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Classic Driving News

Ein richtig böser Range Rover

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Ein schönes Winter-Abenteuer mit dem Range Rover. Es geht um Holz machen in der weißen Einsamkeit. Der Range Rover 4.2 und der treue Hund sind für einen Nachmittag die besten Freunde.

Der vornehme Herr zieht die Full-Brogues aus Pferdeleder aus und steigt in die Gummistiefel. Gewachstes Parkett weicht verschneiten Ackerfurchen. Gestern Abend stand er noch auf dem mosaikgepflasterten Parkplatz des Gourmet-Restaurants, heute geht es im Holzfällerhemd zur Fichten-Plantage, damit in diesem frühen, langen Winter das Kaminfeuer nicht ausgeht. Ein krasser Rollentausch, den traditionell nur der weise, unantastbare, ja allwissende Range Rover 4.2 beherrscht, ohne auf irgendeinem Terrain, und sei es im Winterquartier der Schausteller, deplatziert oder peinlich zu wirken.

Range Rover - das elegante Universalgenie

Der Range Rover 4.2 ist ein Auto, das vielseitig ist wie ein Leatherman, leise und mühelos Tempo 160 auf der Autobahn fährt, sich dank Allradantrieb über ein sperrbares Verteilergetriebe mit Reduktionsgang durch den Morast wühlt und auch noch vier Tonnen an den Haken nehmen kann. Das war 1970 noch einmalig. Der allradgetriebene Vielzweck-Kombi mit luxuriöser Note und souveräner leiser V8-Motorisierung war zwar nicht der Vater aller SUV, diese Ehre gebührte bereits 1963 dem Kaiser Jeep Wagoneer, dessen Ur-Enkel heute Gran Cherokee heißt.

Doch der Range Rover hat den Titel geprägt. Schon durch seine lange Amtszeit, die von 1970 bis 1995 dauerte, durch sein Metallbaukasten-Design, dem dennoch ein geheimnisvoller Zauber innewohnt - es ist mehr als die bloße Schönheit des Funktionalen. Designer David Bache gelang mit wenigen Stilmitteln eine ungeheuer charismatische Form, Charles Spencer King lieferte zu Idee und Konzept für den "Road Rover" auch die frühen treffsicheren Entwürfe.

Den ersten Range Rover kennt auch hierzulande jeder, notfalls als Siku-Modell, als Feuerwehr-Vorausrüstwagen mit der Rettungsschere an Bord, als starkes, komfortables Zugtier für Motorboote oder Scheunenfunde. Er gehört zu den wenigen Auto-Ikonen, die letztlich wahre Klischees so bereitwillig transportieren wie Turnierpferde nach Iffezheim oder Daglfing. Ein Jaguar XJ 12 ist auch so eine, ein Citroën DS, ein Volvo Amazon, auch ein Mercedes G - sein zugegeben ärgster Rivale. Zu einem Range Rover fällt einem immer etwas ein, meist sind es nette Wörter wie Wohlstand, Oper, Gutsherr oder Burberry.

Kontaktkorrosion ist der ärgste Feind des Range

Der Brite ist anders als ein BMW X6 oder Audi Q7 sozialverträglich, nie würde man ihm in seine Dunlop All Terrain stechen.  Überzeugend spielt er die Rolle des Elder Statesman, gerade weiler zu seinen Schwächen steht. Der Range Rover trinkt gern einen über den Durst, ist nicht gerade der Zuverlässigste, und er rostet. Vorzugsweise dort, wo seine Alu-Haut auf sein Stahlskelett stößt.

Kontaktkorrosion heißt das Leiden. Sein Markenzeichen, die zweigeteilte Heckklappe, erkrankt zuerst. Ein eher ein kosmetisches Problem, denn sein Leiterrahmen samt kräftiger Traversen hält ihn auch nach Jahrzehnten zusammen. Aber Rost vor der Oper kommt gar nicht gut. Der frühe Range Rover war noch ein arger Spartaner, sein geräumiges Führerhaus, karg instrumentiert, hatte den asketischen Charme einer Holzhütte. Sein Fahrkomfort galt als passabel, immerhin sind die starren Achsen, anders als beim Land-Rover, schraubengefedert und sorgfältig geführt.

Zuverlässiger Langläufer-V8 reift mit den Jahren

Luxuriös war allenfalls das Design des Range Rover mit den aristokratischen Zügen - und die Motorisierung. Der gute alte 3,5-Liter-Leichtmetall-V8, anfangs noch von den Kuppeln der SU-Vergaser flankiert, war kein Ausbund an Leistung und Drehmoment.

