiles Heck

Freilich: Wir hätten Reifen und Fahrwerk gerne häufiger mit den Curbs von Estoril konfrontiert. Doch an vielen Stellen waren die Rattersteine gesperrt. Pylone als Orientierungshilfe für Einlenk- und Auslenkpunkt. Im schnelleren, teilweise blinden Rechtsknick steht die erste Markierung zu weit hinten. Ob Kurve zwei viel Zeit kostete? Wenigstens war die Linie an der Außenseite trocken. Möglichst spät steche ich mit dem rund 1.485 Kilogramm schweren Mégane in eine Kombination aus engeren 180 Grad-Kurven. Zurück am Gas merkt man am Lenkrad den Eingriff der mechanischen Torsensperre. An der Linie ebenfalls: Das Auto zieht nach innen zum Scheitelpunkt. Das Heck hilft mit und dreht geringfügig ein.

Im zweiten Teil der Kombination passiert dasselbe. War das jetzt der Fahrwerksabstimmung oder der serienmäßigen 4-Rad-Lenkung geschuldet? Fest steht: Radius verengen klappt ganz gut, doch zur Differenzierung bedürfte es wohl mehrerer Runden. Klarer ist der Fall beim Anbremsen auf die schnellere, längere Linkskurve: Beim Einlenken auf der Bremse reagiert das Heck des RS Trophy mitunter empfindlich. Wir wählen den Schleuderschutz über das Untermenü ab. In den Fahrmodi Comfort und Normal greift das ESP früh ein, in den Fahrmodi Sport und dem gewählten Race-Fahrmodus bleibt es als Sicherheitsnetz aktiv.

Denkbar, dass auch die Hinterachse eines regulären RS an dieser Stelle kurz nach außen gewandert wäre. Das intern als "Cup-Chassis" bezeichnete Fahrwerk (25 Prozent straffere Dämpfer, 30 Prozent straffere Federn, 10 Prozent straffere Stabilisatoren) ist mitsamt der Diff-Sperre schließlich auch im herkömmlichen RS optional erhältlich.

Optionale Recaro-Sportsitze im Mégane RS Trophy

Immerhin stabilisiert sich die Hinterachse recht schnell wieder. Die Gedankengänge des Piloten ebenfalls: „Vielleicht hat der Side-Step ja geholfen, jetzt ab aufs Gas und in Richtung des letzten Streckenteils.“

Wo sich bis 1996 Michael Schumacher und Formel 1-Kollegen in eine lange Kurve warfen, befindet sich heute eine Schikane, eine Schlüsselstelle für eine zügige Runde. An diesem Tag verschärft durch die rutschige Fahrbahn und die recht restriktive Hütchensetzung. Der Versuch zur Rundenzeit-Minimierung führt über den einzigen nicht abgesperrten Curb der Sektion. Und zwar relativ direkt. Das Fahrwerk verarbeitet den Schlag überraschend problemlos.

„War's zu brutal?“, frage ich mich noch bei der Rückkehr in die endlos lange letzte Kurve – wo der Oberkörper gegen die harten Flanken des tief montierten Recaro Sportsitzes (optional für 2.690 Euro) gepresst wird. Und die Augen die Kurven-Innenseite nach dem lange verdeckten Scheitelpunkt absuchen. Endlich gefunden! Halbwegs getroffen! Und ab in Richtung Start und Ziel.

2016 wäre es eine Rekordzeit gewesen

Bei 2:04,03 Minuten bleibt die Uhr stehen. Vor zwei Jahren hätte diese Zeit zum Fronttriebler-Rekord gereicht. Mit dem damaligen Civic Type R der vierten Generation (FK2) kam der portugiesische Rennfahrer Bruno Correia fünf Hundertstelsekunden später über die Linie, hier das Video zu Hondas geglücktem Rekordversuch von 2016:

Seit 2017 gibt es einen neuen Civic Type R, seit Sommer 2018 einen neuen FWD-Rekord in Estoril. Tourenwagen-WM-Laufsieger Tiago Monteiro kam im aktuellen Japaner auf 2:01,84 Minuten. Wohlgemerkt: Mit ungleich mehr Streckenkenntnis und ungleich weniger Feuchtigkeit auf dem Asphalt. Dass sich die Mégane-Zeiten bei besserer Witterung und mehr Training verbessern ließen, ist wahrscheinlich – vor allem, wenn man die Begrenzungs-Pylonen vor einem neuerlichen Versuch entsorgt. Ob die Civic-Zeit dann zu schlagen ist, lässt sich freilich nur orakeln.

Im Grunde ist es unerheblich. Für das Image zählt die Nordschleifen-Zeit, auch wenn viele Käufer auf anderem Geläuf glühen. Mit einem Einstiegspreis von 38.590 Euro (Handschalter) startet der Renault Mégane RS Trophy rund 1.600 Euro über dem günstigsten Civic Type R. Der reguläre RS mit Cup-Ausrüstung (34.290 Startpreis plus 1.690 Euro Aufpreis) unterbietet den Widersacher. Ist der Renault am Ring schneller, werden die Sportfahrer unter den Kunden nicht auf den Cent genau kalkulieren. Ein Grund für Renault, es in der Eifel zu versuchen. Der andere: Durchaus denkbar, dass es klappt.

Technische Daten Renault Mégane R.S. Trophy

  • Motor: 1,8-Liter-Vierzylinder-Turbobenziner
  • Getriebe: Sechsgang-Handschaltung (Doppelkupplungsgetriebe optional)
  • Leistung: 300 PS b. 6.000 U/min
  • Drehmoment: 400 Nm b. 3.200 U/min
  • Verbrauch: 8,1 l/100 km
  • CO2: 183 g/km
  • Abgasnorm: Euro 6 d-Temp
  • Abgasreinigung: Otto-Partikelfilter
  • 0 – 100 km/h: 5,7 s
  • Höchstgeschwindigkeit: 260 km/h
  • Länge: 4,364 m
  • Breite: 1,875 m
  • Höhe: 1,428 m
  • Radstand: 2,670 m
  • Leergewicht: rund 1.485 kg
  • Kofferraum: 384 bis 1.247 l
  • Preis: ab 38.590 Euro
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