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Classic Driving News

Eine Frage des Know-Hows

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Der Mercedes-Benz 190 SL ist zwar kein kompliziertes Hightech-Produkt, aber gewisse Reparaturen verlangen die kundige Hand und die Erfahrung eines Spezialisten. Denn was hilft es, wenn der Wagen läuft, es jedoch an Leistung oder Bremskraft mangelt, weil der beauftragten Werkstatt das nötige Fachwissen fehlt.

Die gute Nachricht: Für einen perfekt bis zur letzten Schraube restaurierten Mercedes-Benz 190 SL ist der Wartungsaufwand relativ gering und überschaubar, selbst die Kosten bleiben im Rahmen. Die schlechte Nachricht: Die wenigsten 190 SL sind perfekt restauriert. Die Folge: Bei vielen Fahrzeugen wird nach und nach die eine oder andere Reparatur fällig, und die kann recht teuer werden, selbst wenn es nur um die Technik geht, auf die wir uns in der Mercedes-Benz 190 SL-Service-Station beschränken.

Gesteigerte Groschengrab-Gefahr

Für die Komplettrestaurierung eines Mercedes-Benz 190 SL "?kann man leicht für 90.000 Euro Ersatzteile verbrauchen", sagt Eugen Meyer aus Meckenbach bei Birkenfeld, der mit Teilen handelt und SL restauriert. Besonders günstig angebotene " haben also ein viel versprechendes Potential zum Groschengrab, was der angehende Käufer einkalkulieren sollte. Doch betrachten wir zunächst die normalen Service-Arbeiten. Dinge wie ein Wechsel des Keilriemens, der Zündkerzen oder des Motoröls samt Filtereinsatz bereiten keine Probleme und sind nicht teurer als bei anderen Autos.

Ein Austausch des Unterbrecherkontakts mit Einstellung der Zündung und einem Verteilercheck ist für unter 100 Euro möglich, sofern nicht eine marode Fliehkraftverstellung einen neuen Verteiler erforderlich macht. Aber auch der verbaute Unterbrecherkontakt kann den Preis nach oben setzen. "Es gab drei verschiedene Kontakte, wovon die zuletzt verwendeten mit der großen Kröpfung um die 100 Euro kosten", erklärt Mercedes-Benz 190 SL-Spezialist Fritz Wallner aus München. Ein günstigerer Ersatz für dieses Teil steht nicht zur Verfügung.

Eine Wissenschaft für sich: die 190 SL-Vergaser

Die Vergaser des Mercedes-Benz 190 SL sind oft ein Problemfall. Ebenfalls zu den Service-Arbeiten zählt ein Wechsel des Kraftstofffilters. Links im Motorraum befindet sich ein Kraftstoffumschaltventil. Nach Lösen einer Flügelschraube lassen sich Papierfilter und Dichtung wechseln. "Wir tauschen auch grundsätzlich die nach dem Ausbau des Filters zugängliche Korkdichtung aus, weil die mit der Zeit verrottet", sagt Wallner. Obwohl die Autos heutzutage wenig gefahren werden, ist das Prüfen und Einstellen des Ventilspiels nicht zu vergessen. Etwa alle 5.000 Kilometer macht es Sinn.

Sollte die Steuerkette rasseln, lässt sie sich ohne Motorausbau auswechseln. Dabei empfiehlt es sich, auch einen Blick auf den Zustand der Kettenräder zu werfen. Diese zu ersetzen erfordert beim Mercedes-Benz 190 SL einen großen Arbeitsaufwand, doch oft ist es so, dass der Motor eh einer kompletten Überholung bedarf, wenn die Kettenräder stark verschlissen sind. Die Preise für eine Motorüberholung bewegen sich je nach betriebenem beziehungsweise erforderlichem Aufwand etwa zwischen 6.000 und 14.000 Euro.

Ein beachtlicher Kostenfaktor können dabei die Vergaser sein, "die sind eine Wissenschaft für sich", betont Wallner. Wenn die beiden Solex-Register-Vergaser und das gesamte Ansaugsystem in Ordnung sind, ist das Einstellen beziehungsweise Synchronisieren kein Problem. Doch schon zur Bauzeit des Mercedes-Benz 190 SL zeigten sich bereits nach etwa 60.000 Kilometern Verschleißerscheinungen.

