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Classic Driving News

Going Strong - der Nachfolger des DB6

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Mit Erscheinen des Aston Martin DBS im Jahr 1971 brechen die britischen Autobauer mit den klassischen fließenden Linien der Vorgänger. Stattdessen macht der neue DBS auf breit, massig - und italienisch.

Der Aston Martin DBS V8 wird von Aston Martin-Importeur Harald Merz im Sommer 1971 an den Tester übergeben. Mit einer Empfehlung, die der Redaktion bekannt vorkommt. "Verreißet m'r den Karre net so", mahnt der Schwabe, gibt sich selbst sehr angetan von dem neuen Aston Martin DBS V8, das in modischem Silbermetallic auf dem Parkplatz funkelt.

Die elegante Grundlinie ist weg - der DBS wirkt kolossal

Die Tage des legendären DB 6 mit seinem Vierliter-Sechszylinder sind schon 1969 gezählt, seinem Vorgänger DB 5 wurde noch die Ehre zuteil, in einem James Bond-Film für automobilistische Furore zu sorgen. Nun steht mit dem Aston Martin DBS V8 der Nachfolger bereit - lang, breit, vom Styling her eher italienisch anmutend. Doch es ist wahrhaftig ein "Äschten" (Firmenbezeichnung auf Merz-Schwäbisch). Die alte Grundlinie, schon mit dem DB 2 beginnend, gehört endgültig zum alten Eisen. Vor allem das Zierliche ist weg - der Aston Martin DBS V8 zeigt Wuchtigkeit in jeder Beziehung, hat die markentypische Linie verloren. Hässlich ist er keineswegs, aber man wird sich an den kolossalen optischen Auftritt gewöhnen müssen. Ob die oftmals konservativen Freunde der britischen Edelmarke dem neuen Karosserie-Trend folgen werden, scheint zunächst einmal sehr ungewiss zu sein.

Dass der alte sechszylindrige Vierliter-Langhuber aus dem DB 6 zwar noch angeboten wird, aber wegen des ganz neu entwickelten Achtzylinders, der im Aston Martin DBS V8 steckt, doch zum Auslaufmodell degradiert wurde, dürfte die Aston-Klientel wohl weniger gestört haben. Leistungsmäßig ist dies alte Triebwerk längst am Ende angekommen, und wer mit den klassischen Traumwagen von Ferrari oder Maserati konkurrieren will, sollte schon in den siebziger Jahren deutlich über 300 PS unter der Motorhaube haben. Der Aston Martin DBS V8 bietet dieses Potenzial. Mit 350 PS bei nur 5.500 Umdrehungen gipfelt der neue V8, vorsorglich haben die Techniker der neuen Rakete eine Tachometerskala bis Tempo 320 mitgegeben.

Zwölf Liter Öl halten den Motor in gesunden Temperaturen

Es lohnt sich, das Triebwerk des Aston Martin DBS V8 etwas genauer anzuschauen. Der Hubraum liegt mit 5,3 Liter voll im US-Bereich, bei einer Bohrung von 100 mm und einem Hub von 85 mm ist der V8 ganz unbritisch kurzhubig geraten. Doch das Besondere an dieser Neukonstruktion ist nicht nur die Benzineinspritzung von Bosch mit ihrer Achtstempel-Pumpe, sondern die Zahl der Nockenwellen. Zwei pro Zylinderbank, natürlich kettengetrieben, macht insgesamt vier - auch optisch erscheint der englische Achtzylinder als feines Rasse-Aggregat. Selbst der Ölinhalt zeigt beim Aston Martin DBS V8-Motor mit fast zwölf Litern die in diesen Kreisen übliche Gigantomanie.

Der Aston Martin DBS V8 ist schwer geworden (1.840 Kilogramm mit vollem 96-Liter-Tank), und so ist auch das gewaltige Viernockenwellen-Aggregat nur gut für gute Fahrleistungen, nicht für überwältigende. Am meisten enttäuscht die Höchstgeschwindigkeit. Sie liegt zwar mit exakt 242 km/h absolut gesehen sehr hoch, doch das Werk verspricht 270. Das Temperament des Aston Martin DBS V8 entspricht den Erwartungen. Sieben Sekunden auf Tempo 100, 16 auf 160 - man kann mitspielen im Traumwagen-Orchester. Das Fünfganggetriebe im Aston Martin DBS V8 stammt von ZF, es schaltet sich nicht besonders leicht, aber exakt, und man muss es oft zur Hand nehmen. Obwohl es dem Aston Martin DBS V8 an Hubraum wahrlich nicht fehlt, zeichnet sich der neue V8 durch Unlust bei niedrigen Drehzahlen aus. Im Gegensatz zu den schon bei knapp über Leerlauf-Drehzahl kräftig antretenden amerikanischen Achtzylindern kann hier erst jenseits von 3.000 Touren mit ernsthafter Beschleunigung gerechnet werden. Very british hingegen der Ölverbrauch der großen Maschine. Schnelle Autobahnfahrten, für die sich der neue Aston Martin DBS V8 bestens empfiehlt, lassen den Schmieröl-Konsum auf über zwei Liter pro 1.000 Kilometer ansteigen.