Aber als stoischer Dauerläufer mit kultivierten Manieren und kräftigem Durchzug fand er wunderbar aus der sportlichen P6-Limousine in den hochbeinigen Country-Kombi. Die alte Buick-Konstruktion mit langen Stößelstangen und robustem Kurbeltrieb erwies sich als erstaunlich entwicklungsfähig. Beim Finale der ersten Range Rover-Serie waren 4,2 Liter Hubraum und 202 PS drin, anfangs waren es nur 135. So reifte er mit den Jahren. Legte sich Teppiche zu, brachte es zu Holz und Leder, und vor allem wurde er ab 1981 viertürig.

Nach dem Vorbild des früh verblichenen Monteverdi Safari füllte der Range Rover die Nische des Sport-Utility-Vehicles nun perfekt aus. Vogue hießen die späteren Varianten gern - so, wie die berühmte Modezeitschrift. Der standhafte, ehrliche Range Rover ließ sich vom Lifestyle becircen, plötzlich war der unkonventionelle, hübsche Kasten angesagt bei den Kreativen, den Werbern, Fotografen und Architekten. Die Lifestyle-Liaison verzieh man ihm, nicht aber den ruppigen Dieselmotor von VM-Motori, ein standesgemäßer V8-Selbstzünder scheiterte.

Ein ziemlich böser Range Rover

Urs Stiegler, Inhaber der Firma Landy Point aus Beuron, im dramatischen Jurakalk der noch jungen Donau, hat uns schon am Telefon gewarnt. "Das ist kein normaler Range Rover, brav und zurückhaltend, der ist von einer anderen Welt, ziemlich böse. Er klingt auch mehr nach einem grimmigen Ami-V8 und steht gerade bei mir zum Verkauf für 23.800 Euro - nichts für Originalitätsfanatiker, aber er bietet unglaublichen Fahrspaß."

Der 86er Range Rover in schlichtem Sierra-Silver und noch mit dem klassischen Vertikalgrill wirkt anfangs von außen ganz harmlos. Der Erstbesitzer, ein Schweizer Turnierreiter, hat ihn aber liebevoll und kostspielig optimiert. Sichtbar im Cockpit, wo Kompass, künstlicher Horizont und Höhenmesser nicht fehlen dürfen und ein Nardi-Holzlenkrad den luxuriösen Touch verstärkt. Weniger sichtbar unter dem Stahlgerippe der Alu-Karosserie. Dort steckt bereits die Antriebstechnik des 87er Range Rover mit Querstreben im Grill. Will heißen, das Verteilergetriebe arbeitet nun mit Hilfe einer Visco-Kupplung und wird über eine Kette antriebsseitig mit der ZF-Viergang-Automatik verbunden, Zahnradsalat adieu.

Es bleibt beim Reduktionsgang des Verteilergetriebes, der am besten bei Stillstand mit dem kleinen pilzförmigen Schalthebel über der Automatikkulisse eingelegt wird. Melanie wird ihn beim Schneefräsen zwischen Holzstapel und Waldlichtung nicht brauchen. Der permanente Allradantrieb und die grobstolligen Reifen schaffen es auch so, die Fuhre schneestiebend bei Laune zu halten. Fürs Ausgelassensein in einsamer Winterlandschaft ist der böse Range Rover genau der richtige Partner, zumal selbst sperrende Differenziale in den Achsen für zusätzliche Traktion sorgen. Damit ist der wilde Range Rover fürs Spielen im Unterholz bestens gerüstet. Wenn Melanie kurz Gas gibt, steht nicht etwa der Wagen quer. Nein, der drehfreudige V8 faucht kurz bedrohlich auf, der Range schießt nach vorn, und Schnee spritzt aus den Radkästen.

Deutlich mehr Drehmoment durch John Eales-Engeneering

Labradorhündin Anna, bei Urs mit seinen ganzen Landys aufgewachsen, erkennt im Range Rover quasi den Leitwolf. Sobald sich die geteilte Heckklappe schließt, springt sie auf. Auf der Heimreise, nachdem sich das Heck des Wagens mit frischem, intensiv nach Baumharz riechenden Fichtenholz gefüllt hat, muss sie auf der Rückbank Platz nehmen. Auch auf der Landstraße weiß der silberne Range zu gefallen. John Eales, Chef einer Motortuning-Betriebs in Coventry, nahm sich schon früh der verborgenen Talente des Buick-Rover-V8 an.

Unser 86er Range Rover wird von einem JE-Engineering-V8 spürbar beflügelt. Es überzeugt vor allem das Plus an Drehmoment im mittleren Drehzahlbereich, weshalb der Wunsch nach einem Turbodiesel gar nicht erst aufkommt. Rover übernahm den von JE modifizierten 4,2-Liter-V8 1994 mit dem langen Radstand ins offizielle Modellprogramm. Doch auf den starken Motor ist der souveräne Charakter des Range Rover nicht unbedingt angewiesen. Er begeistert auch als 3,5-Liter seine Fans.

 

Quelle: Motor Klassik

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