Falschluft häufige Ursache für unrunden Motorlauf

In der Vergangenheit wurde oft auf Weber-Vergaser umgerüstet, die aber nur im Leerlauf und bei Volllast zufriedenstellend funktionieren. Für eine Rückrüstung auf die originalen Solex des Mercedes-Benz 190 SL muss man 5.000 bis 6.000 Euro einkalkulieren. Ein Problem der Serien-Vergaser stellen ausgeschlagene Drosselklappenwellen dar, was sich durch einen instabilen Leerlauf bemerkbar macht. Einzelne Vergaser-Spezialisten vertreten die Theorie, dass sich die Wellen bei einer Neulagerung durch das erforderliche Aufreiben der Lagerbohrung nicht mehr im ursprünglichen Zentrum drehen, und sie versuchen, dies durch eine entsprechende Gestaltung der Drosselklappen auszugleichen.

"Die Ursache für schlechten Lauf ist aber zu 90 Prozent auf Falschluft zurückzuführen, die der Motor im Bereich des Ansaugkrümmers zieht", sagt Wallner, denn oft werden die Vergaser falsch montiert. Eine Schlüsselrolle kommt dabei zum Beispiel der zwischen Vergaser und Motorblock des Mercedes-Benz 190 SL montierten Stütze zu, die genau eingestellt werden muss. Häufig wird sie sogar vergessen, sie sorgt aber für eine stabile Lage der Vergaser. Diese ruhen beim Mercedes-Benz 190 SL auf Flanschdichtungen aus Gummi, die im Randbereich für die Schrauben durchbohrt sind. In diese Bohrungen gehören kleine Büchsen, die einerseits ein unnötiges Zerquetschen der Gummidichtung beim Festschrauben der Vergaser verhindern, andererseits einen bestimmten Abstand zwischen Vergaser und Ansaugkrümmer vorgeben. Genau dieser Abstand wird mit Hilfe der erwähnten Stütze fixiert. Zwischen den kleinen Büchsen und dem Vergaser sind gehärtete Scheiben vorgesehen, damit sich die Büchsen nicht ins Vergasermaterial einarbeiten. Weil es diese Scheiben nicht mehr gibt, verwendet Wallner von ihm selbst gefertigte Büchsen mit einem Bund.

Heulende Hinterachsen - Teure Fahrwerksreparaturen beim 190 SL

Doch nun zum Fahrwerk, wo einige teure Reparaturen auf den Mercedes-Benz 190 SL-Besitzer zukommen können. Manches lässt sich durch entsprechende Pflege, sprich Abschmieren, verhindern oder zumindest hinauszögern - wie ein Austausch der Kardanwelle (zirka 1.400 Euro) oder das arbeitsintensive und Spezialwerkzeug erfordernde Wechseln der Achsschenkelbolzen, was samt neuer oberer und unterer Traglager auf etwa 1.600 Euro kommt. 

Aber auch langlebige Dinge wie Lenk- oder Hinterachsgetriebe werden aufgrund des mittlerweile hohen Alters der Fahrzeuge zum Reparaturfall. Besonders bei Letzteren sollte man auf Schadensbegrenzung achten. Heulgeräusche erfordern baldiges Handeln. Denn wenn erst mal ein Zahn des Antriebskegelrads bricht, kann das Bruchstück sogar einen Totalschaden des Achsgehäuses verursachen. Relativ teuer kommen auch neue Bremsbacken. Doch eine optimale Bremswirkung ergibt sich nur, wenn man zunächst die Trommel vorsichtig ausdreht und die Bremsbacken dann auf das Trommelmaß abdreht. Das Know-how ist eben wichtig, aber das bieten leider nur wenige Werkstätten.

Service-Tipp zum Mercedes-Benz 190 SL

Einmal jährlich sollte man den Mercedes-Benz 190 SL zum Service bringen. Wichtig sind das Abschmieren sowie das Checken der Ölstände im Motor, dem Getriebe sowie in Lenk- und Hinterachsgetriebe. Eine Prüfung der Zündung und, wenn das Auto viel bewegt wurde, das Prüfen des Ventilspiels gehören ebenso dazu. Die Wahl der Werkstatt ist wichtig, viele Reparaturen wie ein Wechsel der Achsschenkelbolzen, der hinteren Radlager oder Arbeiten am Hinterachsegetriebe erfordern Spezialwerkzeug.

 

Quelle: Motor Klassik

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