24 Liter werden pro 100 Kilometer in den 5,3-Liter-V8 eingespritzt

Auch der Benzinverbrauch des Aston Martin DBS V8 ist nicht von Pappe. Im Testmittel sind es stolze 24 Liter pro 100 Kilometer, den Spitzenwert markiert die Ziffer 27,7, zustande gekommen durch ein Autobahn-Durchschnittstempo von rund 160 km/h. Die Schnellstraßen der Nation sind Anfang der siebziger Jahre noch freier, das Automobil der Upper Class vermag sich von der Massenmotorisierung noch so abzusetzen, wie es seinem Rang und seiner Preisklasse entspricht. Auch in anderer Hinsicht gelingt das - dazu muss man nur eine Tür des Aston Martin DBS V8 öffnen. Bei kaum einem anderen Objekt der Luxus-Klasse schlägt einem eine solche Wolke edelsten Ledergeruchs entgegen, entstanden aus den Häuten von fünf Kühen feinster Rasse pro gefertigtem Automobil. Bei der Bespannung der Sitze des Aston Martin DBS V8 haben sich alle Beteiligten offensichtlich Mühe gegeben, der Rest der Verarbeitungsgüte und die hinzugezogenen Materialien passen nicht zum Nobel-Image.

Türgriffe und Türschlösser des Aston Martin DBS V8 unterscheiden sich kaum von denen eines Morris 1100, dem Auge des Betrachters missfallen ebenso unsauber verarbeitete Klebestellen und schlechte Passformen. Billige Großserien-Autos sind hier klar im Vorteil, nicht hingegen bei der Opulenz des Aston Martin DBS-Instrumentenbretts mit sieben markant gestylten Anzeigen, davor ein schlichtes Dreispeichen-Lenkrad mit griffiger Lederumhüllung.

Fahreigenschaften nur durchschnittlich

Man muss trotz serienmäßiger Servo-Unterstützung kräftig hinlangen, der Aston Martin DBS V8 ist schwer, speziell in engen Kurven machen sich die 1,8 Tonnen nachhaltig bemerkbar. Auf der Fahrwerksseite haben die Techniker vor allem hinten alle Register gezogen. Die alte Starrachse des DB 6 hat ausgedient, stattdessen kämpft nun im Aston Martin DBS V8 eine De Dion-Achse mit den 350 Pferden - mit einem am Wagenboden fest verschraubten Differenzial und teuren Doppelgelenkwellen zum Antrieb der Hinterräder. Sie laufen bei dieser aufwändigen Konstruktion spur- und sturzkonstant, um das Gewicht der sogenannten ungefederten Massen gering zu halten, sind die Scheibenbremsen des Aston Martin DBS V8 in die Nähe de Differenzials verlegt.

Trotz solch exklusiver Zutaten sind Fahreigenschaften und Federung des Aston Martin DBS V8 nur durchschnittlich. Wegen einer zu weich geratenen Stoßdämpfung neigt der Zweitonner auf unebener Bahn zu Vertikalbewegungen, die das Auto instabil machen und Anlass zu Lenkradkorrekturen geben. Beim Kurvenfahren profitiert der Aston Martin DBS V8 von seiner exakten Servolenkung, in schnellen Kurven herrscht eine spürbare und als ganz angenehm empfundene Untersteuerneigung vor.

70.000 Mark kostet der neue Aston Martin DBS V8, viel Geld in jenen Zeiten. Ein hohes Maß an Perfektion darf man dennoch nicht erwarten, wohl aber den Eintritt in einen elitären Auto-Zirkel. Dass der dezenter auftretende Vorgänger DB 6 den Aston Martin DBS V8 dereinst in der Preisentwicklung weiter hinter sich lassen wird, kann man 1971 nicht ahnen. Heute kostet ein gepflegter DB 6 um 130.000 Euro, den Aston Martin DBS V8 bekommt man schon für rund 50.000. Der wahre Äschten ist und bleibt also ganz der Alte.

Quelle: Motor Klassik

Avatar von MotorKlassik
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